Nachdem zum 30. Geburtstag des Festivals im letzten Jahr ein Tag drangehängt wurde, standen zur 31. Runde wieder drei Tage auf dem Programm. Allerdings waren die Tage rappelvoll mit geilen Bands. Insbesondere der Samstag versprach mit Turnstile, Refused, Knocked Loose und vielen anderen schon im Vorfeld legendär zu werden. Die Vorfreude von Steve, Maik und mir war daher natürlich riesig! Steves sehr guten Festivalbericht findet ihr hier.


Donnerstag

Vorweg: Wie cool ist es bitte, dass das Festival Donnerstag bis Samstag läuft? Finde ich top!
Der Wetterbericht versprach ein trockenes Wochenende mit einem kräftigen Schauer am Donnerstag Vormittag. Um dem zu entgehen fuhren wir diesmal schon um 4:30 Uhr los. Die Idee: Früh ankommen, früh aufbauen, vor dem Regen im trockenen Sitzen. Geile Idee … hat natürlich nicht geklappt!

Irgendwo zwischen Essen und Duisburg hat das Navi circa acht Autobahnwechsel vorgeschlagen. Und so haben wir uns von Stauende zu Stauende durchgerollt und kamen erst mit einer Verzögerung am Ziel an. Egal! Noch kein Wölkchen zu sehen. Also hieß es Bändchen holen und Campingplatz finden. Gesagt, getan. Zelt und Pavillion ausgepackt und dann PLATZREGEN! Alles nass. Klamotten nass, Gepäck nass, Schlafsäcke nass. Geiler Start!

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Die Ernüchterung hielt glücklicherweise nur kurz, denn nachdem sich der Regen gelegt hatte kamen die smarten Kollegen Steve und Maik (die den Regen im Auto abgewartet hatten) dazu und wir konnten unser Lager gemeinsam aufschlagen. Ab dann setzte auch schon die Routine vom letzten Jahr ein. Bisschen was essen, Steves Mexikaner hinterher und dank Maik dieses Jahr auch nen Apfelwein. Da steigt die Stimmung und die Beine werden locker! Und das ist auch gut so, denn am frühen Nachmittag war es dann auch schon so weit und die ersten Bands legten los.

Das Festival startete, wie schon im letzen Jahr, musikalisch direkt mit einer Band auf die ich mich sehr gefreut habe: Split Chain! Schon als wir uns dem Buzzard Zelt näherten, hörten wir den 90er Jahre Stil der Briten heranwabern. Split Chain greifen den Shoegaze Sound der späten 90er auf und mischen ihn mit Nu Metal und einer Prise Hardcore. Gefällt mir sehr gut und hat direkt eine sehr coole Atmosphäre zum Auftakt geschaffen!

Split Chain
Split Chain

Weiter ging es danach mit Fit For An Autopsy im Zelt nebenan. Der Deathcore der Band aus den USA hat jeglichen Anflug von Müdigkeit bei mir weggepustet. Technisch sehr hochwertiger Metal mit Geschwindigkeit und Wumms. Wahnsinn, was auf dem Jera schon im Frühprogramm los ist. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen: Als nächstes wären Anxious dran gewesen. Für mich ein absolutes Highlight des Wochenendes. Die hatten allerdings Probleme bei der Anreise und wurden auf Mitternacht verlegt. Jackpot! Aber dazu später mehr.

Also erstmal einen Jacky-Cola in der Dose klargemacht und dann ab zu Pain of Truth. POT haben mich schon auf dem Outbreak 2023 begeistert und schafften es auch beim Jera. Der „dicke Hose Sound“ der Truppe aus New York funktioniert live einfach wahnsinnig gut. Die Band bringt Energie und Spaß ohne Ende mit. Das Publikum hat es dankend aufgenommen.

Das Jera lässt einem keine Zeit zum Verschnaufen, denn nach dem einen Knaller kommt direkt der nächste: Paleface. Die Eidgenossen haben ein Hammer Set hingelegt und ein beachtliches Publikum angezogen. Fetter Sound, korrekte Dudes, geiler Auftritt! Ich höre typischerweise kaum Deathcore, Paleface werde ich aber definitiv auf dem Schirm behalten.

Im Zelt nebenan folgten dann die sympatischen Ukrainer Jinjer mit ihrem Auftritt. Perfekt um einen Gang rauszunehmen und dem perfekten Gesang von Tatiana zu lauschen. Da sitzt jeder Ton. Die Band begleitet sie gekonnt mit progressiven Parts und viel groove. Richtige Band zur richtigen Zeit.
Danach ging mir allerdings der persönliche Akku leer und ich musste für ein Nickerchen ins Zelt. Allerdings mit Wecker auf 0 Uhr, denn Anxious wollte ich auf gar keinen Fall verpassen. Also wieder raus aus dem Zelt und zurück aufs Gelände. Der Trubel des Tages schon längst verflogen, traf ich mich mit circa 50 anderen vor der kleinsten Bühne des Festivals um den heimlichen Headliner zu sehen. Little Green House von Anxious ist ein unterschätzes Album des modernen Emopunks und ein persönlicher Favorit von mir. Und so spielten Anxious dann auch einen guten Mix von alten und neuen Songs vor einem kleinen aber leidenschaftlichem Publikum. Ich hätte mir den Tagesabschluss nicht schöner Wünschen können.


Freitag

Der Freitag versprach eine Menge geiler Bands und startete bei gutem Wetter und mit bester Laune!

Wie im Vorjahr legten die ersten Acts bereits zur Mittagszeit los. Auch am Freitag wieder mit einer Band auf die ich jede Menge Vorfreude hatte: die Franzosen von Headbussa. Die Pariser spielen sehr dynamischen Hardcore mit Beatdown Akzenten und Savoir-Vivre. Genau das richtige um in den Tag zu starten! Und falls noch irgendwo Müdigkeit zu spüren war, hatte sich das nach dem nächsten Auftritt definitiv erledigt, denn nach Headbussa folgten die amerikanischen Signs of the Swarm im Zelt daneben. Technischer Deathcore mit Groove und ohne viele Gimmicks. Hat mich durchaus angesprochen! Ich kannte zwar die Songs nicht, konnte aber definitiv den Vibe feiern.
Die Songs der nächsten Band kenne ich dagegen sehr gut: Spy waren nun dran und sind eine meiner Lieblingsbands der letzten Jahre. Punkiger Hardcore mit chaotischen Elementen und Caveman-Lebenseinstellung. Spy sprechen einfach die animalischen Instinkte an. Dementsprechend verwandelte sich auch das Publikum in eine Horde Neandertaler. Geile Stimmung, geile Musik – top Nachmittag!

Aber auch am Freitag konnte man sich eigentlich wieder keine Pause leisten. Nach den (relativen) Newcomern von Spy ging es direkt weiter mit den legendären Stray From The Path, die das Jera auf ihrer Abschiedstour beehren. Stray from the Path sind seit Jahrzehnten einer der Vorreiter für fetten Sound, politische Lyrics und Crossover-Experimente. Und so ballerten sich Stray durch die Highlights ihrer Diskographie und konnten eindrucksvoll beweisen, warum sie uns allen in den nächsten Jahren fehlen werden. Sie gaben noch mal alles, heizten gut ein und am Ende blieben die Fans ganz sicher mit einem lachenden und einem weinenden Auge zurück. Ich musste auf jeden Fall kräftig schlucken nachdem die letzten Töne verklungen waren.
Von dort ging es direkt mit der nächsten Band auf Abschiedstour weiter. Slapshot aus Boston standen nun auf der Bühne und brachten zum letzten Mal ihren englischen Punk mit Bostoner Hardcore Attitüde auf die Bühne des Jera. Für mich musikalisch eine der Offenbarungen des Wochenendes! Ich kannte zwar ein paar Songs der Band aber hatte sie nie wirklich bewußt verfolgt. Ich bin Lakers Fan, alles aus Boston kann mir gerne fernbleiben 😀 Ich konnte aber mit dem Sound definitiv was anfangen. Auch die Energie der Band konnte mich mitreißen, in Anbetracht des Alters der Bandmitglieder sicher eine Überraschung. Ein würdiger Abschied!

Nach einer kurzen Stärkung ging es weiter mit den Metalcore-Veteranen von Currents. Currents spielen Metalcore mit progressiven, fast schon Alternative-Metal-angehauchten Strukturen und waren ein perfekter Zwischenstopp um zu lauschen und wieder zu kräften zu kommen.
Doch nun kam es zu einer Gewissensentscheidung: Sex Pistols oder Guilt Trip? Steve war bei den Sex Pistols. Uns zog es zu den Briten von Guilt Trip, da ich die Auftritte der Band und die super energetische Publikumsreaktion jedes Mal beeindruckend finde. Guilt Trip waren schon im letzten Jahr dabei, bekamen dieses Jahr eine größere Bühne und sprengten trotzdem noch jeden Rahmen. Das Zelt war rappelvoll, die Bühne ein Taubenschlag und die Show ansteckend leidenschaftlich. Aus meiner Sicht haben Guilt Trip das Zeug dazu in die Riege der Headliner aufzusteigen. Mit diesem Auftritt haben sie erneut einen Schritt in die richtige Richtung gemacht!

Lagwagon
Lagwagon

Zum Runterkommen gab es danach erst mal eine Tüte belgischer Fritten und den Auftritt von Yellowcard, den wir aus der Ferne von einer Bank aus verfolgten. Yellowcard wissen wie man ein Publikum bedient und konnten die Erwartungen erfüllen. War cool, auch wenn ich per se kein großer Fan bin. Trotzdem hätte man die Zeit bis zum nächsten Act nicht besser überbrücken können. Der Abschluß des Tages kam dann mit Helden meiner Jugend: Lagwagon. Ich habe die Band seit 20 Jahren nicht mehr auf der Bühne gesehen. Lagwagon haben alle Hits gespielt und waren tight wie eh und jeh. Das erkennbar reife Publikum kannte alle Songs auswendig und hat die Band gebührend abgefeiert. Ich hoffe es dauert nicht noch mal 20 Jahre bis ich Lagwagon wiedersehe. Um ca. 1 Uhr endete dann auch schon der zweite Festivaltag mit einem Abstecher in die Silent Disco (sehr cool!) und dann einer großen Mütze Schlaf.


Samstag

Der Samstag war mit Sicherheit der bestbesetzte Festivaltag, den ich je erleben durfte. Grüße ans Booking vom Jera!

Man kann die Dichte an geilen Bands schon erahnen, wenn man sich vor Augen führt, dass es am frühen Nachmittag mit Restraining Order losging. Die Band trägt sonst eigene Clubshows als Headliner und hat seit ihrem Debüt einen Kultstatus erreicht, der sie in die oberste Etage moderner Hardcorebands geschossen hat. Auf dem Jera dürfen sie auf einem aufblasbaren Steckenpferd-Einhorn das Tagesprogramm eröffnen. Mission voll erfüllt: Restraining Order machen Spaß und so legten sie mit viel Energie und einer vollen Bühne dann auch den gelungenen Startschuß für einen Wahnsinnstag hin.

Von dort aus ging es weiter um Freddie Dredd auf der Bühne zu erwischen. Der Kanadier macht Cloudrap mit Trap-Ästhetik und fetten Bässen ala Lil Ugly Mane. Hat mir gut gefallen, der Kopf hat genickt und damit stand ich nicht alleine da. Freddie konnte an dem Nachmittag einige Köpfe zum nicken bringen. Cooler Auftritt und ein bodenständiger Typ. Zum Abschluß seiner Show kündigte Freddie an, dass er nun zu Deafheaven rübergehen würde – und tat das dann auch. Und so hab ich mir die absoluten Legenden Deafheaven direkt neben Freddie Dredd gegönnt. Genau richtig gemacht, denn Deafheaven haben mich absolut umgehauen. Super tight, atmosphärisch dicht, top Sound. Definitiv eins der Highlights des Wochenendes! Ich hätte es nicht gedacht, aber der Black-Metal meets Alt-Rock Soundteppich passt ganz hervorragend zur prallen Nachmittagssonne. Auch hier kann ich nur erwähnen wie absurd das Lineup ist – Deafheaven sind Hochkaräter.

Aber man darf sich nicht beirren lassen: Weiter ging es mit der Funk-Metal-Crossover Band Slope, die ein überraschend großes Publikum anziehen konnten und die Leute gut in Bewegung brachten! Der Sound der Band erinnert mich recht stark an die Chilli Peppers zu Blood Sugar Sex Magic Zeiten, definitiv eine Empfehlung wert. Bei dem geilen Wetter hat der Sound super eingeschlagen und der Band sicherlich einige neue Fans beschert.

Refused
Refused

Der nächste Programmpunkt war vielleicht DAS persönliche Highlight für mich: Refused! Die Schweden haben mich durch meine Jugend begleitet, mit ihrer Musik den Sound des modernen Punk maßgeblich mitbeeinflusst und liegen mir darum auch sehr am Herzen. Nachdem sich die Band schon mal aufgelöst, wiederzusammengefunden und für Cyberpunk neu gegründet hatte und wieder verschwunden war, dachte ich, ich würde sie nicht mehr live erleben. Glücklicherweise hat es nun doch noch geklappt! Die Band selbst konnte mich auch live voll überzeugen! Alle Highlights aus ihrem Katalog wurden gespielt, politisch Position bezogen und eine gute Show hingelegt. Lediglich das vergleichsweise kleine Publikum hat mich etwas gewundert, aber hey – bei so vielen Top-Bands kann das passieren.

Denn auch nach Refused ging es sofort weiter ins nächste Zelt zu Stick To Your Guns und dort warteten schon zahlreiche Fans. Mit Keep Planting Flowers haben STYG einen Anwärter auf das Album des Jahres hingelegt und beim Jera einen Auftritt der dazu passt. Die Stimmung war permanent am Peak und die Band hat ganz groß aufgespielt. Stick To Your Guns sind längst in einer eigenen Liga unterwegs und sind ihrem Status absolut gerecht geworden. Das Publikum hat gekocht, das ganze Zelt hatte Bock und die Refrains der Songs schallten über das ganze Gelände.
Wie bereits erwähnt kann man eigentlich nicht in Worte fassen wie viele geile Acts sich hier die Klinke in die Hand geben. Nachdem sich Stick To Your Guns verabschiedeten ging es daher auch nahtlos weiter, mit einer weiteren brandheißen Band: High Vis.

Die Band steht zwar schon längst dem Britpop näher als dem Hardcore, bringt aber genug Leidenschaft in ihre Oasis-artigen Hymnen um ihr altes Hardcore-Publikum weiter zu begeistern. High Vis spielten viele ältere Songs und dazu die absoluten Highlights der neueren Alben und konnte damit beim Publikum voll punkten. Wie eigentlich bei fast allen Bands des Samstags reichte auch bei High Vis das Buzzard Zelt längst nicht aus um alle Fans unterkommen zu lassen. Das machte aber nichts, denn auch um das Zelt herum war die Stimmung top.

Pommes als Stärkung für zwischendurch
Pommes als Stärkung für zwischendurch

Gut gelaunt und mit knurrendem Magen ging es auf die englische Art weiter: Erst zur Bar und dann zum Pommesstand! Von dort gingen wir zum nächsten Knaller weiter: Knocked Loose. Seit ich die Amerikaner zum letzen Mal live gesehen habe sind einige Jahre vergangen. Es gab ein neues Album, ein neues Bühnendesign und viele, viele neue Fans. Und ich muss sagen, dass sieht schon sehr nice aus! Als Bühnen-Backdrop dient das leuchtende Kreuz vom Cover des aktuellen Albums und beleuchtet als Hauptlichtquelle die Bühne und das Publikum. Zusammen mit dem harten Sound und dem vollen Moshpit hat das auf jeden Fall Laune gemacht! Ich bin kein großer Fan des aktuellen Albums, live hat mich der Sound aber definitiv wieder angesprochen.

Nach Knocked Loose war aber immer noch nicht Schluß! Und es folgte eine erneute Entscheidung: Denzel Curry oder Terror? Wir waren bei Denzel, der lustigerweise in einem Terror T-Shirt auftrat, und Steve und Maik bei Terror. Ich mag Denzel Curry sehr gerne und er hat seine berühmt energetische Show in gewohnter Qualität abgeliefert. Allerdings war das Publikum insgesamt nach dem unglaublichen Programm des Tages einfach nicht mehr standfest und so kam nicht wirklich Stimmung auf. Schade! Denzels Shows sind definitiv empfehlenswert! Ich hatte auch Spaß im Sitzen. Aber meine Beine brauchten definitiv eine Erholung vor dem großen Abschluß des Festivals. Um kurz vor 12 war es dann endlich so weit.

Der Sommer ist heiß, Lava ist noch heißer. Die Oberfläche der Sonne ist am allerheißesten und noch heißer sind nur Turnstile. Die haben Planck-Temperatur. Daher war das größte Zelt des Festivals trotz der späten Stunde voll und die Menge in freudiger Erwartung! Turnstile haben es innerhalb von wenigen Jahren geschafft zur vielleicht bekanntesten Hardcore-Band aller Zeiten aufzusteigen. Und ja, sie sind immer noch eine Hardcore-Band. Turnstile haben ihre Art des Hardcore, die immer schon experimentiell war, in Richtung des New Wave und Shoegaze geöffnet. Die Kerne der meisten Songs sind trotzdem lupenreine Banger. Auf Basis des neuen Sounds schafft die Band ein sehr atmosphärisches Rahmenprogramm für die absoluten Kracher aus ihrer Diskographie. Turnstile spielen kein Konzert, sie veranstalten ein Happening. Alle Hits des neusten Albums und von Glow On wurden abgefeuert, angereichert mit den Hits der frühen Jahre. Das Publikum stand demnach natürlich komplett in Flammen und stürmte beim Abschlußsong Birds die Bühne um die Band auf Händen zu tragen. Turnstile Summer is here! Ein würdiger Abschluß für einen fantastischen Tag!


Sonntag

Wie ich am Anfang schon sagte: Das Festival von Donnerstag bis Samstag anzusetzen ist super genial. Donnerstag und Freitag statt malochen auf dem Festival? Ja bitte! Aber der echte Knaller ist die Freiheit am Sonntag. Keine Bands mehr auf dem Programm, keine LKWs auf der Bahn und kein Zeitdruck. Und so sind wir gut erholt und in schöner Erinnerung an das Top-Wochenende zu Hause angekommen.
Danke Jera!

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– Playlist: Happy Release Day

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