Ich habe mich auf dem Ruhrpott Rodeo mit Deine Cousine nach ihrem Auftritt zu einem Gespräch getroffen. Ich will auch gleich mal ein häufiges Missverständnis aufklären. Nicht die Band ist Deine Cousine, sondern Ina ist Deine Cousine und Deine Cousine hat eine Band als Verstärkung.
Backstage sitze ich nun also mit Deine Cousine in zwei lauschigen Liegestühlen und stelle meine Fragen. Eine durchaus angenehme Atmosphäre und eine Gesprächspartnerin, die super offen und sympathisch rüberkommt, so machen Interviews Spaß.
Worüber Ina und ich geschnackt haben, warum man immer nach den Sternen greifen muss, warum Ina das Feiern in ihre Freizeit verlegt hat und was für Unterschiede es zwischen Ina und Deine Cousine gibt, könnt ihr jetzt hier lesen.
Away From Life: Hallo und nochmal herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Album Freaks?
Ina: Hallo und Dankeschön.
Away From Life: Das Album ist gut angekommen?
Ina: Ja auf jeden Fall
Away From Life: Gab glaube ich auch eine Charts Platzierung oder?
Ina: Ja. Platz 6
Away From Life: Nicht schlecht oder?
Ina: Doch, in meiner Welt kann es immer mehr sein. Man muss ja immer nach den Sternen greifen, um irgendwie die Milchstraße zu kriegen. So ungefähr. (lacht)
Away From Life: Was würdest du sagen sind die größten Unterschiede zu den Vorgängern?
Ina: Also, ich glaube ich habe mich einfach musikalisch mehr rausgewagt. Gerade das erste Album war viel das, was ich kannte, das, was ich an Musik so geliebt habe. Und ich glaube auf Freaks konnte ich viel mehr nach links und rechts gucken. Sachen, die ich mich auf dem ersten Album nicht getraut hätte zu machen, weil ich einfach auch dazugelernt habe. Und dann habe ich einfach ganz andere Musikstile noch mit reingebracht, die ich einfach auch super gerne mag und super gerne höre und habe versucht, das so ein bisschen in diesen Kontext zu setzen.
Ich glaube, noch ein Album so zu machen wie das erste, das hätte mich selber ein bisschen gelangweilt, so auf Dauer. Irgendwie ist es ja auch ein Handwerk, was man immer besser erlernt und es macht dann einfach Spaß, Sachen auszuprobieren. Und der ganz klare Unterschied ist natürlich, es gibt viel mehr Synthesizer auf dem Album.
AFL: Welches ist denn dein persönlicher Lieblingssong auf Freaks?
Ina: Ich glaube Freaks selber. Es gibt aber ganz viele andere Songs, zum Beispiel Allez, allez, der ist live einfach eine absolute Macht und der macht so viel Spaß auf der Bühne. Und der macht genau das, was ich mir im Studio dabei gedacht habe. Und das ist immer das Geile, wenn Du siehst, der Plan geht irgendwie auf, so dass dann wirklich die Menge einfach anfängt rumzuspringen und so. Aber so rein inhaltlich ist es Freaks. Auf jedem Album gab es ein Song, der so meine Geschichte erzählt, in irgendeiner anderen Form.
Auf dem ersten Album war es Runaway Girl, im zweiten Album ist es Träume findet man im Dreck. So diese Geschichte vom kleinen Dorfkind, Arbeiterfamilie, was sich irgendwie raus in die weite Welt traut. Und Freaks erzählt halt diese Geschichte aus der beobachtenden Position. Und das ist irgendwie schön für mich, dass immer diese Perspektive wieder da ist, weil am Ende des Tages ist das das, was meinen Charakter ausmacht. Ich bin halt jemand, der einfach in einem Dorf groß geworden ist, wo niemand war wie man selber.
Und diese Suche nach Personen, die einen da draußen akzeptieren und die einem nicht das Gefühl geben, man ist ein Freak. Oder halt zumindest das Gefühl geben, man ist ein geiler Freak. Dass es was Schönes ist und dass es nicht was Abwertendes ist, sondern was Tolles, anders zu sein und besonders zu sein und sich zu trauen, dies Besonderheit auch zu zeigen. Und das ist gerade durch diese Jahre, die jetzt Deine Cousine irgendwie da draußen ist und eine Karriere aufgebaut hat und immer mehr Leute kommen, das ist ja wie Therapie. Die Leute zeigen mir, ey, es war vollkommen geil, dass Du nicht so bist wie die anderen, weil die Leute finden cool, dass ich bin, wie ich bin. Und das ist wirklich besser als jede Therapie da draußen.
AFL: Schreibst Du deine Texte selbst?
Ina: Ja, lustigerweise werde ich das fast in jedem Interview gefragt. Finde ich lustig, warum Leute das so in Frage stellen. Ich finde schon, dass man das eigentlich merkt, dass die Geschichten und so sehr mit mir verbunden sind. Es sind ja auch viele weibliche Themen, die vorher in der Rockmusik so ein bisschen unterrepräsentiert waren.
AFL: In welche Kategorie würdest du Deine Cousine musikalisch einordnen? Welche Schublade würdest du da öffnen?
Ina: Gute Musik! (lacht)
AFL: In der Review zu Freaks, habe ich mich ja gefragt ob du überhaupt stillsitzen kannst, bei der Energie die du versprühst.
Ina: Ja, ich glaube, dass nehmen die Leute immer so ein bisschen falsch wahr. Ich lasse auf der Bühne so viel von mir da und so viel zurück, dass ich quasi echt diese Auszeiten für mich selber auch brauche. Ich brauche viel Zeit alleine und da kann ich auch ruhig sein. Aber natürlich bin ich jetzt schon jemand, der gerne freidreht und der gerne auf dem Putz haut.
AFL: Gibt es Unterschiede zwischen Deine Cousine und dem Mensch Ina?
Ina: Ja, das wäre auch schlimm, wenn nicht, weil natürlich habe ich meine Geheimnisse wie jeder Mensch, die ich für mich behalte.
Und es ist immer schön, wenn man sie mit Leuten teilt, aber nicht für alles ist immer der richtige Zeitpunkt, sie zu teilen. Und deshalb, glaube ich, wird man immer auf jedem Album aus jeder Lebensphase von mir nochmal was entdecken. Also auf jedem Album gibst du irgendwas preis, was jetzt gerade Teil Deines Lebens ist. Aber auf jedem Album traut man sich auch immer irgendwas anderes, was man sich vorher noch nicht getraut hat preiszugeben. Aber klar, Ina ist, glaube ich, noch viel nachdenklicher als Deine Cousine. Und Ina hat auch mehr Zweifel als Deine Cousine. Deine Cousine ist auch noch mutiger als Ina.
Also ich glaube manchmal, dass es da draußen Menschen gibt, denen bedeutet diese Show, dass sie stattfindet fast mehr als mir. Ich erlebe das ja jedes Wochenende. Und für manche Leute ist das halt einfach das Ding, worauf sie sich seit Wochen, Monaten freuen.
AFL: Wie sieht denn das Tourleben bei Deine Cousine aus? Jeden Tag Party oder wie können wir uns das vorstellen?
Ina: Also leider Gottes ist es wie bei den meisten Acts, die irgendwie größer werden. Die anderen machen Party. Und auch viele aus der Crew und aus der Band machen Party. Aber Sänger, Sängerin sein bedeutet leider ganz, ganz oft, viel schlafen zu müssen, wegen der Stimme und so. Das heißt, ich habe meine Party irgendwann notgedrungen, so nach der zweiten Tournee, ein bisschen auf meine wirklich privaten Wochenenden verlegen müssen. Denn Du hast ja auch eine krasse Verantwortung den Leuten gegenüber.
Ich musste schon mal eine ganze Tour auf Krücken spielen. Da habe ich mir zwar nichts zu Schulden kommen lassen, im Sinne von, dass ich besoffen von irgendeinem Tresen gefallen bin. Aber diese Verantwortung für die Menschen, die da ihr Geld zusammenrappen und sich Hotelzimmer und Züge und Tickets buchen und so, die ist eben da. Für manche ist das auch einfach finanziell nicht mal eben so gemacht. Und deshalb nehme ich mich persönlich raus, auch wenn ich dann manchmal denke, jetzt würde ich gerne noch frei drehen oder so. Dieser Verantwortung, der bin ich mir schon bewusst.
Also ich glaube manchmal, dass es da draußen Menschen gibt, denen bedeutet diese Show, dass sie stattfindet fast mehr als mir. Ich erlebe das ja jedes Wochenende. Und für manche Leute ist das halt einfach das Ding, worauf sie sich seit Wochen, Monaten freuen.
AFL: Finde ich eine sehr geile Einstellung. Wir sind ja jetzt auf dem Ruhrpott Rodeo, schaust du dir heute noch ein paar Bands an?
Ina: Auf jeden Fall, klar. Ich freue mich total auf Antilopen Gang und Sex Pistols natürlich auch. Und generell finde ich, das ist bei Festivals das Allertollste, dass du andere Bands gucken kannst.
AFL: Bist du eigentlich noch nervös vor einem Auftritt?
Ina: Sehr. Ich bin immer sehr nervös. Mal mehr, mal weniger. Aber heute war ich zum Beispiel auch wieder super nervös. Und das hört auch hoffentlich nie auf. Denn am Ende des Tages ist es ja nur ein Zeichen dafür, dass es einem wichtig ist.
AFL: Hast du spezielle Rituale bevor du auf die Bühne gehst?
Ina: Also, wir gemeinsam haben so Rituale. Die haben sich über die Zeit noch verändert. Früher war es rumsaufen. Heutzutage ist es eher, weil alles so aufgepeitscht ist und weil die Show auch so aufgepeitscht ist, eher das Gegenteil. Wir kommen ganz kurz vorher zusammen und wir machen kurz ruhig und nehmen uns in den Arm, sodass alle sich gegenseitig spüren und wir kurz runterkommen. Weil gerade dieser Change Over-Teil bei Festivals ist teilweise so hektisch, bis du dann wirklich weißt, dass alles läuft. Weil es teilweise nur diese halbstündigen, kurzen Übergangsphasen sind. Zum Beispiel auch heute hatten wir kurz einen technischen Abfuck, wo man dann so zehn Minuten vor der Show so aufgepeitscht ist, dass es ganz gut ist, wenn man sich kurz nochmal so erdet.
Das klingt so esoterisch, so ist es aber gar nicht. Aber wir atmen dann wirklich einfach drei, vier Atemzüge zusammen, um uns als Einheit zu spüren. Und alle kurz mal das Nervensystem ein bisschen runterpeitschen und dann kann man wieder hochfahren.
AFL: Beschreib Deine Cousine in drei Worten.
Ina: Hui, das ist schwer. Meine Fans würden es anders beschreiben als ich. Ich würde sagen… Wild. Feministisch wahrscheinlich am Ende des Tages. Ich glaube, dass Menschen mich so wahrnehmen auf jeden Fall. Feministisch. Ja, spaßig einfach. Eine gute Type! Meine Cousine ist eine gute Type!
AFL: Was läuft bei Dir gerade an Musik?
Ina: Unterschiedlich. Also ich höre gerade super gerne Raye. Die hat auch gerade einen Grammy bekommen. Ich höre super viel so junges amerikanisches Mädchen-Kram-Zeugs. (lacht) Ja, so Lola Young, sowas mag ag ich gerne. Dann mag ich auch sowas wie Wet Leg. Ich bin generell ein Mensch, ich höre Sachen immer eine Zeit lang, und dann höre ich es auch wieder nicht mehr. Ich bin jetzt nicht so ein Mensch, der die Acts hört, die man mit 16 immer so gepumpt hat. Das ist dann irgendwann vorbei. Das gucke ich mir gerne nochmal live an, aber ich muss immer was Neues entdecken. Und jetzt gerade höre ich einfach gerade gerne weibliche Stimmen, die viel singen. Die viel mit ihren Stimmen machen, was ich spannend finde. Wo viel große Chöre sind. Also vielleicht gibt es demnächst viel Chöre auf deine Cousine Alben.
AFL: Das bringt mich auch direkt auf meine nächste Frage. Arbeitest du schon an neuen Songs?
Ina: Es geht gerade so ein bisschen los. Noch nicht so richtig. Bevor ich an Songs arbeite, arbeite ich erstmal so an meinen Themen. Ich arbeite erstmal so ein bisschen an dem, was mich gerade beschäftigt. Das heißt, es ist erstmal viel Lesen, viel Aufschreiben, was mich gerade so umtreibt und wo so die Welt gerade steht. Und viel Tagebuch schreiben. Daraus entstehen dann irgendwann Textideen. Und wenn die Textideen da sind, dann geht es an die Musik.
AFL: Liegt dieses Jahr noch irgendwas Besonderes an? Hast du noch was auf dem Zettel? Außer Familientreffen?
Ina: Ja, ich wollte gerade sagen, auf jeden Fall die Familienfeier Ende des Jahres, denn das ist für uns schon eine Riesen Nummer. Das ist das erste Mal eine Arena-Show, eine eigene, die wir spielen. Das ist schon was anderes, als in den Club gehen. Allein organisatorisch und aufregungstechnisch ist es anders, da kommen irgendwie 4000 Leute Ende des Jahres, wenn es gut läuft. Das ist schon mal eine andere Nummer. Und Wacken spielen wir auch dieses Jahr einen super coolen Slot, der noch mal so ein bisschen Besonderes ist, weil es abends ist. Wir haben in Wacken noch nie im Dunkeln gespielt. Jetzt spielen wir mal im Dunkeln und das auf der Louder Stage (Anmerkung des Verfassers, das ist die dritt größte Bühne auf dem Wacken Open Air)
AFL: Welche Frage würdest du gerne mal bei einem Interview gestellt bekommen?
Ina: Boah. (Lange Pause) Wüsste ich nicht. Ich komme mal von der anderen Seite. Mir werden immer so viele Fragen gestellt, die ich nicht mehr gestellt bekommen möchte. Ich möchte nicht mehr die Frage gestellt bekommen, wie es als Frau in der Musikbranche ist und wie ich dazu stehe, ob Festivalveranstalter jetzt Frauen buchen oder nicht. Da denke ich einfach so, fragt das doch die Männer, dann kann ich weiter über meine Kunst reden. Aber da denke ich mal drüber nach, welche Frage ich gestellt bekommen möchte im Interview. Finde ich eine spannende Frage. Habe mir noch nie Gedanken dazu gemacht. Muss ich wirklich mal drüber nachdenken.
AFL: Magst du Fußball? Und wenn ja, von einem Wahlhamburger zum anderen zu wem hältst du? St. Pauli oder dem anderen Verein?
Ina: Ich mag Fußball aus dem gleichen Grund warum ich Musik mag, weil es Leute zusammenbringt und Leute sich gemeinsam über etwas freuen. Das ist ja nicht nur Saufi, Saufi und so, sondern da gehen ja auch Familien hin und es bringt Gemeinschaft. Ich bin natürlich St. Pauli-Fan, einfach schon inhaltlich. Das ist ja auch politisch.
AFL: Das war es auch schon von meiner Seite. Möchtest du noch was ergänzen?
Ina: Nö. Ich habe nichts mehr zu ergänzen.
AFL: Vielen Dank das du dir die Zeit für das Interview genommen hast.
Ina: Sehr gerne