„Youth Crew Hardcore“… wer zum Teufel macht heute noch Youth Crew Hardcore?
Schwach aus Berlin und das auch verdammt gut; und auch bereits seit 10 Jahren. Sechs Jahre nach ihrem Debütalbum Kein Bock steht nun der Nachfolger Kälter in den Plattenregalen und Streamingportalen der Wahl bereit.
11 Songs in gerade mal 25 Minuten haben es auf den neuen „Longplayer“ geschafft. Was als erstes auffällt: Die Produktion ist um ein vielfaches besser und moderner als noch auf dem Vorgänger. Das tut den Songs extrem gut, da so die vielen Nuancen und Ideen deutlich besser herauskommen, ohne dabei auch nur in die Nähe von „überproduziert“ oder „weichgespült“ zu kommen.
Besingen sich Schwach stilistisch in Stillstand etwa selbst?
Alte Musik – für alte Menschen – was soll man noch ergänzen? – Umfeld begrenzen – alles schon mal dagewesen – alles am verwesen
Mitnichten! Denn Kälter kommt erstaunlich frisch daher und zitiert eben nicht nur (aber natürlich auch ein bisschen) die alten Helden der letzten 30-40 Jahre. Das Tempo der Songs variiert von nahezu Blastbeat über klassischem Twostep bis hin zum Midtempo Kopfnicker (Loser Kids ist hier der Anspieltipp). Zudem bauen Schwach in so ziemlich jeden Song eine Vielzahl an Ideen ein, die die Platte interessant und abwechslungsreich machen.
Das kann zum Beispiel eine weibliche Zweitstimme in Gedankenpalast sein. Oder das Saxophon, das gleich in mehreren Songs eingesetzt wird (z.B. Alles Vergeht oder Tristesse). Kommt da etwa sogar ein kurzes Dog Eat Dog Feeling auf?
Immer wieder gibt es auch Sprachvariationen und verschiedene Guest Vocals: Grundsätzlich singen Schwach auf Deutsch, mal derbe plakativ, mal auch mit Witz und Wortspiel. Dazwischen sind immer auch mal englische Phrasen eingestreut. Guestvocals in Tristesse gibt es dann sogar auf Norwegisch und Spanisch.
Textlich geben sich Schwach wütend und gesellschaftskritisch. Man singt gegen Profitstreben, den Rechtsruck der Gesellschaft, Konformität und klassische Lebensläufe aber auch über die eigene Suche nach dem Platz im Leben. Diese Wut merkt man auch in der Musik. Viele der Songs bleiben nach einigen Durchläufen im Ohr und haben Wiedererkennungswert. Trotzdem steht nicht die Hookline Melodie im Vordergrund, sondern die Artikulation der Wut in Musik.
Three Chords zum Abschluss (das deutlich mehr als drei Akkorde umfasst) ist dann eine Liebeserklärung an den Hardcore Punk und das Tourleben:
für 20 Minuten Energy – nehmen wir 4 Stunden Fahrt in Kauf – Punk ist immer noch das Geilste
Mehr gibt es nicht zu sagen.
Tracklist
- Kälter
- Organize Now
- Abstand
- Von Zeit zu Zeit
- Stillstand
- Gedankenpalast
- Kein Weg raus
- Loser Kids
- Alles vergeht
- Tristesse
- Einzelfall
- Three Chords