In den letzten acht Jahren vergingen gefühlt keine 24 Monate ohne ein neues Massendefekt-Album. Mit jedem wuchs nicht nur die Soundqualität, sondern auch die Fanbase der vier Düsseldorfer. Am 27. November steht nun das nächste Album Zurück ins Licht in den Startlöchern, mit dem Sebi, Nico, Mike und Alex den nächsten Schritt machen wollen. Höchste Zeit also für ein Interview mit Neuzugang Nico, der nicht nur im Detail den Produktionsprozess des neuen Albums nachzeichnet, sondern auch erklärt, wie demokratisch das Songwriting funktioniert und welche Rollen dabei die Band, aber auch die eigene Plattenfirma MD-Records spielen.

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AFL: Ihr seid gerade mitten in der Promophase für Zurück ins Licht, macht Interviews, dreht Videos und so weiter. Wie hat sich diese Promotion im Vergleich zu früher verändert? Releaseshows sind ja auch nicht möglich…

Nico: Klar will man ein Album, an dem man lange gearbeitet hat, auch irgendwie vermarkten, allen erzählen wie geil das ist und am liebsten die Sachen direkt live spielen – geht natürlich gerade nicht. Wir machen aber ganz viele Interviews über Zoom, nehmen Podcasts auf und sind auch in gutem Kontakt mit vielen Printmedien. Das ist alles cool, aber klar wär es am schönsten, mit Leuten auf das Album anzustoßen und direkt ein paar Lieder zu spielen. Das ist alles recht ungewohnt und ich bin mal gespannt, was das mit uns als Band und dem Album macht.

AFL: In den letzten Jahren habt ihr sehr kontinuierlich neue Alben rausgebracht, die auch immer erfolgreicher wurden. Ihr habt auch in immer größeren Hallen gespielt und eure Fanbase stark vergrößert. Habt ihr was diesen Wachstum angeht gewisse Erwartungen an das neue Album?

Nico: Klar ist das geil, mit einem Album zu charten, einfach weil du weißt, dass du viele Leute erreicht hast. Für ne Band wie Massendefekt ist das aber natürlich nicht alles. Aber natürlich wäre es cool an Pazifik anzuküpfen, das ja, glaube ich, auf Platz 8 gechartet ist. Wir wollen aber auch auf jeden Fall neue Menschen mit unserer Musik erreichen, aber müssen natürlich schauen wie es vor allem nächstes Jahr aussieht und ob es wieder Konzerte gibt. Wenn es soweit ist, werden alle Bands auf die Bühne stürmen und es wird ein krasses Überangebot an Shows geben. Das wird sehr spannend. Da sind die Zuhörer dann gefragt, sich das rauszupicken was sie hören und sehen wollen haha.

„Klar ist das geil, mit einem Album zu charten, einfach weil du weißt, dass du viele Leute erreicht hast. Für ne Band wie Massendefekt ist das aber natürlich nicht alles.“

AFL: Kommen wir zu Zurück ins Licht. Ich finde, dass es im Vergleich zu Pazifik und vor allem zu Echos ne deutliche Schippe härter geworden ist und ihr ziemlich stark nach vorne geht . Wie siehst du das und welche Unterschiede gibt es im Sound und Songwriting zu den letzten Alben?

Nico: Ich bin ja tatsächlich relativ frisch bei Massendefekt und seit 2018 dabei, als Klaus rausgegangen ist, der aber auch immer einen großen Teil zum Songwriting beigetragen hatte. Da er immer sehr stark den Sound von Massendefekt definiert hat, war es spannend zu sehen, wie sich der Produktions- und Songwriting-Prozess dieses Mal ohne ihn gestaltet. Ich habe mich dann an dieser Stelle stark eingebracht, weil das Songwriting bei uns immer ein ziemliches „Teamding“ ist. Im Studio werfen wir dann immer die ganzen Ideen zusammen und basteln daraus die Songs.

Ich versuche mal zu erklären, warum das Album etwas härter klingt: Zu Beginn der Albumproduktion hatten wir einige Songs geschrieben, die sehr poppig waren. Die fanden wir zwar gut, wir wollten aber unsere Punkrock-Attitüde nicht verlieren, weswegen wir im Anschluss unterbewusst immer einen gewissen Rotz mit reingebracht haben. Bei Songs wie „Es war schon immer so“ oder „Totes Land“ z.B. haben wir dann etwa ein krasses Schlagzeug-Tempo reingebracht, was es auf Pazifik so nicht gab. Deshalb freut es mich, dass du das sagst, wir wollten nämlich tatsächlich möglichst hart und möglichst viel Punkrock in der Produktion haben. Seit nem Jahr hören wir das Album jetzt in verschiedensten Versionen durch und da verliert man als Band natürlich irgendwann die Objektivität.

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AFL: Wenn du sagst, dass ihr das Album seit einem Jahr hört, heißt das ja, dass ihr da schon ziemlich lange dran seid. Ich dachte tatsächlich, ihr hättet das Album komplett in euren Outdorp-Sessions aufgenommen. Vermutlich seid ihr dann aber mit einigen Songs dahin gereist, richtig?

Nico: Genau. Wir sind mit einigen Riffs und Layouts nach Outdorp gefahren und haben die dann einzeln entwickelt. Von da sind wir dann mit neun vorproduzierten Songs nach Hause gefahren, wovon es dann aber auch drei bis vier Lieder nicht auf die Platte geschafft haben. „Letzte Worte“ ist aber z.B. komplett in Outdorp entstanden. Im Februar haben wir die Songs dann richtig im Studio aufgenommen und haben dann dort auch noch neue Songs geschrieben, „Schiffbruch“ z.B.

AFL: Ich muss sagen, dass mich vor allem die Produktion echt umgehauen hat und auch nochmal eine große Entwicklung zu den letzten Alben ist. Da sind meiner Meinung nach viele Details drin. Wieviel kommt da von euch und wieviel Input kommt von eurem Produzenten Tim Schulte?

Nico: Wir machen auf jeden Fall im Home-Recording ein paar Sachen und kennen die Basics im Studio – wie man eine Gitarre fett macht, mit Panoramen arbeitet und sowas. Minimale Frequenzkenntnisse bringe ich auch mit. Wenn es jetzt aber darum geht, bei wieviel Kilohertz das Knacken beginnt und wo man dann welchen Equalizer mit reingehen muss, bin ich mit meinem Latein am Ende. Da ist es dann gut, dass uns der Tim Schulte mit unter die Arme greift. Wir haben ihm aber im Vorfeld ein paar Referenzen genannt, bei denen wir den Sound geil fanden und er hat dann versucht, sich danach zu richten. Am Ende hat er uns dann ein paar Mixes und Masters zur Auswahl gegeben und wir haben zusammen entschieden, welches am besten klang.

„Kreativ spuckt uns keiner rein.“

AFL: Welche Referenzen hast du konkret angegeben?

Nico: Also ich habe auf jeden Fall die letzte Hosen-Platte und das letzte Rise Against-Album genannt, weil ich die vom Sound her sehr cool fand.

AFL: Du sagst, dass ihr im Songwriting sehr demokratisch vorgeht. Ich kann mir aber vorstellen, dass es auch manchmal vorkommt, dass irgendwer eine Idee bis aufs Blut verteidigt oder ganz klar gegen etwas ist, was die anderen cool finden. Gibt es solche Situationen und wenn ja, wie geht ihr damit um?

Nico: Klar kam das schonmal vor, dass kontrovers über manche Sachen diskutiert wird und vielleicht auch mal jemand eingeschnappt aus dem Raum rausgeht. Natürlich versuchen wir möglichst demokratisch zu sein, aber wie das in einer Demokratie nunmal ist, werden manche Entscheidungen einfach zu Gunsten des Produkts getroffen. Letztlich darf aber jeder seine Ideen einbringen und wenn jetzt beispielsweise jemand mit einem Text ankommt, den er aus persönlichen Gründen genauso gesungen haben will, versuchen wir das auch umzusetzen.

AFL: Also schreibt jeder Texte und nicht nur Sebi als Sänger?

Nico: Jeder bringt so seine Fragmente mit. Unser Bassist Mike z.B. schreibt aber immer sehr viel und hat seitenweise Texte zu diversen Themen. Das ist sehr schön, da man sich daraus dann einzelne Themen und Passagen rauspicken kann. So ist „Totes Land“ entstanden – da hat er den Text einfach druntergeschrieben und ich hab die Musik dazu gemacht. Da kann auch mal vorkommen, dass man in zehn Minuten einen Song geschrieben hat.

AFL: Ist natürlich auch cool, dass du als „Neuer“ direkt voll im Songwriting integriert bist. Das ist bestimmt nicht bei jeder Band so, die es seit 20 Jahren gibt.

Nico: Das stimmt, ich bin da aber auch einfach so, egal ob das andere jetzt gut finden oder nicht. Da guck ich schon, dass ich meinen Beitrag leiste. Massendefekt bietet als Band aber auch eine super Plattform, weswegen ich mich da nicht lange hab bitten lassen, meine Art von Musik mit reinzubringen.

„wenn einer von und die Buchhaltung machen müsste, würde es den Laden wohl nicht mehr geben.“

AFL: Was ist denn dein musikalischer Background? Und wie kam es überhaupt, dass du bei Massendefekt eingestiegen bist?

Nico: Die Jungs sind auf mich zugekommen, weil wir uns schon sehr lange kennen. Als Massendefekt angefangen haben, habe ich in einer Pop Punk-Band gespielt. Anfang der 2000er gab es dann auch eine Zeit, in der wir uns nur zusammen buchen ließen. Da Düsseldorf aber auch sonst ein Dorf ist, ist man sich auch öfters in der Altstadt über den Weg gelaufen, weswegen man auch direkt wusste, dass das menschlich und musikalisch sehr gut passt. Ich komm zwar vor allem aus Metal und Hard Rock, bringe aber vor allem die klassischen Pop Punk-Bands wie Bad Religion, NoFX oder Rise Against mit zu Massendefekt. Aber auch viel Melodie, einfach weil ich sehr auf melodiöse Sachen stehe.

AFL: Ihr habt ja euer Label MD Records. Wie stark seid ihr als Bandmitglieder da genau involviert und fällt euch auch die „tagtägliche“ Arbeit einer Plattenfirma zu?

Nico: Eigentlich gar keine, weil MD Records über Nico Hamm läuft, der auch beim Concertteam NRW tätig ist. Der macht zusammen mit unserem Manager Flo das Label. Die halten die Fäden zusammen, was ganz gut ist, denn wenn einer von und die Buchhaltung machen müsste, würde es den Laden wohl nicht mehr geben haha.

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AFL: Ihr arbeitet aber auch mit Warner Music zusammen. Ist das ein typischer Vertriebsdeal oder sind die Leute von Warner auch kreativ involviert?

Nico: Nicht wirklich. Wir haben uns zwar im Januar mit Nils von Warner zusammen gesetzt und ihm ein paar Songs vorgespielt. Aber er hat dort nur seine Meinung dazu abgegeben, was vielleicht wann als Single rauskommen könnte und so Zeug. Kreativ spuckt uns keiner rein. Warner hilft uns eher bei der Singlestrategie, weil die einfach wissen, wie der Markt funktioniert und was die Leute am liebsten von Massendefekt hören wollen.

AFL: Ich hab euch letztes Jahr beim Ruhrpott Rodeo gesehen, was ein cooles Konzert war. Direkt am Anfang hatte sich Sebi aber quasi dafür entschuldigt, dass ihr erstmal alle „Festivalspielchen“ durchziehen müsst – Konfetti, Hinsetzen und so Zeug. Inwiefern ist es mittlerweile für eine Band eurer Größe schwierig, auch mal spontan die Setlist oder das Programm in so einem Festivalsommer zu ändern. Ich vermute, dass ihr ja schon mit einer stattlichen Produktion unterwegs seid, die bis zu einem gewissen Maße durchgeplant ist…

Nico: Letztlich bereiten wir uns einfach auf die Festival-Shows vor und egal ob da ein punkrock-lastiges, ein metal-lastiges oder ein eher mainstream-lastiges Publikum steht, freuen sich die Leute einfach immer, wenn sie irgendwie abgeholt werden. Wir wollen die Leute einfach begeistern und auch mal die ein oder andere verrückte Idee mit reinbringen. Das ist unser einziges Konzept.

AFL: Vielen Dank für das Interview!

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– Playlist: Happy Release Day

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