Patrick Yves Kleinbauer oder einfach PYK genannt, ist Bassist von The Skinflicks, und außerdem spielt er bei der Ska Band Toxkäpp! und hat auch nebenbei noch ein kleines Surf-Soloprojekt namens Surf Me Up, Scotty! Da ich schon immer Fan der Skinflicks war, dachte ich mir es würde mal Zeit werden mich mit Pyk zu treffen, und bei einem gemütlichen Bier, ein paar Fragen zu stellen.

Patrick, erst mal Glückwunsch zu dem neuen, meiner Meinung nach fantastischen Album. Wie waren die Reaktionen darauf bisher?

The Skinflicks - Let's Ave It! (2024)
The Skinflicks – Let’s Ave It! (2024)

Hallo, Steve! Vielen Dank erstmal für diese nette Einschätzung! Wir sind natürlich sehr, sehr froh, dass das neue Album dir dermaßen gefällt. Wir sind sehr froh, dass das neue Album auf solch ein reges Interesse stieß! Viele Leute haben mir auch privat mitgeteilt, dass das neue Album sie stark begeistert, was uns natürlich freut!

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Das ist jetzt das zweite Album nach der Reunion. Wie kamt ihr nach all den Jahren darauf, euch nochmal zusammenzutun, um wieder gemeinsam Musik zu machen?

Ja, das stimmt! Eigentlich haben wir seit unserer Trennung davon gesprochen, uns zu einem späteren Zeitpunkt wieder zusammenzutun. Wir wussten alle schon irgendwie, dass es nicht so aufhören könnte, dass wir noch nicht genug hätten und dass es sicherlich wieder was Szenerelevantes zu sagen geben würde – zu einem späteren Zeitpunkt. Die Zeit war bloß eben noch nicht gekommen. 2021 war es dann endlich wieder so weit. Die ganze Pandemie-Geschichte hatte dann doch einen positiven Aspekt, indem wir uns zusammensetzen konnten und verstärkt an Texten und Musik geschraubt haben.

Ihr habt ja nicht die typischen, oft langweiligen Oi-Themen als Lyrics. Da ist ja mehr als „Saufen, Ficken, Oi!“. Wo nehmt ihr eure Inspirationen für die Texte her?

Weißt du, wir sind herangewachsen mit der Musik den alten britischen, klassischen Streetpunk- und Oi!-Bands. In deren Texten war immer sehr viel Sozialkritik enthalten. Das hat uns immer schon sehr angesprochen. Diese raue Musik, gesungen und gespielt von diesen Leuten in der Szene, die, was zu den Geschehnissen ihrer Zeit zu sagen hatten, Dinge beobachteten, die in der Gesellschaft schiefgelaufen sind. Eben bloß aus der Perspektive des einfachen, „kleinen“ Mannes… Eine Stimme aus dem Volk, so zu sagen. Bei vielen Oi!- / Skinhead-Bands hat sich das im Laufe der Zeit jedoch stark verändert und verwässerte sich auf reines „Fußball-Ficken-Bier“ Prolo-Gelaber. Das ist uns zu einfach, zu banal. Natürlich mögen wir alle diese Dinge ebenso, doch unsere Texte auf diese Aussagen zu beschränken stand außer Frage! Es läuft so viel zur Zeit in der Gesellschaft, man braucht sich einfach nur umzuschauen – Inspiration gibt es überall…es gibt genug an dem man Anstoß nehmen kann, mit dem man nicht zufrieden sein kann. Dabei sollte man jedoch, nach wie vor, beim Sozialkommentar bleiben und sich fernab jedweder Politik halten.

Merkst du einen Unterschied zu früher in dem ganzen Musik-Business? Pro und contra? Also was ist besser, was schlechter?

Ja, das 21te Jahrhundert ist dann doch schon entscheidend anders. „Influencer“ gab es eigentlich immer, jedoch hat sich deren Einflussbereich enorm ausgeweitet. Gab es früher nur einige Szene-Persönlichkeiten, Labels, Barbesitzer und Shops, die in ihrem direkten Einflussbereich diverse Leute/Bands gepusht oder gedisst haben, so geschieht dies heutzutage tausendfach und, dank der sozialen Medien, auch global. Das hat Vor- und Nachteile. Gute Bands finden aus dem kompletten Underground heraus, mit etwas Glück vielleicht schneller ein Publikum. Andererseits werden lokale Auseinandersetzungen, Meinungsverschiedenheiten und Skandälchen, welche immer schon auf reges Interesse in dieser doch recht Gossip-lastigen Szene getroffen sind (Skins sind bisweilen regelrechte „Waschweiber“, in dieser Hinsicht!), ganz schnell enorm aufgeplustert, aus dem lokalen Kontext gerissen, und dank den lieben Internetforen-Trollen, zu einem globalen Diskussionsthema. Das wurde schon so mancher Band über Nacht zum Verhängnis.

In dem richtigen „Biz“ gibt es natürlich auch Veränderungen: aus der Handvoll Labels vor 30 Jahren, sind jetzt Hunderte, Tausende geworden. Die Musik wird auch von dutzenden Venues und Veranstaltern/Festivals getragen…das war zu unseren Anfängen gar nicht der Fall…da gab es vielleicht ein halbes Dutzend Festivals weltweit. Jetzt dürfte für jeden etwas dabei sein.

Das hat sein gutes und sein schlechtes: Die Musik und ihr Vertrieb hat sich demokratisiert. Das hat der Szene viel Zuwachs gebracht. Brauchte sie das? Keine Ahnung. Bei vielen Leuten sind dann auch immer viele Deppen dabei.

Heutzutage ist man als Fan dieser Musik eigentlich mehr gefordert als je zuvor, da das Angebot enorm gestiegen ist…auch da muss man wieder viel „sieben“, um die Spreu vom Weizen zu trennen.

Ihr habt ja auch einen durchaus professionelleren Sound als früher. Was war der Unterschied zu früher bei den Aufnahmen?

Es gibt zwei riesengroße Unterschiede zu unseren früheren Aufnahmen: erstens haben WIR jetzt die totale Kontrolle über unseren Sound und wir wissen genau, was wir wollen und was nicht.

Bei unseren ersten Aufnahmen waren wir jung und unerfahren. Wir hatten keine Ahnung, wie man einen geilen Sound aus Verstärkern herauskitzeln kann. Die Studiotechniker haben uns dann immer irgendwie was eingestellt, was zur Folge hatte, dass wir von Aufnahme zu Aufnahme anders klangen und nie wirklich vollends zufrieden waren. Beim ersten Album Lies, Damned Lies… zum Beispiel war der Bass-Sound, der Gesang und die Backing-Vocals einigermaßen gut. Doch die Gitarren waren viel zu verzerrt und breiig, und das Schlagzeug zwar gut gespielt, doch etwas zu leise im Mix. Das war für mich persönlich immer sehr frustrierend. Ich wusste genau, wie es klingen sollte, jedoch nicht, wie man das hinkriegt. Ich dachte dann, das läge am Material und musste mich resigniert mit dem Resultat abfinden.

Zweitens sind alle neuen Aufnahmen seit 2021, damit auch beide Studioalben bisher, komplett live im Studio aufgenommen!

Was du auf den Aufnahmen hörst, ist die Band, die zusammen live im Studio spielt! Wir stehen weit auseinander in einem großen Raum, und jeder hat sein eigenes Instrument separat mikrofoniert, doch wir spielen alle gemeinsam und nicht mehr nacheinander, Spur für Spur, wie auf unseren ersten beiden Alben.

Das hat eine Menge Vorteile.

Die Aufnahmen klingen ungemein dynamischer, wuchtiger und etwas rauer.

Bevor wir uns wieder als aktive Band zusammentaten, haben wir viele Abende zusammen verbracht, all unsere Lieblingsklassiker gehört und zusammen analysiert. Dabei stellten wir fest, dass viele Bands eigentlich fast nur „Demo-mässig“ aufgenommen haben. Vieles war live im Studio, mit rauem Sound, aufgenommen, und man hörte noch eine Direktheit, ja sogar einige Fehler in den Aufnahmen störten niemanden. Keine zu Tode sezierten Spur-für-Spur Aufnahmen, mit unendlichen, super verzerrten Gitarrenwänden, mit zum Teil sechs bis sieben Gitarren pro Kanal. Das machte in den 90er und frühen 2000er Jahren jedoch jede Band so…wir übrigens auch. Damit aufzuräumen und zurück zu einem einfacheren, Rock’n’Rolligeren Sound zu finden war schnell beschlossen. Wir wollten zurück zum alten, britischen Sound finden. Doch wie macht man sowas? Wir haben mit unserem befreundeten Sound-Techniker Tom Gatti gesprochen. Er ist zwischenzeitlich in seinem UNISON Studio in Luxemburg kein unbeschriebenes Blatt mehr und auch sehr erfolgreich als Produzent komplexer Pop-Produktionen unterwegs. Er war von der Idee, zurück zu einem rauen Punk-Sound zu finden sehr angetan und hat vorgeschlagen alle Aufnahmen einfach live im Studio aufzunehmen, mit einer Gitarre im rechten Kanal und einer Gitarre im linken Kanal, nicht mehr! Dazu dann nur das Nötigste an Produktion und nur die aller gröbsten Fehler verbessern. Das Experiment führte dann zu den zufriedenstellensten Aufnahmen in meiner gesamten Musiker-Karriere! Die Band klingt auf den Aufnahmen tatsächlich so, wie wir geprobt und live gespielt haben! Zum allerersten Mal!

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Einen Song fand ich ja besonders krass. Blood And Glas, wenn ich es richtig verstehe, geht es um häusliche Gewalt. Ist das allgemein gemeint, oder kommt der Text aus persönlichen Erfahrungen?

Das ist korrekt. Der Song geht tatsächlich thematisch die häusliche Gewalt an und was es bedeutet, als Jugendlicher in solch einem Umfeld aufzuwachsen. Ein sehr ernstes und wichtiges Thema, welches allzu oft verschwiegen und verdrängt wird. Jerome hat dieses Lied geschrieben und ich war sehr berührt und gleichzeitig begeistert, dass wir vor solch einem „heißen Eisen“ nicht zurückschrecken und das thematisieren, was mir auch persönlich am Herzen liegt. Streetpunk ist eigentlich ein ideales Sprachrohr für solch ein Unterfangen und was in dem Song gesagt wird, und vor allem wie es gesagt wird, spricht mir dann doch aus der Seele.

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Gentrified For Your Sins war ja eure erste Singleauskopplung vom Album.
Luxemburg ist ja ziemlich gentrifiziert.
Wie siehst du diese Entwicklung? Beziehungsweise, wer hat gesündigt und wie, dass er jetzt gentrifiziert werden muss?

Da hat eindeutig die Gesellschaft versagt. Und die lokale Gemeindepolitik. Huch, jetzt werden wir dann doch politisch? Hahahah!

Es ist mittlerweile gang und gäbe in allen größeren Städten dieser Welt, dass die früheren Elendsviertel „restauriert“ und gentrifiziert werden. Ehemals verruchte Gegenden werden von ruchlosen Promotern aufgekauft und zu edlen Wohnvierteln für Neureiche und Industrielle gepimpt, um coole, hippe Viertel mit „bohémien“ Flair künstlich aus dem Boden zu stampfen, respektiv heraufzubeschwören. Junge Hipster kaufen mit dem Geld ihrer reichen Eltern die letzten Tante-Emma-Läden auf, um darin „wild-schicke“ Cafés mit achtlos heruntergerissenen Tapeten, Kreide-Kritzel-Menüs und ironisch-altertümlich- biederen Dekor-Elementen (die vielleicht früher mal Tante Emma selber gehört haben) zu versehen, und vorne organischen Kaffee und Bio-Säfte anzubieten, während hinten im Shop eine Tattoo-Nadel surrt und noch weiter hinten ein Barber-Shop den Dutt-tragenden Hipster-Dudes edle Öle in die Bärte schmiert.

Und Tante Emma selbst?

Die wurde ins Altersheim abgeschoben. Alle ihre Nachbarn und Geschäftsleute im Viertel, welche dieses überhaupt erst aufgebaut haben, vor dutzenden Jahren, können sich die steigenden Wohnpreise in den neuen Vierteln nicht mehr leisten und werden in die unpersönlichen Wohnsilos am Rande der Stadt verdrängt! Dort sieht sie dann niemand mehr und diese unansehnlichen Leute stören dann das Aussehen dieser schicken, coolen Viertel endlich nicht mehr!

In diesem Sinne verstehen wir die Hipster und die moderne Wohn- und Siedel-Kultur, der sie angehören, als die wahren Feinde der „working class“ in unserer modernen Welt. Wer verdrängt die Armen und lässt die Armut der „Weniger-verdienenden“ steigen, ja wer profitiert von all dem? Das ist die Kultur und das Geschäftsverständnis der Hipster-Generation!

Damit könnte man sagen, dass die Stadt (Anmerkung: in Luxemburg wird die Hauptstadt immer die Stadt genannt) jetzt, als solche, für ihre Versäumnisse gentrifiziert wird und sie sich das selbst zuzuschreiben hat, da sie es untätig zuließ, dass ihre ärmsten Kinder zugunsten der „reichen-und-coolen“ verdrängt wurden.

Mir fällt grad ein, dass es nun ein Bettelverbot in Luxemburg gibt. Ein Gesetz gestimmt von einem reichen Bonzen, um den ärmsten der ärmsten noch ihre 5 Euro wegzunehmen. Ein Luxemburger Liedermacher sang mal: Die Stadt gehört auch den Fixern und den Huren….

Mit diesem Songtext kann ich mich identifizieren! Ich habe mein Leben lang im Bahnhofsviertel der Hauptstadt gewohnt. Dealer, Fixer und Prostituierte sehe ich tagein, tagaus, seit meiner frühesten Kindheit! Was jetzt dieses Gesetz angeht, na ja…an sich wollte man wohl den organisieren Bettel-Banden Einhalt gebieten, doch dies trifft jedoch natürlich auch und vor allem die wirklich Bedürftigen. Ob man der Armut dadurch beikommt, dass man die Armen bekämpft, sei mal dahingestellt….

Ihr seid ja jetzt für einen Gig in Amerika gebucht? Ein Gig? Oder kommt da eine Tour?

Ja, für die L.A. PUNK INVASION im Frühjahr 2025! Das hat uns natürlich sehr überrascht und gefreut. Daraufhin haben sich allerlei Leute aus den USA und auch Kanada gemeldet, um eventuell ein paar Gigs dranzuhängen, doch bislang ist alles noch in der Verhandlungsphase. Mal schauen, ob was draus wird.

The Skinflicks 2024

Lass uns mal über deine Anfänge in der Szene reden. Soweit ich weiß, fing es bei dir mit einer anarchistischen Gruppe in Luxemburg an? Was genau war das?

Ja, das stimmt! Das war jedoch nicht der Anfang, sondern das Ende des ersten Drittels meiner „subkulturellen Entwicklung“: Ich begann Ende 1987 / Anfang 1988 mich verstärkt vom Metal dem Pumk zuzuwenden. Ab 1989 kam Gothic und Death Rock hinzu, danach entdeckte ich ab 1991 den Hardcore und ab 1993 dann Streetpunk/Oi! und später auch Ska…da waren dann auch endgültig die Haare ab! ☺

Doch was du ansprichst, stimmt so. Das war „DE SCHWAARZEN DROT a s.b.l.“ in einem Garage-Schuppen in Kaltreis, Bonnevoie in Luxemburg-Stadt. Die Aktivität erstreckte sich über fast drei Jahre hinweg, irgendwo zwischen 1997 und Anfang 2000. Wir waren zu ungefähr 35-40 Leuten, mit Anhang und Satelliten, und unsere Zielsetzung war die Instandsetzung eines anarchistischen Zentrums, mit Proberäumen für Punk, Hardcore, Industrial, Garage, Surf und Metal-Bands (damals gab es quasi nichts dergleichen für Bands in Luxemburg), inklusive Auftrittsraum mit Bühne (alles selber in den Gebäulichkeiten zusammengezimmert) einer Bibliothek mit den Werken von Bakunin, und Frauenrechtler*innen, Tierschutzorganisationen, vegetarische und vegane Lebensberatung (auch da war das Angebot längst nicht so breit gefächert wie heute), einer alternativen Küche mit Bar für Billig-Bier, etc. sowie die Organisation von Konzerten und politischen Protest-Demos. Schon erstaunlich, in welch kurzer Zeit wir aus einem leerstehenden Beton-Garagenkomplex eine funktionierende und teilweise recht gemütliche (für nicht allzu luxusverwöhnte Gemüter) Struktur zusammengezimmert hinbekamen. Alles in Eigenregie, ohne Zutun der Außenwelt. Da haben dann richtig geile Events stattgefunden, epische Partys, Konzerte, alternative Weihnachts- und Neujahrs-Feten, After-Partys in den frühen Morgenstunden, Grillabende, Diskussionsrunden, Aufnahmen, Live-Aufnahmen, Demos, Informationstage mit Ständen, ja sogar Mini-Festivals….eine tolle Zeit, durch den Einsatz so vieler talentierter Leute…eigentlich ein anarchistisches Ideal! Doch leider ging das Ganze dann ziemlich schnell und unrühmlich zu Ende…bis zum Schluss dann nur noch ich selbst sowie der Gitarrist der Rotzbouwen übrig geblieben sind, um alle Rechnungen zu bezahlen (Strom, Wasser, Versicherungen, Miete…), da wir beide die einzigen mit einer regelmäßigen, bezahlten Arbeit waren…die anderen haben uns arg im Stich gelassen und uns blieb ein verhältnismäßig riesiger Schuldenberg abzubezahlen. Sehr schade. Doch die ganze Zeit möchte ich trotzdem nicht missen.

Wie kamst du dann zum Skinhead-Kult? Das war in Luxemburg ja nicht so normal.

Also eigentlich fing alles für mich ungefähr 1988 im Gymnasium an. Mein Banknachbar war Frank, welcher später der Sänger meiner Two-Tone Ska Band Toxkäpp wurde und bis heute einer meiner engsten Freunde geblieben ist. Er hatte auch früh viel Interesse an alternativer Musik und Punk/Post Punk/New Wave, etc. In einem Zeichenkurs ließ er mich damals diesen legendären Secret Records Sampler mithören (wir alle hatten, wie in den 80ern so üblich, Walkman am Start!), THE SECRET LIFE OF PUNKS.

Das hat mir die Augen (und Ohren!) geöffnet…da waren THE EXPLOITED, INFA RIOT, THE BUSINESS, 4 SKINS, THE LAST RESORT, THE PARTISANS, BLITZ u.v.a. drauf vertreten. Diese „neue“ Punk-Musik hatte ich bis dahin nie gehört und ich war sofort begeistert. Doch für mich war das alles einfach nur „Punk“. Erst rund fünf Jahre später kam ein amerikanischer Freund von mir, welcher in meinem Viertel wohnte, ganz konkret mit dem Wort „Skinhead“ auf mich zu…er war mit der Szene in Berührung gekommen und sehr interessiert. Wir hatten endlose Diskussionen über dieses (Un-)Wort und er erklärte mir damals, dass die Definition dieses Begriffs nicht unbedingt mit der Definition aus der BILD-Zeitung übereinstimmen müsste und zählte mir Bandnamen auf…Bands die ich schon kannte, eben von dieser Compilation her! (Aha-Effekt!) und zeigte mir überdies noch andere Bands, wie THE OPPRESSED, und verschiedene amerikanische Bands, wie NIBLICK HENBANE, THE TEMPLARS, OXBLOOD, etc.

Nach kürzester Zeit stand da für mich fest, dass dies mein Weg sein würde, von da an.

Später kam ich dann in Kontakt mit der (damals noch recht ansehnlichen!) Luxemburger Skinhead-Szene. Ich traf mehr und mehr Leute, man reiste nach Belgien, Frankreich, Deutschland, Holland und sogar England auf Konzerte zusammen und dann hörte ich über eine Reihe junger Leute aus dem Süden des Landes, dass sich eine Oi!-Formation mit dem Namen THE SKINFLICKS zusammentun würde. Ich habe sie mir dann live angeschaut und war sofort begeistert. Fortan in der ersten Reihe bei jedem Konzert, laut am Mitgrölen. Anderthalb Jahre später verließ der ursprüngliche Bassist Muck die Band und er bat mich, für ihn zu übernehmen. Das war im April 1999. Seitdem bin ich mit vollem Einsatz dabei…mit einer kurzen Unterbrechung von ungefähr 20 Jahren, hahaha!

Als ich als Jugendlicher mit Punk in Kontakt kam, hieß es in den Medien immer Skinhead = Nazi. Wie waren deine Erfahrungen bezüglich deiner Erscheinung in Luxemburg damals?

Ja, klar! Damals gab es null Verständnis dafür und Bild Zeitung war Trumpf! Außerdem gab es ständig Stunk mit der LMN (Ligue Mauvaises Nouvelles), das waren alle Leute mit Migrationshintergrund aus der Hip-Hop-Szene…die kloppten auf alles, was nach Punk und besonders nach Skin aussah…da wurden keine Fragen gestellt. Die Gesellschaft urteilte auch rasch…in meinem Bahnhofsviertel wurde ich sogar mal von einer afrikanischen Straßenprostituierten angespuckt. Außerdem gab es den Vorfall in Esch,(Esch-Alzette, Luxemburgische Stadt- Anmerkung) welcher im TOXKÄPP! Song „Virveruerteelt“ (Vorverurteilt) ausführlich beschrieben ist…das hat sich so zugetragen. Also, um es kurz zu machen: ja, das war nicht immer einfach, und jeder hasste einen. Heute ist es zum Teil nicht mehr so krass…einige Leute sind manchmal sogar etwas aufgeklärter…hat mich aber nie wirklich gestört.

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Obwohl unser Land sehr klein ist, gab es in der Ecke, wo ich herkomme gar nichts. Bei dir im Süden gab es ja immer Stahlarbeit. Denkst du der Boden da war fruchtbarer für Subkultur?

Naja, bei mir „im Süden“…ich bin aus der Hauptstadt, aus dem Bahnhofsviertel, da war auch nie viel Subkultur unterwegs. Deshalb zog es mich ab den 90ern verstärkt nach Esch, in den Süden, halt…dort war die wohl größte Punk, HC und Skin-Szene…damals. Die Kulturfabrik, damals noch autonom, war, allein für sich genommen schon ein Nährboden für Alternativkultur…außerdem gab es noch einzelne Punkte in Obercorn, Differdingen und Düdelingen.

Jetzt ist ganz Luxemburg langweilig und tot, hahaha!

Beim Skinhead-Kult geht es ja oft um Working Class. Mal ganz ehrlich, ich weiß, was du arbeitest, du weißt, was ich arbeite, ist man da noch Working Class? Respektiv, was ist heute noch Working Class? Kann man den ITler in der heutigen Zeit dazu zählen?

Ich habe diese Bedenken mal vor zwei Jahren mit einem Skin-Mädel besprochen und sie sagte was ganz Interessantes dazu. Sie meinte, dass es ganz in Ordnung sei, auf Working Class stolz zu sein, bei seinen Anfängen, aus der Schule raus, das erste Geld selber verdienend.

Doch jetzt, da man bei Alter sei, wäre ja jeder in seiner Karriere aufgestiegen. Wenn man das nicht wäre, hätte man wohl was falsch gemacht und worauf wollte man dann noch stolz sein? „Der Aufstieg gehört mit dazu. Stehenzubleiben ist nicht unbedingt Working Class Pride, sondern oft ganz einfach Stagnation!“

Fand ich ganz interessant.

In Luxemburg gab es ja schon immer nur eine Handvoll Punks und eine Handvoll Skins und fünf Hardcore Kids. Auftrittsmöglichkeiten fast gleich null. Heute ist es auch nicht viel besser. Woran liegt es?

Naja, also wie gesagt, wir haben damals zum Teil selbst ne Bühne gebaut und Proberäume und so dafür gesorgt, dass was lief. Wir waren halt, aber damals dann auch zwei Dutzend oder mehr…Heute ist es eigentlich umgekehrt.

Auftrittsmöglichkeiten gibt es in Luxemburg jetzt zuhauf, also kleinere Bühnen für Undergroundkonzerte, meine ich jetzt.

Bloß das Publikum bleibt aus, weil es kaum jemanden gibt, den das interessiert. Und die paar Leute, die das dann potenziell ansprechen könnte, sind zu faul (geworden) und bleiben dann lieber zu Hause, hinterm Ofen, bei Netflix und Pizza. Das mag ich auch, jedoch wenn einmal im Monat was läuft, warum dann nicht etwas Präsenz und Einsatz zeigen?

Ich habe jetzt begonnen, mit einem kleinen Team hobbymäßig ein paar Konzerte im Bereich Streetpunk, Ska und Oi! zu organisieren. Bei verschiedenen Sälen bin ich zum Teil offene Türen eingelaufen, da diese gerne etwas mehr Programmation hätten, von verschiedenen Szenen…da gibt es jetzt keine Probleme…jedoch muss man bei allem verstärkt Werbung im nahen Grenzgebiet-Ausland machen, da ohne das belgische, französische und deutsche Grenzpublikum ganz einfach der Saal leer bleibt.

Am Schluss noch ein paar persönliche Fragen. Aktuell sehe ich in der Szene eine ganze Reihe an Bands, die über das Skin sein singen, aber aussehen, als kämen sie gerade vom Sportplatz. Also über Boots singen, aber Turnschuhe anhaben. Respektiv lange Haare haben sich aber als Skinhead bezeichnen. Gehört zum Skin sein nicht gerade ein gewisser Dresscode dazu? Sehe ich das zu altmodisch? Wie siehst du das?

Ja, das ist schon ulkig. Ich bin da zwiegespalten. Einerseits gibt es ja durchaus Leute, die in ihrer Jugend in Bands waren, die ganz eindeutig der Szene angehörten, die jetzt erwachsen sind/Familie haben/berufliche Verantwortung, etc…was aber nicht unbedingt heißt, dass sie „fake“ sein müssen. Die haben sich ihre Sporen eben schon früher verdient und müssen heutzutage nix mehr beweisen. Schwieriger wird’s aber, wenn man ganz junge Bands sieht, deren Mitglieder niemals dieser Subkultur angehörten, dieses jetzt jedoch lautstark verkünden. Das ist dann schon bedeutend weniger glaubhaft. Man könnte höchstens noch argumentieren, dass sie durch diese Wahl etwas zur Entstigmatisierung dieser Subkultur beitragen. Doch dann kann man sich natürlich auch wieder fragen, ob wir das wirklich brauchen?

Etwas, das mir auch auffällt und was verstärkt in den USA und Frankreich ein Mode-Phänomen geworden ist – die Hipster-Schnauzbart-Skins! Die sieht man zum Teil auch in ganz namhaften Bands und im Publikum immer wieder auf Konzerten auftauchen. Die wirken belustigend auf mich persönlich – in etwa so, als würde man sich vorstellen, die VILLAGE PEOPLE hätten neben ihrem Polizisten, Bau-Arbeiter, etc, auch einen Skinhead-Charakter in der Gruppe gehabt….So, jetzt hör ich dann aber auch auf mit lästern! ☺

Was hasst du eigentlich mehr, Hippies oder Hipster?

Naja „Hassen“ ist jetzt ein starkes Wort, was natürlich Bezug auf unseren Song nimmt. „Zuwider sein“ trifft es wohl mehr. Aber ganz eindeutig die Hipster! Wie oben bereits angemerkt, halte ich diese für ein Sinnbild des modernen Angriffs auf die „Arbeiterklasse“ (was auch immer damit gemeint ist!), also die arbeitenden Normalos, welche nicht finanziell sehr vermögend sind und sich Monat für Monat durchkämpfen müssen, durch einen Berg von Rechnungen und Steuerschulden.

Die Hippies sind ja eigentlich fast ausgestorben und stellen keine Bedrohung oder reelle Alternative mehr dar, seit Ende der 90er. Sie sind also gar nicht mehr relevant in dieser Hinsicht…und in jeder anderen auch! ☺ Dabei wollte ich doch nicht mehr lästern.

Vielen Dank fürs Interview. Berühmte letzte Worte?

Vielen Dank auch an dich!

Meine abschließenden Worte wären: Glaubt nicht alles, was irgendwelche dämlichen Trolle ins Internet kritzeln! Frustrierte Idioten haben heutzutage Gehör durch die Demokratisierung der sozialen Medien gefunden. Das heißt jedoch nicht, dass man ihnen zuhören muss. Man hat immer noch die Wahl, da einfach wegzuhören. Diese Leute sind lautstark mit Kritik, um darüber hinwegzutäuschen , dass sie selbst gar nichts draufhaben und nichts auf die Reihe kriegen. „Leere Fässer machen halt am meisten Krach“, wie MINOR THREAT seinerzeit so schön sagten. Die Zeit wird diesen Leuten schon von selbst den Weg auf die Müllhalde der Geschichte ebnen.

Schaut auf unseren offiziellen Seiten auf Facebook, Instagram und TikTok rein und „liked“ sie. Dort findet ihr die neusten Meldungen zu Veröffentlichungen und Konzerten etc.

Für die Konzertveranstalter unter euch: schreibt uns an, falls ihr uns mal auf einem Konzert/Festival bei euch haben wollt – ihr werdet sehen – wir sind vielleicht nicht ganz so teuer wie verschiedene Trolle behaupten! skinflicks97@gmail.com

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– Playlist: Happy Release Day

3 Kommentare

  1. @ GoodOldRichKidBashingDay

    Hipstern hätten wir damals lachend auf die Schnauze gegeben, alleine dafür dass diese Soja-Boys sich tätowieren lassen irgendwie um den Umzug vom Kinderzimmer ins WG-Zimmer zu dokumentieren. Diese Kindergesichter mit Vollbart haben noch nie einen Zehnstundentag auf der Baustelle überstanden, nicht einen, und klauen der working class ihre Privilegien. Diese Langzeitstudenten mit iBook sollen sich verpissen. Mich nervt schon diese Salafisten-Bartkultur an jeder Ecke. Wollen Subway Halal? Alter Schwede … Naja, die KI wird bald alles restlos ins Chaos stürzen, aber bis dahin haben alle brav mitgemacht und niemals Würde bewiesen. Die Working Class ist tot genauso wie die Subkultur (sicher ein Zusammenhang). Eine Welt von Blendern und Posern. Stay true!

  2. Das alles klingt nach totaler Kinderkacke. Huhuuuu, von einer Prostitutierten sogar mal bespuckt. Zur selben Zeit konnte man in Deutschland jederzeit abgestochen oder wenigstens krankenhausreif geschlagen werden fiel man nachts alleine einer bande Hopper in die Hände. Alles was ich hier zwischen den Zeilen rauslesen kann lässt mich gruseln (nicht über die Band, sondern über generation Y und Z). Machen wir uns nichts vor. Subkultur ist tot. Die unter 40-jährigen haben nicht mal in der Kinderversion sowas wie Subkultur, Untergrund und Straßengewalt erlebt. Das sind Poser mit smart phone. Gut, dass ich schon alt bin. Der Sound von den Skinflicks ist dreckig und geil, so wie das sein muss. Interviews lese ich keine mehr, das nimmt einem jede Illusion. Ich hasse smart phones, W-LAN und diese ganze Kacke. Punk ist tot, leider. Ich respektiere aber jede Unternehmung die wenigstens daran erinnert. Macht nur nicht den Fehler diesen Posern heute noch irgendetwas abzunehmen. Das sind gelqangweilte, verwöhnte, bösartige und respektlose Kinder die früher sofort eines in die Fresse bekommen hätten. Ich gebe einen Fick auf PC. Lasst euch nicht so weich waschen Leute. Geiler Sound, Danke dafür.

  3. Fand den Teil zum Thema Hipster/Gentrifizierung stark. Allerdings kann man in Deutschland auch Hipster mit (Möchtegern-) Punks gleichsetzen. Oder wie sieht das aus den ganzen Richkids die nach Berlin ziehen und meinen sie sind total fancy in ihrer Neuköllner/Kreuzberger WGs, immer im Wissen, dass man notfalls sofort zurück zu Mami und Papi kann, während der einfache Arbeiter, der schon immer da war, sich die Miete nicht mehr leisten kann (huhu Marcell…)

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