Am 18. August 2023 veröffentlichen Propaganda Network nach fast 15 Jahren endlich ihr drittes Album Panik. Dabei hatte die Band insbesondere mit ihrem Erstlingswerk ein Album veröffentlicht, dass noch bis heute nachhallt. Warum es denn aber letztlich so lange gedauert hat, bis ein neues Album aufgenommen wurde und wie die Band die Veränderung der Gesellschaft wahrnimmt, lest ihr hier.
Als alter Anarchist weiß ich nun mal: ‚Keiner hat die Lösung oder einen Plan.‘
AFL: Hallo lieber Klaus, ich hoffe es geht dir und der Band gut. Es freut mich sehr, dass du dir Zeit genommen hast, uns ein paar Fragen zu beantworten. Da Propaganda Network doch einige Tage von der Bildfläche verschwunden sind, stellt euch doch gerne mal vor.
Klaus: Da wäre zunächst einmal Ronny, unser Bassist. Ein Mensch, wie ein Uhrwerk. Ich kenne Niemanden, der so zuverlässig ist und so viele ‚One-Takes‘ im Studio hatte. Im Grunde hätte es ohne ihn kein neues Album gegeben, denn er stellt den Proberaum zur Verfügung und ist anfangs unser stetiges Motivationsfundament gewesen. Ronny ist so ein richtiger Arbeiter. Er möchte unbedingt auch erwähnt haben, dass er auf dem neuen Album und live viel mitsingt.
Daneben gibt es Daniel, der in der letzten Zeit viel Vernetzungsarbeit geleistet und viele Auftritte organisiert hat. Wenn es um sein Schlagzeugspiel geht, besitzt er einen Hang zum Perfektionismus. Er macht sich viele Gedanken und feilt sehr lange an Schlagzeugparts. Sportlich gesehen leistet er vermutlich das meiste. Ein Mensch mit einem großen Herz, besonders für Tiere.
Tim ist für die Melodien zuständig, sozusagen der kreative Kopf. Aus ihm sprudeln nur so die Ideen heraus. Oft hat er schon vor dem Proben das Lied fertig – mit allen Instrumenten. Auch, wenn es dann nicht genauso wird, wie er sich das vorgestellt hat, ist es eine notwendige Basis für den musikalischen Gesamtprozess. Er strahlt viel Ruhe und Besonnenheit aus, handelt überlegt und klug. Er hat eine wahnsinnige Ausstrahlung: Wir haben mal an einem Waldrand gestanden und es kamen viele scheue Tiere zu ihm. Ganz nah. Ein krasses Erlebnis…
Franco spielt Gitarre bei uns. Er bringt die musikalische Würzung. Mit unkonventionellen Ideen und seinem derben Zweitgesang unverzichtbar für die Entwicklung der Band. Zudem übernimmt er alle Artworksachen, also auch bei den zwei vorangegangenen Alben und zusätzlich betreut er die Homepage.
Zuletzt zu mir: Ich bemühe mich um aussagekräftige Texte und bin die Bandprinzessin. Die anderen müssen schauen, dass ich mich stets wohlfühle. Wir alle kennen uns schon sehr lange und uns verbinden viele gemeinsame Erlebnisse.
Generell nehmen sich Musiker und Künstler aber zu wichtig. Zwischen Selbstinszenierung und Lobhudelei wirken die meisten, zumindest live, wie Pudel, die durch brennende Reifen springen.
AFL: Vielen Dank für die wirklich ausführlich Beschreibung von euch. Vermutlich kennt ihr euch ja ganz gut. Ihr habt mir mal gesagt, Propaganda Network ist die wohl zerstrittenste Punkband Deutschlands. War das auch ein Grund, dass so lange Funkstille herrschte? Was war schließlich der Auslöser, sich doch noch aufzuraufen und eine neue Platte aufzunehmen? Seid ihr aufgeregt, was den Release angeht? Immerhin ist Panik das erste Album seit fast 15 Jahren, also quasi fast ein Neubeginn.
Klaus: Wir streiten schon sehr gerne, das kann man nicht leugnen, aber immer auf Augenhöhe und finden letztlich einen basisdemokratischen Lösungsansatz, doch manchmal bräuchten wir schon sozialpädagogische Betreuung, denke ich. Wir haben in den Jahren nie den Kontakt zueinander verloren und unsere Freizeit miteinander verbracht, nur eben keine Musik miteinander gemacht. Eigentlich dachten wir, dass mit den beiden vorangegangenen Alben alles gesagt wurde, was gesagt werden müsste. Wenn man bedenkt, dass wir uns vor dem ersten Album schon aufgelöst hatten (wir wollten nur zur Erinnerung für uns ein paar Lieder aufnehmen), sind zwei Alben doch schon recht viel.
Zu dem Zeitpunkt, als Propaganda Network unangekündigt, schleichend ablebte war der Rechtsruck, den wir früh thematisiert haben, in Europa abgeebbt, die AFD gab es noch nicht und die NPD versank zunehmend in der Bedeutungslosigkeit. Das hat sich heutzutage ganz gruselig geändert. Eine offen rassistische Partei nahe 20%, die rechten Regierungen in Europa, der Ukrainekrieg, dazu muss etwas gesagt werden. Die inneren Gedanken vieler Menschen müssen eine musikalische Stimme bekommen. Auf das neue Album freuen wir uns überschwänglich, wobei unbedingt betont werden soll, dass es nicht das 1000ste Corona/ Pandemie-Album irgendeiner Band ist, die die Zeit kreativ genutzt hat. Die meisten der Lieder sind weit vorher entstanden. Kein einziger Song hat einen Bezug zur Coronazeit. In der Coronazeit waren wir genauso faul wie vorher.
Diese generelle Faulheit ist auch der Grund, weshalb wir immer ein paar Jährchen benötigen, um ein neues Album zu realisieren. Lieder haben wir genug, wir sind nur sehr wählerisch, welche dann letztlich auf das Album kommen. Wir sind äußerst zufrieden mit Panik und sind natürlich aufgeregt, wie es die Menschen hören werden. Generell nehmen sich Musiker und Künstler aber zu wichtig. Zwischen Selbstinszenierung und Lobhudelei wirken die meisten, zumindest live, wie Pudel, die durch brennende Reifen springen.
Klare Rollenbilder, Sicherheit in allen Lebensbereichen, klare Grenzen. Wir als Linke nerven da nur mit unseren ständigen Diskussionen und Ideen, wie etwas sein könnte.
AFL: Eure ersten beiden Alben (Parole, Parole, Parole und Antievolution) wurden noch bei Nix Gut veröffentlicht. In der Zwischenzeit ist das besagte Label im braunen Sumpf versunken. Wie habt ihr das wahrgenommen und macht euch das Sorgen, dass vermeintliche Institutionen des Punks auf einmal abrutschen? Woran liegt das?
Klaus: Als es bekannt wurde, dass über Nix-Gut die Produktion von Merchandise einer unzweifelhaft nationalistischen Rockband lief, waren wir natürlich schockiert. Allerdings war weit vor diesem Zeitpunkt bereits klar, dass es mit Propaganda Network erstmal nicht mehr weiter gehen sollte, deshalb haben wir nie unseren Senf dazu gegeben. Die reine Zusammenarbeit mit den Menschen von Nix-Gut war stets positiv zu bewerten. Viele sind dann ja auch aus Protest gegangen.
Wenn es etwas im Punk nicht geben sollte, dann Institutionen. Institutionelle Strukturen schaffen immer Unfreiheit. Aus seinem anarchischen Selbstverständnis heraus sollte der Punk alle Institutionen ablehnen, weshalb du vermutlich das Wort ‚vermeintlich‘ benutzt hast. Psychologisch ist die Reaktion seitens der gesellschaftlich von Links unter Druck geratenen Verantwortlichen bei Nix-Gut nachzuvollziehen. Die linksorientierte Käuferschicht ist weggebrochen, dann orientiert sich ein Geschäftsmann eben anders. Da sind linke Subkulturen wohl nicht anders als die Mehrheitsgesellschaft. Es werden Mauern aufgebaut und der Weg zurück scheint schwierig für denjenigen, der einen Fehler gemacht hat. Nun gab es in dieser Sache einen triftigen Grund, wenn ich mir jedoch vorstelle, wie die Sache nach einigen klugen Gesprächen ausgegangen wäre oder offene Ohren auf Ideen gestoßen wären. Es ist immer besser miteinander zu sprechen, um eine Lösung zu finden.
Auch Erfahrungen aus der Jugendzeit bestätigen einen Regen Wechsel in den Linken und den rechten Reihen, in der Corona-Zeit hat sich nochmal herauskristallisiert, was die esoterische Linke eigentlich ist und wie braun angehaucht sie immer war. Elitäres Getue und linke Hochnäsigkeit allerdings verbauen uns die Chancen potenzielle Mitstreiter für gesellschaftliche Veränderung zu gewinnen. Darin ist die politische Rechte momentan leider besser…
AFL: Leider muss ich dir in diesem Punkt zustimmen. Parole, Parole, Parole gehört zu meinen Records to Die for und hat mich definitiv in meiner Jugend sowohl musikalisch als auch politisch geprägt. Trotz all der Jahre, die nun zwischen dem Release der Platte und der heutigen Zeit liegen, hat das Album kaum an Aktualität verloren, es hat eher gewonnen. Sei es nun die Linke, die sich in irgendwelchen Grabenkämpfen verliert oder der Rechtsextremismus, der es sich gefühlt mehr und mehr gemütlich macht in der Mitte der Gesellschaft. Was macht das mit euch?
Klaus: Es haben mir schon viele gesagt, dass sie die Platte prägend fanden, was ich niemals gedacht hätte. Dadurch habe ich allerdings auch gelernt, wie unterschiedlich verschiedene Personen die Texte interpretieren können. Dann muss ich immer so Sätze sagen, wie ‚Das habe ich aber so nicht gemeint.‘ Das ist wirklich erschreckend, dass die Texte heutzutage noch besser passen. Vielleicht sind wir sowas wie ein musikalisches Orakel und sollten besser aufhören Musik zu machen. Nein, solange die Lieder noch passen und Menschen ein Ventil geben, um sich ihrer Wut bewusst zu werden und diese zu kanalisieren oder einen Anlass sich gesellschaftlich fortschrittlich einzubringen, werden wir sie noch live spielen. Ansonsten texten wir um.
Slime haben das ja schon gut thematisiert im Song Unsere Lieder. Die Linke darf sich nicht weiter zersplittern, um handlungsfähig zu bleiben. Aus dem Fokussieren auf lauter Kleinziele resultiert, dass linke Politik weiter und weiter an Bedeutung verliert. Wir dürfen die großen, gemeinsamen Kämpfe nicht vergessen. Uns muss bewusst sein, dass sich gesellschaftliche Veränderung erst verfestigt, wenn dafür eine große Basis erkämpft wurde. Indem wir besonders viele Menschen mit auf diesen Weg nehmen, schaffen wir ein nachhaltiges Fundament für bleibende und anhaltende Verbesserungen. Unsere großen Ideen und kleinen Freiräume werden immer verletzlich bleiben, wenn wir die Mehrheitsgesellschaft nicht davon überzeugen, dass die daraus resultierenden Unsicherheiten für sie auch mehr Freiheit und mehr Möglichkeiten beinhalten.
Ein großer Teil der Gesellschaft möchte keine Veränderung, möchte seine kleine, heile Welt behalten, das haben wir ja bereits im Song Spießbürgerbiosphäre thematisiert. Das befördert nun den Rechtsextremismus, er wird gerade in der Mittelklasse salonfähig, durch eine Ideologie die Identität gibt, einfache Antworten gibt und vor allem keine großen Veränderungen möchte. Eine Partei, wie die AFD vermittelt einen nostalgisch-romantischen Blick auf die Geschichte. Zurück in eine Zeit, in der alles einfacher war und überblickbar. Das wünschen sich leider noch viele Menschen. Klare Rollenbilder, Sicherheit in allen Lebensbereichen, klare Grenzen. Wir als Linke nerven da nur mit unseren ständigen Diskussionen und Ideen, wie etwas sein könnte.
Das Schlimmste daran ist, dass wir mittlerweile damit beschäftigt sind erkämpfte Fortschritte gegen diese rückwärtsgewandten Spinner zu verteidigen, was uns davon ablenkt unsere Utopien weiterzuspinnen. Wir alle wissen: Alles fängt mit einer guten Utopie an… Was das mit uns macht, kann man auf dem neuen Album hören.
Ich habe letztens beim Kelleraufräumen noch den ersten Mietvertrag für einen Proberaum mit der örtlichen Realschule gefunden von 1999, darin wurde explizit vermerkt, dass wir den Raum durch die Tür verlassen sollen und nicht aus dem Fenster urinieren dürfen.
AFL: Antievolution kann sich ebenso hören lassen, das Album konnte meinem Empfinden nach aber nie die Qualität der Debüt-Platte – weder textlich noch musikalisch – erreichen. War das schon ein Zeichen, dass da was im Argen mit der Band war?
Klaus: Persönlich finde ich die Antievolution besser. Gerade textlich habe ich mir viel mehr Mühe gegeben und mir das Hirn zermartert. Endlose Spaziergänge in der Natur, Starren auf ein weißes Blatt Papier, Isolation, unzählige Notizen. Vermutlich ist es ein ungeschriebenes Musikgesetz und wie bei jeder anderen Band auch: das Zweitwerk ist immer das schwierigste, man möchte überall noch etwas besser machen. Dadurch kommt eine gewisse Verkrampftheit in den kreativen Prozess und dem fehlt dann die Leichtigkeit.
Die Antievolution ist schwermütiger, textüberladen, bösartiger, negativer. Wir haben schon wenig gelacht und finster dreingeschaut, wie man sich politische Punkbands halt vorstellt. Die Auflösung der Band wurde nie verbalisiert zwischen uns, es hat halt einfach kein kontinuierliches Proben mehr stattgefunden. Alle paar Jahre mal. Wir haben immer zusammen gefeiert und sind nicht im Streit auseinander gegangen.
Generell sind Propaganda Network Alben immer ein Konglomerat aus vielen unterschiedlichen Schaffensphasen. Auf den beiden ersten Alben sind viele Lieder von unseren ersten Demotapes und auf der neuen Platte sind Lieder, die teilweise kurz nach der Antievolution gemacht wurden. Vermutlich haben wir noch Material für 10 weitere Alben in der Schublade. Wir haben ja schon um die Jahrtausendwende begonnen Musik zu machen. Ich habe letztens beim Kelleraufräumen noch den ersten Mietvertrag für einen Proberaum mit der örtlichen Realschule gefunden von 1999, darin wurde explizit vermerkt, dass wir den Raum durch die Tür verlassen sollen und nicht aus dem Fenster urinieren dürfen.
AFL: Für Panik habt ihr mit Monasteria Recordz als auch K-Klangträger ein sehr junges und ein alteingesessenes Label gefunden. Fühlt ihr euch bei beiden Labels wohl und was ist der Reiz der jeweiligen Labels?
Klaus: Gerrit (Monasteria Recordz) und Ritchy (K-Klangträger) sind einem sofort sympathisch. Jeder für sich bringt viele unterschiedliche Kompetenzen mit. Großartige Persönlichkeiten, bei denen man sich gut aufgehoben fühlt, bei einem Miteinander auf Augenhöhe, gemeinsamen Endscheidungsfindungen und merklich viel Spaß an der Labelarbeit. Die beiden sind genau das richtige Team für eine Band wie Propaganda Network.
Eine Vorstellung von romantischen Beziehungen spielt nur dem Patriarchat in die Hände, verfestigt Rollenklischees und gehört in die Pop- und Schlagerwelt.
AFL: Wovon handelt Panik? Zugegebenermaßen könnte man in der heutigen Zeit in Panik verfallen, schließlich wird die Welt immer verrückter. Andererseits sind doch gerade in diesen Zeiten kluge und besonnene Entscheidung umso gefragter. Gehört ihr in die Kategorie Panik oder Besonnenheit?
Klaus: Also da muss einmal differenziert werden. Unser Album heißt Panik, aber auch ein Song darauf. Im Song geht es darum, dass man sich von anderen nicht bewerten lässt. Gesellschaftliche Konventionen geben den Menschen Sicherheit und wenn etwas einmal nicht so läuft wie es gewohnt ist oder Jemand ein schräges Verhalten zeigt, verfallen sie schnell in Panik. Im Grunde zeigt der Hauptprotagonist in dem Song, wie überflüssig es ist, dass wir uns ständig Gedanken darüber machen, wie andere Menschen uns sehen oder was sie über uns denken könnten. Als alter Anarchist weiß ich nun mal: ‚Keiner hat die Lösung oder einen Plan.‘, wie es auch im Lied heißt.
In wirren gesellschaftlichen Zeiten verbreitet sich leider schnell ein muffiger Egoismus, wir dürfen dann nicht aufhören solidarisch miteinander zu sein und auf die Schwächeren zu achten. Die einen können sich schnell auf gesellschaftliche Veränderungen einstellen, andere verfallen erstmal in Panik. Viele haben auch gar nicht die Wahl und die finanziellen Mittel im Hintergrund, um entscheiden zu können, ob sie in Panik geraten. Ihnen bleibt schlechthin einfach keine andere Wahl.
Das Kapital ist da, wie wir alle wissen, verschissen nochmal ungleich verteilt. Besonnenheit ist vielleicht nicht das Ratsamste, wenn viele Entscheidungen kurz nacheinander getroffen werden müssen. Es gibt da einen einfachen Satz. ‚Hör auf dein Herz.‘, den ich sehr oft benutze, besonders, wenn mich nahestehende Menschen nach Rat fragen. Halt dich an deiner Liebe fest von Ton Steine Scherben hat letztlich eine ähnliche Aussage. Das Chaos wirkt reinigend und schafft neue Möglichkeiten. Die meisten Menschen aber kämpfen für ihre Vergangenheit, für das, was einmal da war und nicht für ihre Zukunft, für das, was einmal sein könnte.
AFL: Das Artwork sticht besonders heraus. Es spiegelt das Chaos der Welt wider, hat aber durch den Stil auch eine gewisse Verspieltheit sowie Leichtigkeit. Soll das Artwork eine Art Gegenstück zur Panik sein?
Klaus: Um das Design aller Propaganda Network Alben hat sich Franco gekümmert. Er hat echt ein Händchen für sowas. Bei Panik schien der künstlerische Prozess beinahe endlos. Hunderte Entwürfe wurden gemacht. Immer hatte Jemand etwas zu mäkeln. Beinahe hätte sich die Band mal wieder aufgelöst (Zwinker). Letztendlich sind wir zur allerersten Idee zurückgekehrt. Franco hat sehr viel Zeit geopfert, bis alles perfekt war und alle zufrieden waren mit dem Ergebnis. Die Zeichnungen sind von mir, Franco hat sie dann coloriert. Der Hintergrund ist blau, dieser Farbe wird nachgesagt, dass sie für Verlässlichkeit steht, aber auch Vertrauen suggeriert. Versicherungen haben die Farbe deshalb im Logo. Konservative und rechte Parteien arbeiten auch damit.
Wenn du mich das so fragst, beißt sich das wirklich miteinander: die absonderliche und unförmige Zeichnung und die psychologische Wirkung von Blau. Grellere Farben würden wahrscheinlich besser zum Wort Panik passen. Wir sind allerdings sehr zufrieden mit der Farbwahl, wir sind eine verlässliche Punkband und man kann uns Vertrauen.
AFL: Wie entstehen die Texte bei Propaganda Network? Häufig sind es Texte mit Köpfchen, Herz und Verstand, mit Lippenstift hat sich sogar ein kleines Liebeslied a la Pascow auf dem Album platziert.
Klaus: Ganz unterschiedlich. Auf der Toilette, im Wald, auf langen Autofahrten, in eindrücklichen Situationen, beim Saufen. Ständig habe ich ein Notizbuch in der Tasche und kritzle Textfragmente hinein. Viele Bücher habe ich schon vollgeschrieben. Wenn ich neue Texte entwickle, dann kann ich auf Unmengen an Gedichten zurückgreifen und suche mir Puzzlestück um Puzzlestück zusammen. Genauso kann sich im Proberaum ein Textanfang, wie von selbst, weiterentwickeln. Zumeist gibt es erstmal nur den Strophentext, für den Refrain nehme ich mir dann nochmal extra Zeit. Manchmal hat aber auch Jemand aus der Band eine Idee, wie zum Beispiel Ronny, der den Titel und die Grundidee für das Lied Auf Gut Glück mitentwickelt hat. Ich finde es wichtig, dass Texte immer interpretierbar bleiben. Sie sind dann oft allgemeiner, bleiben aber zeitlos. Der Wortklang und das Poetische können eine politische Aussage sehr gut unterstützen.
Viele Texte von Bands sind bloße Aufzählungen von Problemen; eine schöne Sprache tritt da leider oft in den Hintergrund. Ich liebe es zu schreiben und zu dichten. Früher habe ich immer versucht so viel Text, wie nur möglich in einem Lied unterzubringen, gerade auf der Antievolution hört man das. Auf Panik ist das anders, hier habe ich immer versucht mit dem Song zu arbeiten. Ich habe nicht nur in meiner Textnische gedacht, sondern den gesamten Song gesehen. Liebeslieder lehnen wir ab, wenn du es ‚Anti-Liebeslied‘ nennst, kommen wir überein. Eine Vorstellung von romantischen Beziehungen spielt nur dem Patriarchat in die Hände, verfestigt Rollenklischees und gehört in die Pop- und Schlagerwelt.
Liebeslieder schaffen eine falsche Vorstellung von Beziehungen, es werden oft indirekt Worte genutzt, die anzeigen, dass man eine Person braucht (gebraucht), benutzt oder sich in eine bloße Abhängigkeit stellt. Beziehungen funktionieren nur auf Augenhöhe, im Streit miteinander lernen wir uns einzuschätzen. Heile Welt und Gefühlsduselei sind Konstrukte einer konservativen Vorstellung von Liebe, von der wir uns lösen sollten.
AFL: Um das Gespräch mit einem Lächeln zu beenden: Mir wurde schon häufiger von euch erzählt, dass ihr früher nicht unbedingt die sympathischste Band wart. Habt ihr irgendeine verrückte Story aus der Bandgeschichte, die ihr mit den Leuten teilen wollt?
Klaus: Puh, damit ließen sich ganze Bücher füllen. Im Grunde kann man sagen, sobald uns Veranstalter mit Verboten entgegengetreten sind, haben wir sehr rebellisch reagiert. Als z.B. das Rauchverbot kam, haben wir ständig einfach weiter auf der Bühne gequalmt. Oft haben wir uns einfach genommen, was wir brauchten und haben unseren Lohn selbst bestimmt. Heute ist das anders, wir verhalten uns sehr gesittet. Oftmals war viel Alkohol im Spiel und wir neigten dazu anderen Streiche zu spielen, die dann ausgeartet sind. Keiner aus der Band kann sich davon freisprechen. Wir haben einmal einen bekannten Sänger in der Toilette eingeschlossen, kurz vor seinem Auftritt.