Great Escapes - Okay - (Album-Cover)
Great Escapes - Okay (2021)

Eigentlich war das neue Album der Great Escapes schon Anfang 2020 fertig. Doch ohne die Möglichkeit es live spielen zu können, wollte das Trio aus Münster lieber mit der Veröffentlichung warten. Da die Lage aber weiterhin unverändert bleibt, ist nun Schluss mit dem Geduld haben. Am 19. März 2021 erscheint endlich der zweite Longplayer Okay (Midsummer Records).

Auch wenn die 10 Songs noch vor der Pandemie entstanden, so gibt es in ihnen dennoch einiges zu verarbeiten. Hinter dem auf den ersten Blick lapidar klingenden Albumtitel Okay steckt eine wichtige Message: Es ist okay, zu scheitern, den Verstand zu verlieren, Schwäche zu zeigen oder zuzugeben. Die Platte Okay zu nennen, und damit „die Songs, die vom Schwächeln handeln, eher positiv zu rahmen, war uns viel wichtiger, als nur das Ausgebranntsein zu benennen“, erzählt Sänger Frederik Tebbe. Es ist okay, nicht an ausgefallene Orte zu reisen, es ist okay nicht auf hippe Partys zu gehen, es ist okay, wenn nicht jeder Tag ein großes Abenteuer ist und man einfach nur versucht den Kopf über Wasser zu halten.

Great Escapes (c) Nico Ackermeier

Auf Okay thematisieren Great Escapes unsere Selbstoptimierung, die längst nicht mehr nur ein Thema in der Arbeitswelt ist. Die sozialen Medien und unsere leistungsoptimierte Gesellschaft, die sich dem Perfektionismus verschrieben hat, treiben uns dazu, uns immer mehr in die Spirale aus höher, schneller, schöner, weiter zu begeben.

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Schon im Opener Tyler kommt diese Mischung aus Erschöpfung, Wut und Ratlosigkeit darüber zum Ausdruck:

„I’ve been told to expect only great things every day, now my mouth is dry and I can’t think of one nice thing to say.”

So wie uns die Erwartungen immer wieder bis an unsere Schmerzgrenze treiben, so türmt sich auch Tyler langsam auf. Spätestens mit den Zeilen „I want you to hit me as hard as you can.“ wird deutlich, wer hier mit Tyler gemeint ist. Eine Referenz an Fight Club und den Wunsch wieder etwas zu spüren, was echt ist.

Sänger Frederik Tebbe rankt seine Lyrics auch in den darauf folgenden Songs um Weisheiten der Film- und Musikgeschichte: In Ashes – meinem Favoriten auf Okay – hören wir „We must stop insisting on clearing our heads and clear our fucking hearts instead like the old drunk said.“ Ein Bezug auf das berühmte Bukowski Zitat „Stop clearing your head and clear your fucking mind instead“.

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Aus Kettcars „In Städten mit Häfen haben die Menschen noch Hoffnung.“ wird „If in cities with harbours people have hope, I‘ll build you one and I’ll build you a boat“.

Und so reiht sich ein kraftvoller Emo-Punk Song an den nächsten. Songs wie Spring Fake oder A Daily Death verknüpfen optimistisch klingende Melodien mit zweifelnden Zeilen. Retry treibt uns zunächst in sanft-rockigen Wogen dahin, um uns dann passend zu den Lyrics zum Stolpern zu bringen und uns mit den davon rennenden Gitarren und dem knackig verzerrten Bass überrascht zurücklässt.

Mit Photophobie ist auch ein deutschsprachiger Song dabei, der noch einen Ticken mehr überzeugt, noch authentischer klingt. Die etwas abgehakteren deutschen Worte gehen Hand in Hand mit den straighten Gitarren und dem knackigen Schlagzeug-Beat. Autumns und Atoms ist ein ätherisch-düsterer Post Punk Song, der sich durch seine treibende und chaotische Art vom Rest abhebt.

Mit Okay liefern Great Escapes den perfekten Soundtrack, um vollkommen unperfekt und unaufgeregt auf der Wiese liegend den Wind im Gesicht zu spüren, der tröstend sagt:

„Believe me, it’s okay to lose your mind from time to time.“

Mit diesen Schlüsselworten im letzten Track It’s not okay beendet die eindringliche Stimme von Bassist und Co-Sänger Maik Osterhage das Album.

Stilistisch irgendwo zwischen Samiam, Banner Pilot, Muff Potter und The Hotelier haben Great Escapes ihren Sound auf Okay weiter entwickelt, er wirkt gefestigter und runder. Die Songs sind mal wütend, mal melancholisch, mal beruhigend – aber immer melodisch und mitreißend. Jeder Song überrascht und zeigt eine andere Seite und damit die Bandbreite der Band. Auch wenn Great Escapes hier nicht den Emo Punk neu erfinden, aber das ist auch schier unmöglich, liefern Sie mit Okay eine Platte ab, die mich wirklich packt – inhaltlich und auch musikalisch.

Die raue und warme Stimme von Sänger Frederik, der kompakte Mix aus fast schon zarten Gitarren und punkigen Riffs, hier und da ein paar Breaks und Background Chöre, die aussagen: „Du bist nicht allein!“ – die Songs auf Okay klingen ausgewogen und gut durchdacht, immer auf den Punkt.

Vielleicht auch, weil es vor allem die Menschen um uns herum sind, die uns das Gefühl geben, so wie wir sind okay zu sein, haben sich Great Escapes viel Unterstützung von ihren Freunden geholt. Genau wie die Vorgänger-EP Shivers and Shipwrecks haben Gitarrist und Sänger Frederik Tebbe, Bassist und Co-Sänger Maik Osterhage und Schlagzeuger Maik Pohlmann die zehn neuen Songs mit Bastian Hartmann und Lukas Kroll in den Rad Room Rehearsals in Iserlohn produziert. City Light Thief-Sänger Benjamin Mirtschin bricht den Spoken-Word-Track You Are Welcome mit seiner unverkennbaren Stimme auf. Niclas Steinkamp von Elm Tree Circle ist zufällig immer dann im Studio zu Besuch, wenn ein Backing-Chor aufgenommen werden muss. Das Artwork haben Fotograf Nico Ackermeier und Illustrator Josua Rieber/Homesick Merch übernommen und die Erschöpfung, die das Album überwiegend thematisiert, in Naturfotografien und Portraits eingefangen.

Vielleicht klingt Okay, deshalb so warm, rund und stimmig, weil es ein Werk ist, bei dem so viele Menschen ihre Leidenschaft eingebracht haben und die dem Album Charakter verleihen. Diese Platte ist auf jeden Fall mehr als nur Okay! 😉

Tracklist

  1. Tyler
  2. Ashes
  3. Spring Fake
  4. A Daily Death
  5. Retry
  6. Hope and Harbour
  7. You are welcome
  8. Phobophobie
  9. Autumns and Atoms
  10. Are you Okay?
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– Playlist: Happy Release Day

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