Im Februar habe ich spontan eine unbekannte Band mit dem Namen Baits live gesehen. Der Name erinnert an das Punkrockurgestein aus Eschwege, hat damit aber nur wenig zu tun.
Das Quartett aus Österreich hat mich voll umgehauen. Es ist doch das schönste ohne Erwartungen auf eine Show zu gehen und als Fan heim zu fahren.
Sängerin und Gitarristin Sonja hat sich die Zeit genommen und ihre zehn Lieblingsplatten und aufgelistet. Ein bunter Mix, so mag ich es am liebsten!
PS. Bei Soko Wien spielt Sonja auch in der Folge Schlussakkord mit! Zu sehen in der ZDF Mediathek
1Beatles – White Album
Beinahe lame, aber ich bin seit meinem 11. Lebensjahr maximaler Beatlesfan. Songwriting hab ich von John und Paul gelernt, die Legende einer Band basierend auf Charakteren formten sie in meinem Kopf. Das White Album ist eigentlich schon das Manifest der bevorstehenden Trennung – ein Haufen zusammengeworfener Aufnahmen, zwischen Demo und komplett aus produzierten Songs. Was diese Kollektion aber beweist ist die Klarheit der persönlichen Handschrift jedes einzelnen Mitspielers der Band; dass es eben doch alle vier waren, die diese Band ausmachten und keiner ersetzbar. Favorite Track ist Dear Prudence – das Zusammenspiel der einzelnen Instrumente und die verspieltheit des Liedes machen mich immer wieder glücklich.
2Wavves – King of the Beach
Die abgefuckteste Produktion, die eingängisten Melodien, ein Vibe, der an frühe 2000er Tony Hawk ProSkater Zeiten erinnert, in denen uns noch alles möglich schien. Sich mit 15 in der Sonne betrinken und mit seinen FreundInnen Spaß haben, keine fuckin Verantwortung all the time. Das ist die Platte dafür. Es funktioniert nach so vielen Jahren immer noch. Favorite Track: Idiot, weil wir alle viel mehr dazu stehen sollten, dass wir bloß IdiotInnen sind!
3Nirvana – In Utero
Natürlich liebe ich alle Platten von Nirvana. Aber was ich an In Utero besonders schätze ist seine Rohheit, seine Direktheit, beinahe Grobheit. Es fehlt der Nevermind Gloss, obwohl die Songs immer noch äußerst eingängig sind, sind sie auch viel aggressiver von Sound, wie von der lyrischen Message. Eigentlich extrem ungefiltert in die Fresse geballert. Kurt hatte die Schnauze voll, nahm sich die Maske ab und channelte alles an Wut und Verachtung (nach Jahren im nervenzerreibenden Musikbusiness gepaart mit maximalen körperlichen Beschwerden) da rein. Als ich das zum ersten Mal auf MTV sah, wusste ich was ich tun müsste. Auf der Bühne stehen und mir die Wut aus dem Leibe spielen. Danke hierfür. Favorite Track: ich schwanke zwischen Francis Farmer, Serve the Servants und weil’s so schön ist Pennyroyal Tea.
4Together Pangea – Badillac
Diese doch bei uns unbekanntere Band aus Los Angeles hat ein sehr gutes Album veröffentlicht und es verbindet für mich Nirvana mit Wavves, kalifornischen Sonnenschein mit Depressionen und multiple substance abuse. Pangea verpacken Selbstzerstörung in Fender Gitarrensound und präsentieren den Höhepunkt des 2010er Garagerevivals mit der notwendigen Portion an Hall und UFFTA. Gleichzeitig sind sie sehr gut im Arrangieren ihrer Songs, den auch wenn die Melodien teilweise einfach gestrickt sind, die Gitarrensolos, Bassarbeit und Drums dahinter sind sehr intensiv. Favorite Track: River „I’m looking at the river, cause the river can run“, boah wie oft wäre ich gern vor allem davon gelaufen und konnte nicht….wie sehr eine Saite einfahren kann.
5The Replacements – TIM (Let it Bleed edition – Remix von Ed Stasium)
Die Replacements sind eine dieser Bands, die eigentlich massiv erfolgreich hätten sein können, aber an sich als Band gescheitert sind. Sowie an mehrheitlich schrecklicher Produktion, danke 80er Jahre. Ich liebe alle ihre Alben, aber TIM ist meiner Meinung nach ihr Höhepunkt. Leider ist der Original Mix einfach viel zu flach und zu wenig differenziert, was Ed Stasium auch ein Dorn im Ohr war, weshalb er es 2022 endlich neu mischte und WTF wie geil! Mega eingängige Popsongs in struppigem Punkoutfit, mit einer der geilsten Stimmen überhaupt (Paul Westerburg!!) und unglaublichen Gitarrenparts, Stimmungen und versteckten Gags, wie eine riesige Hupe, machen diese zu einer der besten was die 80er an Punk/Rock/Pop hervorgebracht haben. PUNKT! Favorite Track: Kiss me On the Bus, Bastards of Young, Hold my Live, Left of the Dial…
6Queens of the Stone Age – Songs for the Deaf
Eh klar. Mein älterer Bruder war schon zu Kyuss Zeiten großer Fan und als ich dann hörte, dass Dave Grohl an den Drums sitzt, hab ich mir diese vermeintlich sehr prollige Band reingezogen und siehe da, was für fuckin Melodien und wie gut singt der Typ bitte. Die Produktion ist auch eine Frechheit, mittenlastiger kann man kein Album produzieren. Die Drums fetzen durch wie die eine Taste am Keyboard (shout-out an die Stooges), tausende Oh Ohs in allen Lagen und knackigste Gitarrenlicks und massive Riffs, die einem das Genick abreißen. alles wrichtig gemacht, und selbst nach Jahren, kann ich noch alle Lyrics auswendig. Favorite Track: No One Knows, Go with the Flow, Do it Again…
7The Breeders – Last Splash
Wenn mich jemand fragt, wer meine Lieblings 90er Band mit weiblicher Beteiligung ist, gibt es eine klare Antwort: The Breeders, weil Kim Deal einfach die Coolste ist. Last Splash fasst die 90er inhaltlich zusammen, gleichzeitig ist das Songwriting recht weird und progressiv, der Sound ziemlich fett und Kim’s Stimme und ihr Humor so präsent, dass man gleich einen Girl Crush haben muss. Live haben die Deal Sisters auch abgeliefert (ich durfte sie an einem Primavera Sound erleben) und viele dumme Witze über ihre Mutter gemacht. Sie hatten und haben einfach Spass und das übersetzt sich sehr gut auf dieser Platte. Favorite Track: No Aloha, Cannonball
8Immortal – At the Heart of Winter
Wer mich kennt, weiss das ich ein großes Herz für Black Metal habe (wahrscheinlich weil BM ohne Zerre Surf Rock ist). BM war das erste Genre, das mich nach dem Tod von Kurt Cobain in irgendeiner Form was Neues hat spüren lassen. Verantwortlich war mein damaliger französicher Brieffreund, der mir diese Platte auf Kassette geschickt hat. Und ich war sofort angetan von den Drums, dem Drive, den genialen emo-melodischen Gitarrenparts, und dass man die Kälte, die ewige schwarze Weite dieser Fantasiewelt durch die Songs spürt. Und Sänger Abbath ist eine Legende. Vor kurzem sah ich ihn vor recht kleinem Publikum als Immortal performen und die Songs dieses Albums haben alle Fans in laut kundgetane Extase versetzt. Favorite Track: Withstand the Fall of Time, Where Dark& Light Don’t Differ
9Weezer – Blue Album
Ja eh, I know. Aber als mein älterer Bruder mir damals „Buddy Holly“ vorspielte, hat mein junges Ich gewusst, „Hey, da stecken Beach Boys und Grunge unter einer Decke, leiwand!“. Ist es auch bis heute. Das teils minimalistische Arrangement, perfekte gesetzte Feedbacks, harmonious af Vocals, und oida wie geil sind die Bridges/C Teile und Solos. Unübertroffen. Favorite Track: Say it Ain’t So, In the Garage, eigentl alle.
10Jacques Dutronc – Jacques Dutronc
Das beste nonchalante absurd-lyrische Album der französischen 60s. Genialer flow, den die Black Lips hart zu kopieren versuchen, aber an den Maximal King Khan herankommt. Textzeilen wie „J’y pense et puis je l’oublie, c’est la vie, c’est la vie“ (ich denke daran und dann vergesse ich es, so ist das Leben) oder „Le monde entier est un cactus, il est impossible de s’asseoir“ (Die ganze Welt ist ein Kaktus, es ist unmöglich sich hinzusetzen) sind geniale Metapher für die Existenz im Kapitalismus ab den wilden Sechzigern, die sich aufgrund ihrer rhythmischen Ungereimtheiten sofort ins Mark schütteln. Reiß den Champagner auf und Feier den Anti-Kapitalismus im Wohnzimmer!
Favorite Track: Le cactus, Et moi et moi et moi, Mini mini mini.