Beim ersten Durchhören der neuen The Lawrence Arms Platte hatte ich einen Plan: Ich wollte mir zu jedem Song vorab ein paar Stichpunkte über die markantesten Eigenschaften machen und im Anschluss detailliert jeden Song besprechen. Beim siebten Song angekommen schaue ich auf das Papier und stelle fest, dass das so nichts wird. Wieso? Weil jeden Song einzeln auseinander zu nehmen und jedem das Prädikat „Oberhit“ zu attestieren dann beim Lesen doch zu Langeweile führen könnte. Im Gegensatz zur neuen Platte, deshalb wurde der Plan schnell verworfen.
Aber von vorne:
The Lawrence Arms bringen am 17. Juli 2020 – für mich recht überraschend, da sie ja doch erst 2018 eine Best-Of-Scheibe veröffentlicht haben und ich annahm, es würde nun etwas ruhiger um die Band aus Chicago werden – ihr neues Album Skeleton Coast über Epitaph Records heraus.
Einige Monate vorher wurde bereits über die Social Media Kanäle der Band angeteasert, dass da wohl etwas kommt. Ich war ehrlich gesagt skeptisch: Neben dem angesprochenen Best-Of-Album dachte ich auch, dass die Band nach über 20-jährigem Bestehen und sechs Studioalben irgendwann ihr Pulver verschossen haben muss, wie ich es leider bei vielen anderen „Großen“ miterlebe. Doch ich wurde eines besseren belehrt.
Brendan, Chris und Neil veröffentlichen mit Skeleton Coast ein für heutige Zeiten ungewöhnlich langes Album. 14 Songs sind auf der LP, die wie schon der Vorgänger Metropole über Epitaph erscheint.
Anstelle einer Analyse jedes einzelnen Songs, wie weiter oben schon angesprochen, habe ich eine andere Variante gefunden. Denn: Die ersten drei Songs auf Skeleton Coast, Quiet Storms, Planes Trains and Automobiles und Belly Of The Train sind für mich das perfekte Spiegelbild des ganzen Albums, da sie verdeutlichen was diese Band so besonders macht: Mit Chris und Brendan gibt es zwei super Songwriter, deren (Punk-)Sound jedoch unterschiedlicher nicht sein könnte.
In Quiet Storms beginnt Chris und feuert den besten Song des Albums bereits als Opener ab, welcher The Lawrence Arms für mich auf eine neue Stufe hebt. Das Wort „schön“ passt wohl eher selten in das Punkrock-Genre, bei den von Chris geschriebenen Songs ist das aber mehr als angebracht. Melancholisch, mitreißend und mit einem Wahnsinns-Refrain weiß Quiet Storms zu begeistern, die anderen von ihm geschrieben Songs stehen dem in fast nichts nach.
Planes Trains and Automobiles, welcher als erste Auskopplung bereits vorab veröffentlicht wurde, wurde von Brendan geschrieben und auch der hat es in sich. Die rotzigere, den Fokus auf Power Chords legende Version der Lawrence Arms findet man zum Glück ebenso auf Skeleton Coast. Denn die vielleicht in Teilen fehlende Aggressivität in Chris Songs gleicht Brendan locker wieder aus. Der beste Song von Brendan ist definitiv How To Rot, der gut nach vorne geht und auch ein paar Überraschungen parat hat.
Somit gibt es schließlich noch ein drittes herausstechendes Merkmal des Albums, welches perfekt durch den Song Belly of the Train erläutert werden kann, in welchem einige neue Aspekte ausprobiert werden. Denn obwohl sich die Chicagoer mit Skeleton Coast ihrem gewohnten Sound großteils treu bleiben, gibt es auch einige Experimente: Mal nur vereinzelt in kleinen Parts, mal ein anderes Instrument oder ein länger gezogenes Gitarrensolo. Dies passiert jedoch so gut dosiert, dass man – wenn einem diese „Experimente“ nicht gefallen – locker darüber hinwegsehen kann.
Mit Blick auf die Lyrics sagt die Band folgendes über die thematischen Inhalte der Platte:
“It may be kind of dark but it’s really about searching for light in the darkness and finding it, as small as those moments may seem.”
Fazit
Mit Skeleton Coast legen The Lawrence Arms für mich einen starken Nachfolger von Metropole vor, auf dem fast alles passt und deshalb auch zu meinem Lieblingsalbum der Band aufgestiegen ist. Die Hitdichte ist unfassbar hoch, die Wechsel zwischen den verschiedenen Stilen sind erfrischend und die Band sprüht vor Spielfreude – und das nach mehr als 20 Jahren Bandgeschichte. Für Fans und solche die es sehr wahrscheinlich bald werden: Holt euch eine Platte!