Nachdem wir Understand Sänger Dom bereits seine 10 Records Worth To Die For entlocken konnten, haben wir ihm noch ein paar weitere Fragen stellen müssen. Zu groß war die Neugierde, wo die Band denn so viele Jahre nach ihrer Trennung die Aufnahmen hergezaubert haben und wie es seinerzeit überhaupt zu der Trennung kam, denn das ging zumindest an mir vorbei.
Natürlich bedeutete die Verbindung zur Hardcore-Szene in Großbritannien auch, dass uns Leute den Ausverkauf vorwerfen würden. Einige haben sich danach auch klar von der Band distanziert, was sehr schade war, dennoch hat es uns nie davon abgehalten, die Gelegenheit zu nutzen, der Band 100% geben zu können.
Bevor wir hier zu eurem neuen Album kommen, muss ich noch einmal eine Frage zu eurer Debüt-EP loswerden, die ihr 1994 veröffentlicht habt. Diese wurde ja von keinem Geringeren als Don Fury produziert, welcher sich ja z.B. auch für solche Klassiker wie Gorilla Biscuits Start Today, SOIAs Scratch the Surface und AFs Victim in Pain verantwortlich zeigt . Wie seid ihr damals an einen solchen Produzenten gekommen und warum habt ihr nicht weiter mit ihm gearbeitet?
Wir wollten einfach etwas mit Don Fury machen, weil wir all diese klassischen Don Fury-Platten von New Yorker Bands gehört hatten. So war es wirklich nur eine Frage des Labels und des Managements, ihn zu kontaktieren und eine Session zu organisieren.
Wir waren damals sehr jung und naiv. Aber diese Erfahrung mit ihm aufzunehmen, eine Woche in der Lower East Side zu verbringen und mit ihm ins CBGB’s zu gehen war einfach großartig. Was den eigentlichen Aufnahmeprozess und die Ergebnisse allerdings anging, die wir dabei erzielten, war es leider nichts was wir wiederholen wollten.
Ihr habt euch 1999 aufgelöst und veröffentlicht nun Real Food At Last – euer zweites Album, ganze 25 Jahre nach eurer Auflösung. Wie kam es dazu und welche Rolle hat der Tod eures Gitarristen John Hannon dabei gespielt?
Während der ganzen Auszeit von COVID haben wir einfach alle wieder angefangen, in einem Whatsapp-Gruppenchat zu quatschen. Dabei haben wir natürlich auch über alte Zeiten und die Band geredet. Das eigentliche Thema, die Songs neu abzumischen, war da aber schon ein paar Jahre alt. Die COVID-Langeweile hat das Ganze dann aber nochmal so richtig ins Rollen gebracht.
John verstarb dann plötzlich, als wir schon ein paar Monate im Prozess waren. Das hat uns nochmal zusätzlichen Antrieb gegeben. Wir wollten das Album qualitativ so veröffentlichen, dass wir zum einen alle stolz darauf sein konnten und zum anderen wollten wir damit natürlich auch John unseren Tribut zollen.
Euer erstes Album Burning Bushes And Burning Bridges erschien bei East West Recordings, welche zur Warner-Gruppe gehören. Ihr seit also direkt bei einem Major eingestiegen. Habt ihr damals lange überlegen müssen, ob ihr das Angebot von East West annehmt und wie waren die Reaktionen auf den Deal innerhalb der Szene? Denn ihr hattet euch mit eurer selbstbetitelten Debüt-EP ja bereits eine ordentliche Fan-Basis aufgebaut.
Nun, wir wussten damals einfach, dass wir der Band unsere volle Aufmerksamkeit schenken wollten und das hieß im Umkehrschluss, dass wir davon leben mussten. Der Deal mit East/West war der einzige, der es uns finanziell ermöglichte, unsere jeweiligen Jobs aufzugeben, einen permanenten Proberaum einzurichten und die Band in Vollzeit zu betreiben.
Natürlich bedeutete die Verbindung zur Hardcore-Szene in Großbritannien auch, dass uns Leute den Ausverkauf vorwerfen würden. Einige haben sich danach auch klar von der Band distanziert, was sehr schade war, dennoch hat es uns nie davon abgehalten, die Gelegenheit zu nutzen, der Band 100% geben zu können.
Bei uns wusste das Label einfach nicht so recht, was es mit uns anfangen und wie sie uns vermarkten sollten.
Es gab bestimmt auch viele Neider, denn einen solchen Deal mehr oder weniger direkt zu Beginn der Bandgeschichte angeboten zu bekommen , ist ja schon was besonderes. Am Ende hat es dann ja aber doch nicht gereicht und der kommerzielle Erfolg blieb aus. Was denkst du, waren die Gründe dafür?
Na ja, für uns hat es sich nicht so angefühlt, als ob es „direkt zu Beginn“ war, als wir den Deal angeboten bekommen haben. Wir waren eine Band, die bereits viele Shows gespielt und wirklich hart gearbeitet hatte, bevor der Deal zustande kam.
Aber ja, natürlich kam der kommerzielle Erfolg nicht einfach so, und das war bei wahrscheinlich 90% der alternativen Bands der Fall, die damals einen Major-Label-Vertrag unterschrieben haben. Bei uns wusste das Label einfach nicht so recht, was es mit uns anfangen und wie sie uns vermarkten sollten. Zusätzlich war das damals eine Zeit, in der die A&R-Leute fast jede anständige Band unter Vertrag nahmen und dann einfach abwarteten bei welcher es klappt und bei welcher eben nicht.
Wir waren bei einem Label, welches Simply Red und Tori Amos unter Vertrag hatte und dann kamen auf einmal wir. Sie wussten einfach nicht, was sie mit uns anfangen sollten. Zusätzlich haben sie auch kaum Kopien von der Platte gemacht, so dass die Leute sie einfach nicht kaufen konnten, selbst wenn sie es wollten. Das war definitv auch noch ein Grund.
Ich schätze, eine gute Sache, die dabei herauskam, war, dass das Budget plötzlich für einige dieser Bands da war, um einige unglaublich klingende Platten zu machen und durch die Welt zu touren, damit mehr Leute sie sehen konnten, als sie es sonst vielleicht getan hätten?
Wie siehst du denn rückblickend den damaligen Musikmarkt? Es war ja schon irgendwie verrückt, weil alle Plattenfirmen auf der Suche nach den nächsten Green Day oder Nirvana zu sein schienen.
Ja, wie ich gerade schon gesagt haben, haben sie sich eigentlich jede Band geschnappt, die es gab. Shudder To Think, Samiam, Seaweed, Sick Of It All, Clutch, Jawbox, was auch immer – wenn du eine gut klingende Alternative-Band warst, wollten dich die Labels unter Vertrag nehmen. Bei fast allen hat es dann aber nicht so funktioniert, wie sie es sich erhofft hatten. Helmet waren die einzigen, die wirklich in nennenswertem Umfang Platten verkauften, abgesehen von den Pop-Punk-Bands wie Blink182, aber das war eine etwas andere Sache.
Ich schätze, eine gute Sache, die dabei herauskam, war, dass das Budget plötzlich für einige dieser Bands da war, um einige unglaublich klingende Platten zu machen und durch die Welt zu touren, damit mehr Leute sie sehen konnten, als sie es sonst vielleicht getan hätten?
Nach dem Album habt ihr euch dann aber auch schon bald getrennt. Was waren denn seinerzeit die Gründe für eure Trennung im Jahr 1999?
Die Dinge gingen einfach auseinander, als wir alle neue Karrieren beginnen mussten, um die Miete zahlen zu können. Ich, Stu und Rob fingen alle an, für andere Bands in verschiedenen Funktionen zu arbeiten. Das füllte die Lücke bei uns, aber bedeutete auch, dass unsere Zeitpläne so gestaltet waren, dass die Arbeit mit der Band einfach nicht mehr machbar war. John eröffnete dann sein Studio und bewegte sich mit seinen Projekten langsam in Richtung Noise & Avantgarde.
…aber das Leben kam uns in die Quere. Und bevor wir uns versahen, musste jeder seinen eigenen Weg gehen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. So löste sich das Ganze einfach in Luft auf.
Die Songs von Real Food At Last waren aber doch zu diesem Zeitpunkt bereits fertig. Warum habt ihr es nicht direkt mit einem weiteren Album versucht, um von der Musik leben zu können?
Diese Aufnahmen waren im Grunde Demos für einen neuen Plattenvertrag, der von verschiedenen anderen Labels versprochen und diskutiert wurde, aber nie zustande kam. Als sich dieses herauskristallisiert sprachen wir auch nochmal über eine Selbstveröffentlichung und verschiedene andere Dinge, aber das Leben kam uns in die Quere. Und bevor wir uns versahen, musste jeder seinen eigenen Weg gehen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. So löste sich das Ganze einfach in Luft auf.
Hören wir auf Real Food At Last denn tatsächlich die Originalaufnahmen von damals oder habt ihr die Songs noch einmal ordentlich digital bearbeitet?
Das sind die Originalaufnahmen und man hört sehr gut, was dabei raus kommt, wenn Mix und Mastering auf sehr teurem Equipment von einem sehr talentierten und großzügigen Paar von Individuen durchgeführt wird!
Wie ging es für dich nach Understand weiter? Ihr habt eure Instrumente ja anschließend bestimmt nicht an den Nagel gehängt, oder?
Ich habe tatsächlich nie wieder irgendwelche anderen musikalischen Projekte gehabt. Aber ich arbeitete als Tourmanager für verschiedene Bands in Großbritannien wie zum Beispiel Cable, A und Hundred Reasons. Nach der Trennung begann ich 2001 mit Incubus und 2003 mit Muse zu arbeiten – seitdem bin ich Tourmanager von Muse und arbeite auch über 20 Jahre später noch mit ihnen und Incubus. Ich bin also dennoch in der Musikszene aktiv, aber eben nicht mehr künstlerisch.
Du kommst aus der Hafenstadt Southend. Wie kann ich mir die Hardcore-Szene dort in den 90er Jahren vorstellen? Gab es eine, oder sind die meisten Bands nach London gezogen?
Es gab dort damals eine ziemlich gesunde Szene. Wir veranstalteten viele lokale Shows für Bands aus Southend und für andere Bands, die wir in anderen kleinen regionalen Szenen wie Tunbridge Wells, Brighton, Durham und natürlich London kennen gelernt hatten und mit denen wir befreundet waren. Aus Southend waren Above All, Cynical Smile, Vitro, etc. zu dieser Zeit sehr aktiv. Aber ja, da wir so nah an London waren, haben wir zwangsläufig die meisten Shows in London gespielt, obwohl wir nie dorthin umgezogen sind.