Samiam - Stowaway (2023)
Samiam - Stowaway (2023)

REVIEW VON TOBIAS:

Samiam ist eine dieser Bands, die nie ganz da sind, aber auch nie ganz weg sind. Mittlerweile hat die Bandgeschichte ganze 35 Jahre auf dem Buckel. Nach einer sehr aktiven Phase in den 90ern und Anfang der 00er tauchen Samiam mittlerweile alle paar Jahre wieder aus der Versenkung auf mit einer kurzen Tour oder, viel seltener, einem neuen Album.

Gerade letztes Jahr waren sie auf DER 2000er Emo-Punk-Core Tour mit Boysetsfire, Hot Water Music und Be Well zu sehen. Das letzte Release, Trips, liegt allerdings mittlerweile 12 Jahre zurück. Nun steht das neue Album von Samiam, Stowaway, in den Startlöchern. Die Platte erscheint am 31. März 2023 und dieses Mal auf Pure Noise Records: 12 Songs in 35 Minuten.

Samiam (Photo Credit: Austin Rhodes)
Samiam (Photo Credit: Austin Rhodes)

Erstmal: Samiam bleiben Samiam und es gibt keinen grundsätzlichen Stilwechsel weg von dem melancholischen Emopunk, den die Band so geprägt hat. Jason Beebouts Vocals reiben und leiden unverkennbar, die Gitarrenmelodien von Sergie Loobkoff und Sean Kennerly geben wie gehabt den Songs ihre Prägung.

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Aber, was man auch sagen muss, Stowaway ist weit weg von der emotionalen Dringlichkeit, die ein Clumsy, ein You’re Freaking Me Out oder ein Astray so besonders gemacht hat und auf das Regal der Klassiker gehoben hat. Ein CapsizedDon’t Break Me oder Mud Hill, die sofort beim ersten Durchlauf im Ohr bleiben, sucht man auf Stowaway vergebens.

Beliebigkeit ist dann aber auch ein zu hartes Wort, denn Stowaway ist das, was man gemeinhin als Grower bezeichnet. So ging es auch schon mit den Vorabveröffentlichungen Lights Out, Little HustlerCrystallizedMonterey Canyon und Something. Der erste Eindruck eher „ok“, über die Zeit wachsen die Songs aber extrem. Insbesondere Lights Out, Little Hustler entwickelt Ohrwurmqualitäten und verleitet zum mitsingen:

What makes you so hard for me to find
When you’re right by my side
I look for you every day
Always something in the way

Something kommt fast schon überschwänglich fröhlich daher, wenn da nicht der drängende lyrische Wunsch wäre:

I wanna be something I still wanna be
But I need something to believe in

Monterey Canyon entwickelt starke If You Say So Vibes. Ähnliche Aussagen kann man dann auch zudem anderen Songs der Platte treffen, von denen es keinen wirklichen Ausfall gibt. Mancher Song braucht kürzer (Shoulda Stayed oder Shut Down), mancher Titel braucht länger (Highwire) bis er wächst.

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Herausfordernder und langwieriger Aufnahmeprozess

Das Songwriting und der Aufnahmeprozess von Stowaway erwies sich als langwierig und mehr als herausfordernd. Und dies liegt nicht nur daran, dass die Mitglieder der Band mittlerweile nicht mehr zusammen in Oakland, CA leben, sondern im ganzen Land verteilt. Erst Aufnahmen wurden bereits 2020 in Billie Joe Armstrongs Otis Studio in Oakland begonnen. Den weiteren Schritten machte jedoch die beginnende Corona Pandemie erstmal einen Strich durch die Rechnung. In den folgenden Jahren haben die einzelnen Musiker dann die Instrumentalspuren in unterschiedlichen Studios aufgenommen. Insbesondere die Vocals stellten sich jedoch als besondere Herausforderung nach so vielen Jahren heraus und waren mit vielen Unsicherheiten verbunden, die aber überwunden werden konnten.

Und so beginnt das Album dann auch mit einer Überraschung: Die Vocals des Up Tempo Songs Lake Speed kommen mit dermaßen viel Whiskey-getränktem Reibeisen daher, dass man sich schon an Hot Water Music erinnert fühlt. Nach den Zweifeln und Rückschlägen gelang es Jason Beebout, den ersten Song des Albums in einem Take einzusingen; quasi als Mittelfinger in Richtung all derjenige, die meinen „maybe people over 50 in bands should admit that they’re probably too old to be in this business“.

Thematisch zehrt Stowaway von der Erfahrung und der Reflexion, die so viele Jahren Leben mit sich bringen. Erfolg und Misserfolg, Versagen und Lernen liegen immer dicht beieinander und werden von Jason Beebout in seinen Texten verarbeitet. Sean Kennerly fast damit dann auch sehr passend das Album und Samiam insgesamt zusammen:

There’s some relief or release that lets you find happiness inside of the sadness. I think that’s actually more generally what Samiam is about or why some people are drawn to our music.

 


REVIEW VON NITA:

Samiam Fans bringen wohl immer einen gewissen Faible zur Melancholie mit, die dann aber letztendlich doch noch positive Gefühle auslöst. Von Samiam hatte ich vor sehr, sehr langer Zeit eine kopierte, überspielte Musikkassette in die Hand gedrückt bekommen. Der Sound gefiel mir sehr gut und die Musik hat mich damals sehr oft auf Autofahrten begleitet. Über die Jahre habe ich diese Band irgendwie aus den Augen verloren, auch wenn ich Songs wie Sunshine und Full On immer gerne gehört habe.

Im letzten Herbst auf der bereits oben genannten Tour mit Boysetsfire, Hot Water Music und Be Well habe ich sie dann an zwei Abenden hintereinander sehen können – jede Menge Nostalgie und Glücksgefühle mit am Start. Da war Samiam wieder in meinem Leben angekommen.

Und nun erscheint nach 12 Jahren ihr neues Album Stowaway. Dieses knüpft dort an, wo Samiam aufgehört hatten. Mit ebenso viel Energie, Melodie und Pathos wie auf ihren früheren Alben. Doppelte Gitarrenpower von Sean Kennerly und Sergie Loobkoff, starke Rhytmusgruppe um Colin Brooks und Chad Darby und natürlich Jason Beebouts markante Stimme, die sich von einem hymnischen Refrain zum nächsten erhebt.

Samiam (Photo Credit: Joshua Maranhas)
Samiam (Photo Credit: Joshua Maranhas)

So startet das Album mit dem schnellen und energiegeladenen Opener Lake Speed und zeigt deutlich dass der Sound dieser Band nach wie vor kraftvoll und melodiös ist. Das folgende sehr eingängige Crystallized ist einer dieser Samiam typischen traurigen und doch hoffnungsvollen Songs und handelt über wehmütige Erinnerungen. Lights Out, Little Hustler war im Herbst 2022 das erste Lebenszeichen der Band nach all den Jahren und ist ein starker Song mit mitreißendem Refrain.

Es folgen Stücke mit knackigen Hooks und leichtfüßigen Melodien wie Shoulda Stayed oder Stanley – und immer mit catchy Singalong Momenten. Besonders gut gefällt mir auch der Skatepunk Charakter vom treibenden Shut Down. Und das verzweifelt und hoffende „Can’t wait for something good to happen“ aus Scout Knife hat sich bereits als hartnäckiger Ohrwurm bei mir eingenistet. Und wie traumhaft schön ist bitte das extrem hymnische Monterey CanyonNatural Disasters ist ein total einfacher und reduzierter Song, der dennoch oder gerade deshalb eine enorm starke Wirkung hat und für mich etwas wie das versteckte Highlight der Platte ist.

So stark wie der Einstieg ins Album ist, so kraftvoll endet es auch wieder wie bei Something mit dem eindringlichen Refrain „I need something to believe in“. Mit der leidenschaftlichen Melancholie von Stowaway, einem rundum schönen Song zum Träumen, schließen Samiam ihr neues Werk ab. Samiam, schön dass Ihr wieder da seid!


Tracklist

  1. Lake Speed
  2. Crystallized
  3. Lights Out, Little Hustler
  4. Shoulda Stayed
  5. Shut Down
  6. Scout Knife
  7. Monterey Canyon
  8. Natural Disasters
  9. Stanley
  10. Highwire
  11. Something
  12. Stowaway
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– Playlist: Happy Release Day

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