Zu The Offspring kann man ein durchaus ambivalentes Verhältnis haben. Auf der einen Seite hörte man in den letzten Jahren vor allem von seltsamen Millionen-Deals über die Rechte an alten Songs, internen Streitereien die vor Gericht endeten und live gehört die Band im Vergleich zu anderen Cali-Punks eher zum Mittelfeld. Auf der anderen Seite gibt es nur wenige Bands, die so ein fantastisches Talent haben, wenn es darum geht, waschechte Hits und vor allem sensationelle Melodien und Ohrwürmer zu schreiben. Um ehrlich zu sein: Smash ist Dookie in zehn mal cooler, The Meaning Of Life gehört meiner Meinung nach zu den fünf besten Punkrock-Songs aller Zeiten und selbst auf dem letzten, viel kritisierten Album Days Go By waren mit Slim Pickens Does the Right Thing and Rides the Bomb to Hell, Secrets From The Underground und ein paar anderen Tracks richtig geile Nummern drauf, mit denen The Offspring 95% der anderen melodischen Punkrock-Bands spielend leicht in die Tasche stecken. Ein gewisses Interesse sollte also bei jedem Fan von gutem Punkrock gegeben sein, wenn The Offspring eine neue Platte raushauen…

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Mit This Is Not Utopia startet das Album sofort ziemlich kompromisslos. Der Song ist zwar kein Überhit, wie die Band schon so viele im Backkatalog hat, macht aber trotzdem richtig Laune und dürfte erstmal alle Fans aufatmen lassen, die nach vergangenen Liedern wie Cruising California (Bumpin‘ in My Trunk) befürchtet haben, dass The Offspring sich wieder zu irgendeinem Quatsch hinreißen lassen – stabiler Start! Der Titelsong Let The Bad Times Roll klingt auf den ersten Blick so, als ob die Band hier mehrere Songideen zu einem Track zusammengeschustert hat. Während viele Bands bei solchen Experimenten mit unorthodoxer Songstruktur und verschiedenen Stilen aber gnadenlos scheitern, schaffen es Dexter und Noodels mit Bob Rock an den Reglern jedoch, ein unfassbar cooles Lied zu produzieren, dass mit jedem mal Hören noch besser wird. Der Song ist catchy, hat geile Gitarren und man entdeckt jedes mal etwas neues, was einem vorher noch nicht aufgefallen ist – ein Experiment, das zu 100% geglückt ist.

The Offspring (Pressebild, 2021)
The Offspring (Pressebild, 2021)

Die folgenden vier Songs sind ebenfalls alle klasse. Behind Your Walls ist für mich jetzt schon eine potenzielle Single und einer der Songs, bei denen man bei jedem Hören mehr Bock bekommt, ihn nochmal zu hören. Army Of One und Breaking These Bones sind klassische Offspring-Songs mit schnellem Tempo und coolem Gesang, das wahre Highlight ist aber tatsächlich Coming For You. Der Song ist ja schon seit einigen Jahren draußen und aus irgendeinem Grund ist er immer etwas an mir vorbei gegangen. Im Rahmen von Let the Bad Times Roll macht der Track aber mega Bock und ist definitiv einer der Höhepunkte der Platte – inklusive gigantischem Refrain!

Bis hier hin ist also alles super und jeder Fan dürfte voll dabei sein. Was an dieser Stelle jedoch folgt, ist für mich irgendwie nicht ganz erklärlich. Bei We Never Have Sex Anymore kann man ja noch darüber streiten, ob es nun ein cooler Song ist oder nicht, schließlich trauen sich The Offspring hier wieder an einige unerwartete musikalische Experimente heran. Warum man mit In The Hall Of The Mountain King, Lullaby und dem mega lahmen Gone Away-Piano-Cover aber gleich drei Songs in die zweite Hälfte packt, die dem Hörer absolut gar keinen Mehrwert bieten, ist für eine Band mit diesem Talent aber dann doch eher lächerlich. Ein Schelm wer denkt, dass es nicht genug richtige Songs gab und man stattdessen lieber uninspiriertes Gitarrengedudel, die Klavierversion eines alten Klassikers und eine völlig unnötige Klangcollage mit Ausschnitten des Titeltracks auf das Album packt, um die Mindestlaufzeit voll zu machen… Da helfen auch The Opioid Diaries und Hassan Chop nicht viel, die zwar auf den Putz hauen, jedoch wirklich nichts besonderes sind.

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Let The Bad Times Roll wäre problemlos als starke EP durchgegangen, wenn man einfach die ersten sechs Tracks drauf gepackt hätte. Zieht man nämlich die drei Vorabsingles sowie die drei „Tracks“ am Ende ab, erhält man als Hörer lediglich sechs neue Songs, von denen gerade einmal vier richtig gut sind. Es beschleicht einen ein bisschen das Gefühl, dass The Offspring nach neun Jahren ihre Fans nicht länger warten lassen wollten (was ja auch sehr tugendhaft ist), es aber eigentlich nicht für ein ganzes Album gereicht hat. Naja, dank Musikstreaming kann man sich ja einfach die ersten sechs Songs von Let The Bad Times Roll mit den angesprochenen Songs aus Days Go By in eine separate Playlist packen. Ergänzt man dann noch The Future Is Now, Hurting As One und Dividing By Zero (ebenfalls auf Days Go By) hat man sein eigenes Offspring-Album mit elf sensationellen Hits gebaut, an das kaum eine andere Band ran reichen kann.

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– Playlist: Happy Release Day
BEWERTUNG
Let The Bad Times Roll
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Marcell
Oi! Ich bin Marcell, Jahrgang 1998, aus NRW und seit Ende 2017 bei AWAY FROM LIFE. Reviews, Interviews, Konzertberichte – hier findet ihr ab und zu meine geistigen Ergüsse. Neben AWAY FROM LIFE studiere ich, spiele selbst in einer Punk-Rock-Band und schaue gerne Fernsehen. Abfahrt!
the-offspring-let-the-bad-times-roll-review-202150% geil, 16% unspektakulär, 8% schwach und 25% nicht bewertbar, weil Lückenfüller.

4 Kommentare

  1. Sorry ich bin da Total anderer Meinung! Das Album ist wieder Back to the Roots. Und ich weiß wovon ich rede, mit meinen 46 Jahren mit dem Punk aufgewachsen. Und der Punk/Hardcore ist eine Lebenseinstellung aus den 70er/80er und sorry dafür, die heutige Jungend hat absolut kein Bezug mehr dazu wie wir früher. Und dazu gehört auch die Musik und das Feeling. Und ich gebe zu Sentimentalität schwingt dabei auch mit. Aber nichts desto Trotz kann ein Kid aus der heutigen Zeit meiner Meinung nach nicht objektiv Bewerten. Nicht falsch verstehen bitte!

  2. Du sprichst einem aus der Seele.
    Diese unnötigen Lückenfüller sind echt überflüssig und nervig, und „coming for you“ is ja auch bereits fast 6 Jahre draußen.
    Kann man nur hoffen, dass die Jungs noch was im Petto haben und nicht wieder so ewig auf sich warten lassen mit nem neuen Album.

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