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Interview mit Plattenladenbesitzer Sven (Monster Records) zur Corona-Krise

"Mit soviel Solidarität habe ich nicht gerechnet."

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Sven von Monster Records

Die letzten Wochen waren für viele Ladenbesitzer*innen geprägt vom Hoffen und Bangen, denn gerade diese waren und sind neben vielen weiteren stark vom derzeitigen Shutdown betroffen.

Einige können nun aber zum Glück wieder Licht am Ende des Tunnels erblicken, denn durch die Lockerungen dürfen sie wieder öffnen. Für viele andere geht das Zittern aber erstmal weiter. Wir sprachen mit Plattenladenbesitzer Sven von Monster Records, der auch vorerst wieder etwas durchatmen kann, über die Krise und seinen wunderschönen Laden in Hannover.

Mit so viel Solidarität habe ich nicht gerechnet. Aus ganz Deutschland haben mich Plattenspenden erreicht. Viele bieten mir Ihre Hilfe an – der Zusammenhalt in unserer kleinen Szene ist schon zu spüren.

AFL: Moin Sven! Vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns nimmst und uns ein paar Fragen zu dir, deiner Leidenschaft und vor allem der derzeit vorherrschenden beschissenen Situation beantwortest.
Die Idee für dieses Interview erwuchs in mir, nachdem ich einen Hilferuf von dir über Facebook vernommen hatten. Bevor ich aber dazu komme, erst einmal ein paar Fragen zu dir und deinem Laden.

Seit wann betreibst du denn Monster Records und was waren seinerzeit die Gründe für dich, diesen Schritt zu gehen?

Sven: Ich habe 2012 allen Mut zusammengenommen, mir meinen Jugendtraum erfüllt und den Laden aufgemacht. Ich brauchte seinerzeit einen Ausgleich zu meinem, mitunter, sehr stressigen Job als Krankenpfleger.

AFL: Was ist die vornehmliche musikalische Ausrichtung deines Ladens und was macht ihn nicht nur für dich zu etwas ganz Besonderem?

Sven: Zu Beginn spiegelte die Auswahl in meinem Laden meinen persönlichen Geschmack wider. Jetzt biete ich neben Punkrock und Indie auch Soul, Reggae, Jazz und vieles mehr an.
Diese Vielfalt, in die Tiefe zu gehen und nicht nur Mainstream anzubieten, der sich gut verkauft, macht meinen Laden zu etwas Besonderem.

AFL: In deinem Laden finden auch immer wieder Konzerte statt. Wie hast du das eigentlich mit deinen Nachbarn geregelt und was waren da in den letzten Jahren so deine Highlights?

Sven: Ich mache seit 2012 Konzerte im Laden und erst in diesem Jahr gab es die erste kleine Beschwerde, aber durch rechtzeitiges Ankündigen und frühen Beginn der Shows gab es bislang keine großen Beschwerden.

Jede Band war ein Highlight: Duesenjaeger, die So Cho Pistons aus Japan, Muncie Girls, Koji, Gender Rolls, Nervus, Garrett Klahn, Klotzs, Koeter, Typesetter, The Apers, Ducking Punches, Smoke Or Fire , Astpai, Elway und viele mehr.…ach, jede dieser und auch die nicht genannten Bands waren einfach klasse!

Live im Monster Records (Bild zur Verfügung gestellt)
Live im Monster Records (Bild zur Verfügung gestellt)

AFL: Wie lief denn deine musikalische Sozialisation so ab? Was für Bands laufen bei dir zurzeit und welche liefen bei dir eigentlich immer durchweg?

Sven: Zurzeit höre ich alten Soul und Reggae, dann auch Viagra Boys, Pisse usw. und durchweg läuft The Fall, Wedding Present, The Smiths, Buzzcocks, Undertones uvm.

Ich bin mit 11-12 Jahren über die NDW und Bands wie Trio, Fehlfarben und Ideal zum Punk gekommen. Dann gab es noch die älteren Brüder meiner Freunde die mir Black Flag, DK und andere auf Kassette überspielten. Im Fernsehen gab es nicht viel, die Hitparade oder Ilja Richters Disco. Später dann Formel Eins, aber Punk hat man vergeblich gesucht…bin auf ’nem Dorf groß geworden und da haben wir uns unsere eigene kleine Punk-Szene gebastelt, war schon lustig.

AFL: Worin siehst du beim Betreiben eines kleinen Plattenladens die größte Herausforderung… mal abgesehen von der derzeitigen Situation.

Sven: Die größte Herausforderung ist beide Jobs, Krankenpfleger und Plattenverkäufer, unter einen Hut zu bringen. Da ist gutes Zeitmanagement gefragt!

AFL: Nun aber mal zur aktuellen Lage. Was war dein erster Gedanke, als du gehört hast, dass du den Laden erst einmal zumachen musst?
War dir von Anfang an klar, was für Konsequenzen dieses Virus für dich und deinen Laden haben könnte?

Sven: Mein erster Gedanke galt meiner Familie, deren Gesundheit und natürlich die Situation im Krankenhaus.
Durch meinen Job im Krankenhaus war mir schnell klar, dass die nächsten Monate extrem werden. Keine Konzerte, wenig oder kaum Umsätze – da habe ich es schon mit der Angst zu tun bekommen, dass mein Traum, mein Laden, das nicht übersteht.

AFL: Du hast über Facebook um Plattenspenden gebeten und auch angemerkt, dass du alles nimmst…auch die von Oma. Was machst du denn mit denen? Versuchst du sie nun über das Internet zu verkaufen?

Monster Record Nordstadtbraut

Sven: Ja, einige verkaufe ich über meinen Online-Shop, aber viele hat die Nordstadtbraut bekommen. Sie macht aus Vinyl Kunstwerke, Stencil-Art, einige hängen in meinem Laden an den Wänden und auf meiner Facebook-Seite findet man auch einen Link über den man diese bestellen kann.

AFL: Apropos Internet… dein Discogs-Shop ist ja bestimmt offen. Verschickst du denn mittlerweile wieder? Zu Beginn der Krise wolltest du ja davon absehen. Was waren denn dafür die Gründe?

Sven: Ich verschicke mittlerweile wieder, weil das Chaos auf den Straßen und das irre Hamstern besser geworden ist. Anfangs wollte ich nicht verschicken, weil ich nicht dazu beitragen wollte, dass sich das Virus schnell verbreiten kann, gerade über die Paketzusteller und die Postangestellten, aber auch da gibt es jetzt ja bessere Hygienevorschriften.

AFL: Du brauchst vor allem Unterstützung, weil dich die staatlichen Hilfen nicht erreichen werden. Woran liegt denn das und wie stellt sich denn die derzeitige Situation im Allgemeinen für dich dar?

Sven: Staatliche Hilfe bekomme ich nicht, weil die Voraussetzung um welche zu bekommen ist, dass man seinen Lebensunterhalt aus dem Laden heraus bestreitet und ich habe ja meinen, zwar nicht gut bezahlten, Job als Krankenpfleger. Mit dem Gehalt alleine hätte ich den Laden nicht halten können.

Ohne die Hilfe meiner Freundin, die eine Kneipe hat, wäre ich auf die Idee mit den Plattenspenden gar nicht gekommen, die mich über diese Zeit gebracht haben.

AFL: Wird dir denn viel Solidarität entgegengebracht und spürt man in diesen Tagen einen ganz besonderen Bezug zur Szene… die man ja an manchen Stellen vielleicht nicht mehr ganz so spüren kann.

Sven: Oh ja! Mit so viel Solidarität habe ich nicht gerechnet. Aus ganz Deutschland haben mich Plattenspenden erreicht. Viele bieten mir Ihre Hilfe an – der Zusammenhalt in unserer kleinen Szene ist schon zu spüren.

AFL: Ich fürchte in diesen Tagen mehr denn je, dass unsere musikalische Umgebung und Landschaft nach diesen Tagen nicht mehr dieselbe sein wird. Hast du da auch Angst vor oder glaubst du, dass sich die Szene davon auch schnell wieder erholt und es weiterhin unsere kleinen Clubs, Kneipen, Plattenläden, Bands, Labels, … geben wird?

Sven: Erstmal muss man Kneipen, Bars und kleine Clubs unterstützen, weil die staatliche Hilfe in erster Linie nur den Vermietern hilft. Da müssen wir alle zusammenhalten, dann denke ich kann daraus später, wenn alles vorbei ist, etwas ganz Neues entstehen.

Die Leute sind momentan auch ausgehungert nach Konzerten und einem Kneipenbesuch. Es wird etwas ganz Besonderes, ein Moment der Befreiung sein, wieder auszugehen…ja, es wird weiter Clubs, Kneipen und Konzerte geben – live ist besser als Live-Stream!

AFL: Wie können wir dich denn z.B. sonst noch unterstützen? Hast du vielleicht Soli-Shirts oder so, die man kaufen kann?

Sven: Ja, über Pressure and Ink gibt es Soli T-Shirts, Gutscheine und die Nordstadtbraut hat Corona Monster und Be my Quarantäne auf Vinyl in ihrem Sortiment .

AFL: Vielen lieben Dank für deine Zeit. Wir wünschen dir, Monster Records und der Nordstadtbraut alles Gute.

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– Playlist: Happy Release Day

1 Kommentar

  1. „Ladenbesitzer*innen“

    Das Gendersternchen inkludiert ja „alle anderen“ (lel) Geschlechter. Wieviele Ladenbesitzer, pardon Ladenbesitzende, kennst du die nicht männlich oder weiblich sind? Aber du bist wahnsinnig progressiv, darauf kannst du dir erst mal ein Astra oder Hansa gönnen…

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