Kurz vor dem Release ihres neuen Albums Karma, hatte ich die Möglichkeit ein Interview mit dem beiden Sängern Matzo und Dennis von Tausend Löwen unter Feinden führen zu können. Wir hatten ein wirklich angenehmes und sehr langes Gespräch zusammen. Ich habe mich dazu entschieden, möglichst wenig zu kürzen und euch das Interview quasi in voller Länge zugänglich zu machen. Los geht’s!
Wenn ich jemandem mit Hass begegne, dann kriege ich wahrscheinlich auch Hass zurück und genauso ist das, wenn ich jemandem mit Mitgefühl und Freundschaft begegne…
AFL: Ich bin ein bisschen nervös. Das ist mein erstes Interview überhaupt. Ich habe noch nie eins gemacht.
Dennis: Alles easy. Macht dir keine Sorgen. Es ist wie sich mittags treffen und ein bisschen Kaffee trinken, ein bisschen plaudern. Ganz locker alles (lacht).
AFL: Wo ich gerade euch zwei hier habe, vielleicht mal zum Start (hält eine CD hoch: Still Screaming – From The Ashes Of A Dead Time). Kennt ihr die noch?
Matzo und Dennis (grinsen): Ja. Ach geil. Sehr gut.
AFL: Ich habe letztens irgendwie erst durch Zufall festgestellt, dass ihr beiden damals ja schon zusammen in einer Band wart, die ich extrem gut fand (und immer noch finde). Hatte mir das Album damals sogar vorbestellt. Musste jetzt nochmal ungläubig ins Booklet schauen. Jetzt weiß ich endlich, woher ich Matzos Stimme kenne.
Dennis (lacht): Da schließt sich der Kreis.
AFL: Dann legen wir mal los. Euer neues Album, Karma… leckt mich am Arsch, Leute. Das ist meiner Meinung nach das mit Abstand beste Album, welches Tausend Löwen unter Feinden bisher rausgebracht hat.
Matzo: Dankeschön.
Dennis: Vielen Dank, vielen Dank. Hast du auch ein paar Favoriten-Songs?
AFL: Wechselt tatsächlich irgendwie immer mal wieder. Das Album läuft bei mir quasi in Dauerschleife. Was wegen meiner Tochter tatsächlich ein großes Ding ist: Familie.
Dennis: Ja, das glaube ich. Als ich gerade deine Kleine gesehen habe, habe ich gedacht, ey, ich glaube, er kann Familie gut nachvollziehen.
AFL: Da sind ehrlich gesagt auch ein paar Tränchen geflossen.
Dennis: Das ist bei mir ganz genauso. Auch selbst jetzt, wenn ich den Text höre, bekomme ich immer noch so ein großartiges Gefühl. Ich finde, das war auch super schwer, den Text zu schreiben, muss ich sagen. Bei keinem der anderen Texte, die ich geschrieben habe, ist es mir so schwergefallen, wie bei diesem. Man will ja auch nicht irgendwie zu platt sein, oder zu sehr übertreiben, aber man neigt natürlich dazu, weil man so ein bisschen seinen Gefühlen freien Lauf lässt. Das war echt eine Gratwanderung, aber ich hoffe, es ist gut nachvollziehbar und es kommt nicht zu schwülstig rüber. Ist für alle Väter und Mütter. Darüber könnten wir jetzt stundenlang reden… machen wir mal bei einem Bier.
AFL: Gerne. Wo waren wir jetzt eigentlich? Achso, wir waren bei eurem Album, glaube ich. Wann kommt das nochmal raus?
Matzo: Am 11. April ist Release. Wir werden dann auch in Essen am gleichen Tag eine Release-Show spielen. Danach spielen wir dann hauptsächlich zwischen April und Juni quer durch Deutschland immer mal so Weekender.
AFL: Das bringt mich tatsächlich zu einer ganz interessanten Frage. Ihr seid ja nicht von Beruf Musiker. Wie managt ihr das? Dennis, du hast ja auch gesagt, du hast Familie. Ganz ehrlich, wie macht man das? Wie findet ihr noch Zeit, rauszufahren, Konzerte zu spielen und alles Private unter einen Hut zu bekommen?
Dennis: Es ist nicht mehr so viel Zeit wie früher, wo man quasi jedes Wochenende unterwegs war oder drei Wochen am Stück auf Tour war. Das geht ja heutzutage gar nicht mehr. Deswegen haben wir jetzt auch bei der neuen Platte gesagt, wir machen nur Weekender. Das ist so die Zeit, die man noch erübrigen kann, wenn man dann auch noch berufstätig ist.
Ich war damals bei Brightside auch noch Student, da war es dann scheißegal. Da hat man halt keinen Urlaub verbraten, wenn man da mal ein paar Wochen unterwegs war mit der Band. Das war alles noch easy.
Jetzt muss man halt alles so ein bisschen koordinieren und muss gucken, dass das alles so passt. Es ist schon eine Gratwanderung, alles unter einen Hut zu kriegen. Aber ich finde, wir machen das noch ganz gut.
Der Tim, unser Gitarrist, der hat auch einen kleinen Sohn, der ist auch in dem Alter von meiner Kleinen. Der muss auch ein bisschen gucken mit Family und so weiter. Die anderen haben auch alle Familie.
Aber irgendwie kriegen wir es trotzdem noch hin. Ich finde, es klappt trotz der wenigen Zeit ganz gut. Und das Gute ist, dass man die Zeit, die man dann miteinander hat, auch ganz anders wahrnimmt und auch viel mehr genießt.
Matzo: Ich glaube, der andere Aspekt ist halt auch noch, das werde ich auch nicht müde zu betonen, dass eine Band immer irgendwie aus dem ganzen Umfeld drumherum auch mit besteht. Und wir halt auch einfach echt viele Leute haben, die uns auch schon teilweise jahrelang unterstützen. Also Freunde, die uns zum Beispiel bei Grafiken unterstützen, die Shirtdesigns machen, oder auch viel von dem Internetkram übernehmen.
Dann haben wir jetzt mit Cargo Records ein Label, die auch echt am Start sind und viel Input geben und das Ganze so mittragen. Und das ist auch wirklich ganz viel wert. Oder MAD Booking, die das Booking übernehmen.
Das heißt, wir haben dann schon letztlich so ein komplettes Umfeld, was für mich auch immer schon dieser Grundgedanke von Tausend Löwen gewesen ist. Natürlich gibt es irgendwie so den harten Kern an den Personen, die das letztlich dann auch auf die Bühne transferieren, aber für mich gehören da alle anderen dazu, die sich da genauso engagieren, ihre Zeit reinstecken, sich nachmittags oder abends nach der Arbeit hinsetzen und dann irgendwie noch so einen Flyer bauen, oder egal was dann am Ende noch gemacht wird.
Da sind wir als Band, glaube ich, auch echt gut aufgestellt, weil wir ein starkes Umfeld haben, die uns da einfach unterstützen. Und das ist super viel wert und hätte auch alles nicht diese Qualität, wenn wir das jetzt alles selber machen würden. Genauso wie jetzt das Video, wo sich zwei Kollegen bereit erklärt haben und sagen, wir haben Bock auf das Thema und wir helfen euch und drehen mit euch das Video.
Ich empfinde das als zweite Lebenswelt neben dem Job und Allem, die einem einen Ausgleich bringt.
Wie Dennis auch schon gesagt hat, man hat dann diese Zeit, die dann auf einmal noch mehr wert ist, wenn man wieder mit sechs Leuten zusammen im Bus sitzt und sich austauscht und sofort merkt, okay, jeder arbeitet irgendwie woanders und bringt seine eigene Perspektive mit rein. Das ist halt total cool, aus seinem Arbeitsalltag auch wieder irgendwie mit anderen Menschen zusammenzukommen, dann wieder an Orte zu fahren, wo wieder andere Menschen sind um wieder neue Eindrücke zu bekommen. Das ist mir und ich glaube, da spreche auch für uns alle, super wichtig, dass das irgendwie in unserem Leben drin ist. Dann macht man sich dann halt eben irgendwie die Zeit.
AFL: Wer schreibt bei euch eigentlich Texte, Musik? Macht ihr das alle gemeinschaftlich oder wie läuft das bei euch?
Matzo: Das hat sich im Laufe der Bandgeschichte so ein bisschen verändert, weil halt auch einfach teilweise Line-Up-Wechsel waren und dann mal mehr und mal weniger Songwriter mit drin waren, deswegen ist das immer so ein bisschen unterschiedlich. Aber das Line-Up, was wir jetzt haben, steht ja auch schon länger.
Das hat sich das schon bei Fokus eigentlich so eingependelt, dass wir schon mehrere Personen haben, die quasi so Song-Gerüste bauen, jeder so für sich, und dann das in die Gruppe spielen und wir dann versuchen, daraus irgendwie gemeinsam einen Song zu bauen. Bei den Texten ist es so, dass Dennis und ich uns jetzt da die Texte aufgeteilt haben oder gesagt haben, wer hat Bock, auf welchen Song irgendwie einen Text zu schreiben und dann haben wir uns danach auch mit unseren jeweiligen Grundideen zusammengesetzt und nochmal gemeinsam überlegt, passt das so oder wollen wir noch was ändern und so ist das dann insgesamt zusammengewachsen.
AFL: Also verstehe ich jetzt richtig, bei euch steht eigentlich die Musik zuerst und dann kommt der Text da drauf oder schreibt ihr Texte zuerst und dann kommt die Musik?
Matzo: Ja, es ist meistens tatsächlich so, dass die Musik zuerst da ist. Es gibt immer wieder Textfragmente, die man sich mal aufschreibt, gerade wenn man irgendwie Sänger ist und mal eine Idee hat.
Dennis: Ich habe ganz viele Word-Dokumente, wo ich einfach nur so ein paar Fragmente mal aufgeschrieben habe, weil ich dachte, das sind coole Textpassagen und die kann man dann natürlich auch immer ganz gut verwenden. Also von daher erst die Musik und dann haben wir es tatsächlich zwischen Matzo und mir so aufgeteilt, wie fühlst du den Song? Es gibt so manche Songs, die habe ich nicht sofort gefühlt. Da habe ich auch gedacht, nee, da fällt mir jetzt auch spontan nichts zu ein und bei anderen Songs, so wie bei Familie zum Beispiel, habe ich den Refrain sofort im Ohr.
Da ist dann auch ein bisschen mehr Gefühl mit am Start, wenn man merkt, okay, das ist jetzt ein Song, der landet direkt bei mir, dann kann ich da direkt auch einen Text zu schreiben. Das macht viel mehr aus, als wenn man jetzt auf Zwang irgendwie einen Text schreiben muss. Aber letztendlich gefühlt haben wir alle Songs, wir haben sie ja auch zusammen gemacht, aber man fühlt dann den einen mal mehr und den anderen mal ein bisschen weniger.
Matzo: Ja, klar. Und auf einer anderen Ebene war es halt so, dass wir dadurch, dass wir immer auch Konzeptalben machen wollen, man da natürlich im Vorfeld auch überlegt, wie kann denn so ein Konzept dann letztlich auch aussehen. Da haben uns da natürlich dann auch immer wieder abgestimmt, dass auch die Texte letztlich in so ein Konzept zusammen einfließen können, dass es dann insgesamt schlüssig wird.
Es gibt immer die eine und die andere Seite welche aber untrennbar miteinander verschmolzen sind.
AFL: Ihr macht ja eigentlich nur Konzeptalben. Könnt ihr mir ein bisschen was dazu erzählen, was das Konzept ist? Worum es sich dreht?
Matzo: Grundsätzlich muss man das, glaube ich, so ein bisschen in den kompletten Kontext setzen, weil natürlich irgendwie auch zwischen Machtwort, Zwischenwelt und Karma und auch dem, was dazwischen passiert, so eine Art roter Faden besteht. Komplexitätssteigerungen, Optionssteigerungen und die Art der Kommunikation ist komplett anders dadurch geworden, dass alles online passiert oder vieles online passiert.
Global hängen die Dinge auf einmal noch stärker zusammen, gehen vielleicht auch viral und das hat natürlich einen viel größeren Impact. Das ist so die Aussage bei Zwischenwelt gewesen und auch die Frage, wie kann man denn in so einer Welt sich jetzt als Individuum zurechtfinden. Und Fokus war in der Zeit nach Corona oder während der Corona-Zeit, wo wir gesagt haben, wir möchten einen positiven Output setzen.
Da war ja schon so ein Moment, wo man sich auch ein Stück weit hilflos gefühlt hat und gedacht hat, okay, mein Leben ist jetzt irgendwie nicht mehr so, wie es davor war und was kann ich tun.
Deswegen heißt das auch Fokus. Zu sagen, da wo man selber die Aufmerksamkeit hinlenkt, da geht auch mein Leben hin. Auch wenn man sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch hilflos oder ausgeliefert fühlt, kann man über die Fokussierung schon sagen, okay, was kann ich denn selber irgendwie tun und wo kann ich selber irgendwie meine Akzente in meinem Leben setzen?
Karma ist letztlich jetzt genau der nächste, ich sag ich mal, Evolutionsschritt. Zu sagen, es ist zwar alles komplex und auch viel Unsicherheit auf der Welt, es gibt aber eben auch Prinzipien, die einfach zu benennen sind. Und das ist zum Beispiel Karma: Ursache und Wirkung.
Wenn ich jemandem mit Hass begegne, dann kriege ich wahrscheinlich auch Hass zurück und genauso ist das, wenn ich jemandem mit Mitgefühl und Freundschaft begegne, dann wird der mir wahrscheinlich auch ähnlich begegnen. Wenn ich jemanden anlächle, kriege ich wahrscheinlich auch ein Lächeln zurück. Auf einer persönlichen Ebene und dann eben auch auf einer gesellschaftlichen Ebene. Wenn Gesellschaften sich in die eine oder in die andere Richtung verhalten, was passieren da und was für Ursachen und Wirkungen stehen dahinter?
Und genauso unserem Planeten gegenüber, was passiert denn eigentlich, wenn wir das hier ausrotten oder wenn wir uns darum kümmern? Und das ist letztlich dann Karma. Die Platte verarbeitet das eben auf individualisierter Ebene, aber auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene. Dennis, hast du noch einen Take dazu oder passt das?
Dennis: Nein, ich finde, das können wir so stehen lassen.
Die Mischung ist wirklich ganz gut auf der Platte, da wir es halt tatsächlich geschafft haben, persönliche Themen, aber auch, wie Matzo schon gesagt hat, gesellschaftliche Themen ein bisschen miteinander zu vermischen und das man damit aber auch ein gutes Gesamtbild hat. Das war uns an der Stelle auch wichtig, dass es jetzt nicht nur so übergreifend ist und irgendwie sehr abgehoben, sondern das es auch Sachen sind, die man persönlich für sich auch nachvollziehen kann, jeder für sich rein subjektiv. Also es gibt ja viele Themen.
Also Judas zum Beispiel, zerbrochene Freundschaften haben wir alle schon erlebt. Das ist, was wir da in dem Rahmen so ein bisschen verarbeiten wollten.
Matzo: Das war tatsächlich auch so ein Thema. Zwischenwelt war teilweise schon sehr auf der Meta-Ebene. Dieses Mal sollte die Wortwahl etwas, naja, einfacher sein. Bei Stein z.B. Nationalsozialismus ist scheiße! So, Punkt. Da gibt es auch gar nichts anderes mehr zu sagen. Das brauchen wir auch nicht verfloskeln oder keine Ahnung was, sondern das kann man eben auch gerade raus so sagen.
Das war jetzt bei Karma schon auch ein Ansatz, nochmal zu sagen, wir werden da auch nochmal in der Sprache ein bisschen direkter.
AFL: Was mich persönlich etwas gewundert hat, das Album beginnt ja mit Nerv. Typischerweise ist das doch der klassische 30-Sekunden-Song, der in so einem Hardcore-Album so in der Mitte irgendwo stattfindet. Und ihr habt euch jetzt dafür entschieden, den an den Anfang zu setzen.
Dennis: Ja, das ist einerseits, weil es natürlich den Leuten direkt am Anfang erstmal eine schöne Backpfeife gibt und man sagt, hallo, geht jetzt los, schön, dass ihr da seid. Auf der anderen Seite, aber, da kann ja Matzo gleich nochmal was dazu sagen, weil er auch die letzten Alben textlich ja auch geschrieben hat, ist das auch tatsächlich ein Verweis auf die früheren Alben. Das ist der Vorteil bei Konzeptalben, dass man da so ein bisschen aufeinander verweisen kann.
Matzo: Kennst du die Licht-EP auch?
AFL: Klar.
Matzo: Okay, die fängt ja mit Schatten an. Sowohl musikalisch als auch textlich geht das in eine ähnliche Richtung.
Also Schatten geht ja quasi auch irgendwie direkt los. Alles, also Schlagzeug, Gesang… alles rollt auf einmal sofort los. Schatten ist damals auch tatsächlich der allererste Tausend Löwen Song, den es jemals irgendwie gegeben hat.
Und Nerv bezieht sich halt jetzt auf Schatten. Es geht genau darum, zu sagen, okay, es ist eine Konsumgesellschaft. Ihr lasst euch irgendwie alle blenden, beschäftigt euch die ganze Zeit irgendwie mit dem Außen. Aber eigentlich lenkt euch das nur ab.
AFL: Im Album ist ja auch wirklich alles dabei. Von Gesellschaftskritik wie Verstand oder Ignoranz, bis hin zu PMA wie Familie oder Waffe. Für jede Gelegenheit ein Song sozusagen.
Dennis: Es ist schön, dass du das Album so abwechslungsreich empfindest, weil, das war uns auch wichtig. Wir hatten tatsächlich im Vorfeld auch mal überlegt, dass wir vielleicht nur noch EPs rausbringen.
AFL: Ernsthaft?
Dennis: Ja, ja, weil heutzutage in so einer schnelllebigen Gesellschaft ist es natürlich immer schwierig, die Leute so lange bei der Stange zu halten.
Damit geht es ja auch dann los bei Nerv. Sie hören, liken, sliden und vergessen es sofort. Ist ja heutzutage leider so.
Es ist alles so schnelllebig geworden. Wie Musik konsumiert wird, ist ja mittlerweile auch so. Du hörst irgendwas auf Spotify und dann kriegst du in der Playlist was Neues angezeigt. Dann weißt du gar nicht, wer die Band ist, findest es aber irgendwie gut, aber dann ist sie schon wieder weg und du weißt gar nicht, welche Band das war.
Es ist ja auch ein ziemlich langes Album geworden. Deswegen war es uns an der Stelle auch wichtig, dass es abwechslungsreich wird. Und schön, dass du das bestätigst.

AFL: Kommen wir mal zum Album-Cover. Wie kamt ihr drauf? Habt ihr das irgendwo gesehen und fandet es gut? Oder wo kommt das her?
Matzo: Vorne ist ja ein Caputo drauf. Hast du das Ganze gesehen? Also kennst du nur das Front-Cover oder kennst du auch die Innen- und die Rückseite?
AFL: Nee, ich kenne nur das Front-Cover.
Matzo: Da ist ja noch eine Rückseite und das wird ein Gatefold, das heißt, wenn du es aufklappst, ist innen drin noch mal eine große Zeichnung. Vorne ist eben der Caputo drauf, das ist ja quasi Die Maske eines Samurai-Helm. Drin ist der gleiche Samurai-Kämpfer noch mal abgebildet, der dann gegen so ein Oni kämpft, also gegen ein Art Geist oder Dämon. Der Samurai hält in seiner Hand noch den Kopf einer Schlange. Hinten ist dann diese Schlange zerteilt drauf. Das ist im Endeffekt der Kampf von Gut und Böse gegeneinander, symbolisiert durch den Samurai und diesen Oni-Dämon.
Im Prinzip ähnlich einem Yin-Yang. Es gibt immer die eine und die andere Seite welche aber untrennbar miteinander verschmolzen sind. Im Guten ist immer auch ein bisschen Böses drin und umgekehrt.
Das Cover soll letztendlich das Konzept des Albums widerspiegeln.
Dennis: Meine ursprüngliche Idee des Covers war ja, dass da wirklich so ein schöner fetter Tausend Löwen Schriftzug ist und vorne so ein richtig kitschiger Strand mit richtig bunten Farben, so im 80er-Style. Wenn du die Platte aber umdrehst, dann ist alles kaputt. Meine Idee war eher da ein bisschen bunter zu sein, in eine bisschen andere Richtung zu gehen, aber da passt natürlich das Cover von Matzo sehr viel besser in das Gesamtkonzept. Deswegen haben wir gesagt, dann machen wir das für die LP und das buntere dann als Special Cover für die Pre-Order-Version.

AFL: Dennis, du bist ja seit Focus fest dabei. Du hast ja vorher schon bei zwei Songs mitgewirkt.
Dennis: Im Hintergrund habe ich immer so ein bisschen mitgemacht. Ich habe ja die erste EP, die Licht-EP damals, auf meinem Label rausgebracht.
Und hier und da ein Video habe ich auch gemacht. Also im Hintergrund war ich immer so ein bisschen beteiligt, weil ich auch immer ein Fan der Band war. Ich saß sogar am Merch stand und habe Merch verkauft. Aber so macht man das unter Freunden.
Da unterstützt man sich und es hat immer Spaß gemacht. War immer geil und jetzt bin ich dabei. Siehst du? Hat sich die ganze Mühe doch gelohnt.
AFL: Eine Frage, die wahrscheinlich schon öfter aufgekommen ist: Wie kamt ihr auf den Namen? Tausend Löwen unter Feinden ist ja irgendwie schon sehr kryptisch.
Matzo: Damals bei Still Screaming war irgendwie klar, dass wird aus verschiedensten Gründen nicht weiter gehen. Es haben sich da auch Lebenskonstrukte von einzelnen Bandmitgliedern geändert.
Ich habe damals zu der Zeit in München gewohnt, und da gab’s schon so Momente, wo ich dachte, will ich überhaupt noch Musik machen? Getriggert war das irgendwie durch einen Moment, wo ich in München in der Einkaufsstraße stand und mir die Leute angeguckt habe und dachte so, ey, das ist doch irgendwie zwecklos. Warum versuchen wir eigentlich eine Message da rauszuhauen? Es ändert sich ja doch nichts. Das war zumindest mein Gefühl.
Dann habe ich irgendwann bei Dennis Zuhause gesessen… keine Ahnung wer noch alles dabei war… und wir haben über alles Mögliche rumphilosophiert auch über politische Sachen.
Und das war so der Moment, wo ich für mich noch mal so gemerkt habe, okay, ich bin da nicht alleine. Also es gibt einfach die Menschen, die sich die gleichen Gedanken machen oder ähnliche oder auch merken, okay, es kann ja irgendwie so nicht weitergehen, oder irgendwas läuft auf jeden Fall falsch. Dieses Grundgefühl, da gibt es ja genug Menschen, die das haben. Das ist dann der Moment gewesen, wo ich dann dachte, das will und muss ich weitermachen.
So ist dann der Gedanke gekommen, zu sagen, vielleicht sind es nur tausend Leute, aber es gibt sie. Und es hat einen Wert das zu tun.
Man macht oder man sagt irgendwas und selber merkt man nicht unbedingt die Auswirkungen dessen. Aber das heißt nicht, dass es die Auswirkungen nicht gibt. Und ich glaube, das muss man sich halt immer wieder bewusst machen.
Das ist so ein bisschen als wenn, weiß ich nicht, man einem Vegetarier oder einem Veganer sagt, ja, die anderen essen ja eh Fleisch, das ist dann auch egal, ob du das jetzt machst oder nicht. Aber es ist eben nicht egal, weil der Eine dann eben kein Geld mehr in diese Industrie spült. Genauso ist das halt bei der Musik vom Grundgedanken auch.
AFL: Ich komme mal auf ein, zwei Songs im Einzelnen zu sprechen. Ihr habt ja zum Beispiel mit Bilanz und Real zwei ordentliche Abrechnungen mit Influencern am Start.
Dennis: Beide Texte prangern ja die Oberflächlichkeit der sozialen Medien an. Die zeigen auch, wie schnell Likes und Follower zur Währung für das eigene Selbstwertgefühl werden.
Bei Real z.B. finde ich das ein nettes Wortspiel, weil all die Influencer Vollidioten sich ja immer für so real betrachten oder sagen: hey, du bist gar nicht real. Ich finde, das ist so widersprüchlich alles. Das ist genau das Problem in einer Welt, in der sich alles nur um Selbstdarstellung und die eigene Inszenierung dreht. Da kann man ja gar nicht real sein.
Gerade für Kinder finde ich das problematisch, weil das ein verzerrtes Bild der Gesellschaft vermittelt. Das baut so viel Druck auf, weil alle denken, ich muss perfekt sein.
Selbst so vermeintlich ehrliche Posts, wo man denkt, okay, der meint es vielleicht jetzt mal ernst oder so, sind oft so durchdacht, um irgendwie emotional zu wirken und ein Engagement zu erzeugen. Das ist halt eine enorm große Gefahr, weil gar nichts mehr richtig und gar nichts mehr echt ist.
Matzo: Das sind eben Leute, die sich durch irgendwelche Aktionen eine Followerschaft aufbauen und dann letztlich ein ökonomisches Geschäftsmodell dahintersteckt, weil die dann irgendeinen Scheiß über ihre Plattformen verkaufen können, aber die ganze Zeit so tun, als wenn es nicht so wäre. Das ist alles total krank. Wie Dennis auch gesagt hat, am Ende werden da Illusionswelten aufgebaut. Leute, die in Thailand im Fünf-Sterne-Hotel rumspringen und dann irgendwelche Sonnencremes verkaufen.
Dennis: Und wenn man das Ganze mal weiterdenkt, wo steuern wir denn hin? Vor allen Dingen jetzt mit der ganzen künstlichen Intelligenz. Du kannst ja mittlerweile gar nicht mehr unterscheiden, was ist denn jetzt überhaupt wirklich noch echt und was ist falsch. Das ist ja schon so beängstigend, was heutzutage möglich ist.
Du kannst ja Politikern irgendwelche Worte in den Mund legen und damit echte Krisen auslösen, weil vielleicht irgendjemand nicht rafft, dass das ein AI-generiertes Video ist. Also da steckt so viel Gefahrenpotenzial dahinter und das ist auch echt so ein Punkt, wo die Gesellschaft wirklich anfängt, richtig krank zu werden an der ganzen Scheiße. Wir stehen gerade erst am Anfang von dieser AI-Sache.
AFL: Bei Ignoranz habe ich mich tatsächlich selbst ein wenig ertappt gefühlt. Auch ich haue mich abends gerne mal auf die Couch und schaue irgendetwas belangloses. Macht ihr sowas nicht?
Dennis: Nein, natürlich machen wir das auch. Es ist jetzt nicht so, dass wir nach Hause kommen und uns sofort irgendwie Nietzsche schnappen und anfangen in Philosophien einzutauchen. Nee, klar, das braucht jeder.
Der Text dreht sich ja so ein bisschen um die Apathie der heutigen Gesellschaft.
Man ist ja im Prinzip so von Konsum geprägt und mediale Berieselung ist ja auch ein ganz, ganz großes Thema. Das schürt natürlich auch in gewisser Weise den Egoismus.
Jeder hat so seine Schäfchen im Trockenen, er kommt nach Hause, macht die Tür zu. Man will ja auch nicht immer irgendwie die Probleme der Welt mit sich rumschleppen.
Man will sich ja auch mal berieseln, will sich auch mal ablenken und manchmal muss man das auch tun.
Aber ich glaube, dass wirklich ein großer Teil der Gesellschaft da schon total abgestumpft ist und von irgendwelchen Netflix-Serien mehr getriggert wird als von realen Problemen in der Welt. Das sich viele zu sehr berieseln lassen und alles was so drumherum passiert vergessen, oder vielleicht auch bewusst verdrängen.
Matzo: Wenn jetzt z.B. jemand sagt, ich bekomme in meinem Leben gar nichts geschissen, dann kann man ja mal zusammenrechnen, wie viel Zeit dann eben bei solchen Serien und bei all dem, was man da dann so konsumiert drauf geht. Natürlich bekommt man da nix anderes mehr auf die Reihe. Wo wir wieder bei Karma wären. Du erntest was du sähst.
AFL: Dann vielleicht noch einen letzten Song: Vergebung. Hat mich tatsächlich auch an From The Ashes Of A Dead Time erinnert, weil da ja auch ein Klavierstück drin ist. Spielt jemand von euch Klavier? Macht das einer aus der Band oder habt ihr da jemanden anderen, der den Song eingespielt hat?
Dennis: Ja, da können wir jetzt eigentlich den Bogen wieder zu dem spannen, was der Matze eben schon gesagt hat, dass es ringsum ganz viele Leute gibt, die hier beteiligt sind. Eine wirkliche Gemeinschaft von Leuten, die sich immer wieder gegenseitig unterstützen.
Das Klavierstück hat halt der Basti gemacht. Der Basti, der auf dem letzten Album noch Bass gespielt hat und dann aus der Band ausgestiegen ist, aber trotzdem noch seinen Teil zum neuen Album beigetragen hat.
Matzo: Gitarre.
Dennis: Gitarre meine ich doch, stimmt. Bass hat er bei Still Screaming gespielt.
Matzo: Ja, genau.
Dennis: Stimmt, da war der Basti ja auch dabei. Da hatten wir bei Still Screaming ein riesen Gitarrentalent am Bass verschwendet. Ich ärgere mich heute noch. Was hätten wir groß rauskommen können, aber egal. (lacht)
Nee, Quatsch. Die anderen Gitarristen waren auch super.
AFL: Hatte Basti das Stück auch bei Still Screaming gespielt?
Dennis: Ja genau, hatte er. Ich spiele auch Klavier, aber allerdings nicht so virtuos wie der Basti. Von daher war ich da leider raus.
Ich hätte mich auch gerne mal Klaviertechnisch verewigt, aber ich bin da leider nicht ganz so gut.
AFL: Beim nächsten Album dann.
Dennis: Beim nächsten Album vielleicht, genau. (lacht) Da hab ich noch ein bisschen Zeit zu üben…
Ich finde, das ist immer so ein emotionaler Moment. Ein Moment, wo man noch mal Luft holen kann. Und gerade jetzt auf dem Album ist es auch so, dass er bewusst zwischen den beiden Songs gesetzt wurde.
Wir haben die drei Songs (Urteil, Vergebung, Stein) vorab ja auch am Stück rausgebracht. Das sind vielleicht tatsächlich nicht die Songs, wo man sagen würde, da feiern uns alle, sondern die, die textlich sowie musikalisch ein bisschen tiefgründiger und ein bisschen schwerer sind. Aber das war uns egal, weil es uns wichtig war, dass wir die Message raushauen und das am besten noch vor den Wahlen.
AFL: Letzte Frage. Auf welchen Tonträgern etc. wird euer neues Album denn erscheinen?
Dennis: Kommt auf CD und auf Vinyl. Vinyl war mir persönlich ganz wichtig, ich bin ja ein großer Vinyl Konsument. Es gibt verschiedene Varianten wie z.B. das Special Cover… ist aber leider schon ausverkauft… oder die LP die im Dunkeln leuchtet (beide lachen). Wir haben uns da viel Mühe gegeben, dass alles stimmig zu machen.
Also kommt auf Vinyl, CD und natürlich auf allen online Plattformen.
AFL: So… ich denke jetzt sind wir durch. Waren auch gute 1,5 Stunden, ich glaube das reicht.
Vielen Dank für das tolle Gespräch und eure Zeit.
Dennis: Vielen, vielen Dank, auch für die super Fragen. Für dein erstes Interview muss ich sagen Hut ab. Hast du sehr gut gemeistert.
Matzo: Das finde ich auch. Vielen Dank, hat Spaß gemacht.
AFL: Dankeschön.
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