Soviel vorweg: Ich hatte drei Gründe, mich aufs neue Bad Religion-Album zu freuen. Erstens war es von vornherein offensichtlich, dass es neben The Empire Strikes First, dem – Achtung kontroverse These – vielleicht besten Bad Religion-Album, wahrscheinlich das explizit politischste und wütendste Werk der Band werden könnte. Zweitens haben die bereits ausgekoppelten Songs ordentlich geknallt und drittens war der Vorgänger True North mehr als nur ein Standard-Skatepunk-Album, sondern eine absolute Machtdemonstration mit Hits im Überfluss.

Dass The Age Of Unreason politisch deutlich direkter als viele andere Platten der Band ausfällt, muss man eigentlich nicht erklären. Ähnlich wie 2004 befinden sich die USA in einer Situation, die jeglichen Überzeugungen und Ideen von Greg Graffin, Brett Gurewitz und Co. so stark widerspricht, dass es (leider) wieder allerhöchste Zeit wird, die Menschen mit wissenschaftlichen Fakten und philosophischem Scharfsinn zum Nachdenken und Gegensteuern zu bringen.
Umso erstaunlicher ist, dass The Age Of Unreason dies textlich zwar in einigen Teilen genauso widerspiegelt, musikalisch aber öfters „Experimente“ eingeht und insgesamt eher nachdenklich als agitatorisch wirkt.

Credits: Bad Religion

Die ersten drei Songs sind dafür das perfekte Beispiel. Chaos From Within ist schnell, wütend, voller Hass und genau das, was man von Bad Religion in der aktuellen Situation ihres Heimatlandes erwartet: „Threat is urgent, existential / With patience wearing thin / But the danger’s elemental / It’s chaos from within.“ Die Probleme der USA kommen nicht durch illegale Einwanderer und lassen sich nicht durch Mauern lösen. Das Chaos kommt von innen. Dass damit ihr Präsident gemeint ist, bedarf wohl keiner Erklärung. Bei My Sanity reicht eigentlich schon eine Zeile, um diesen wunderschönen Song zusammenzufassen: „sometimes there’s no sane reason for optimism.“ Ganz klar einer der besten Songs des Albums. Do The Paranoid Style räumt dann recht direkt mit Verschwörungstheorien auf, ist musikalisch aber mit seinem eckigen Drumbeat und ungewohnter Songstruktur eines der Lieder, die am meisten herausstechen.

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Apropos herausstechen: Lose Your Head und Candidate kommen mit langsamerem Beat leider etwas schwerfällig daher, während das altbewehrte Bad Religion-Rezept mit knüppelschnellen Drums, hohen Gitarrenmelodien und Oozin-Aahs im Hintergrund auch nach so vielen Jahren immer noch am besten funktioniert. Der Titeltrack knallt, End Of History stellt die Frage aller Fragen („tell me where do you really want to be? / At the end of history?“) und Old Regime setzt dem ganzen als bester Song des Albums die Krone auf. Hier hört man Bad Religion in Perfektion. Viele Bands haben sich an diesem Rezept orientiert, keine kann es so gut wie Greg Graffin und Co. Im letzten Drittel verliert The Age Of Unreason ein bisschen an Biss, haut am Ende mit What Tomorrow Brings dann aber doch noch einen echten Hit raus.

„I don’t believe in golden ages
 / or presidents that put kids in cages“ – End Of History

Es bleibt ein Album, das einen irgendwie nachdenklich zurücklässt und dafür sorgt, dass man es sofort noch einmal von vorne spielt. Und dann merkt man, dass The Age Of Unreason mit jedem Durchlauf besser wird und den letzten Alben in kaum etwas nachsteht. Klar, True North hatte mehr Hits und The Empire Strikes First war auf musikalischer Ebene ein härterer Schlag ins Gesicht, trotzdem ist das hier genau das richtige Bad Religion-Album zur richtigen Zeit. Jay Bentley sagt in der aktuellen Visions, dass True North guten Gewissens ihr letztes Album hätte sein können. Wenn Brett Gurewitz dem aber noch hinzufügt, dass er niemals Musik für Faschisten machen möchte und schockiert darüber ist, wie konservativ Teile der Punkszene geworden sind, wird klar, dass Bad Religion nicht nur die vielleicht einflussreichste amtierende sondern auch eine der wichtigsten Punkbands überhaupt ist. Um den Song Faith Alone von 1990 ein bisschen umzuzitieren: „What the world needs now…“ is more Bad Religion!

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– Playlist: Happy Release Day
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The Age Of Unreason
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Marcell
Oi! Ich bin Marcell, Jahrgang 1998, aus NRW und seit Ende 2017 bei AWAY FROM LIFE. Reviews, Interviews, Konzertberichte – hier findet ihr ab und zu meine geistigen Ergüsse. Neben AWAY FROM LIFE studiere ich, spiele selbst in einer Punk-Rock-Band und schaue gerne Fernsehen. Abfahrt!
bad-religion-the-age-of-unreason-review-2019Das richtige Bad Religion-Album zur richtigen Zeit - Watchoo!

4 Kommentare

  1. Ja man, das Album geht auf jeden Fall ab. Ich hör mir das seit Freitag rund um die Uhr an. Jeder Song ist Hammer!
    Schöne Grüße aus Remscheid 😉

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