Manchmal, in Zeiten, in denen man sich tatsächlich schon fast überwinden muss, Musik zu hören und so gar nicht den Kopf frei hat, sich in Neues reinzuhören, kommt eine hartnäckige, aber charmante Anfrage daher, die man nicht ausschlagen kann.
Also überwindet man sich reinzuhören und ist: hin und weg.
So ging es mir, als ich zum ersten Mal – blank – von Among Familiar Faces hörte. Die fünf Track starke EP hat es tatsächlich geschafft, mich aus meinem momentanen Corona-Loch zu holen.
Aber von vorn: Die fünfköpfige Band aus dem Raum Wolfsburg gibt es bereits seit 2014, als die beiden Cousins Damian Ullrich (Vocals) und Marvin Ullrich (Gitarre) zusammen mit Sascha Drost (Drums) anfingen, Hardcore im Stil von Defeater und Being As An Ocean zu spielen. Mit Bastian Nüsse (Gitarre) und Tobias Altesleben (Bass) komplettierte sich die Band 2015 schließlich.
Und Among Familiar Faces scheinen wirklich vollkommen zu sein. Ein abwechslungsreiches Songwriting kombiniert energetischen Hardcore mit melodischen, fast schon poppigen Parts. Was bei vielen Bands nur wie zwei aneinander gereihte Stile klingt, wirkt bei Among Familiar Faces so unglaublich schlüssig und natürlich.
Zugegeben, die Melodien sind so ganz sicher schon einmal da gewesen, aber die Umsetzung macht die Songs so besonders. So wie auch der Gesang. Die Stimme von Damian Ullrich bewegt sich irgendwo zwischen Schreien und Singen und jagt mir spätestens dann Gänsehaut über den Rücken, als sie zu den ungewöhnlich intonierten Spoken Words ansetzt.
Die Songs auf – blank – sind abwechslungsreich und zeigen wie vielseitig Among Familiar Faces sind. Escape ist ein großartiger Opener, der mich mit wabernden Distortionteppichen, scharfen, hallenden Gitarrensoli und einem druckvollem Schlagzeug in den Bann zieht. Genau die richtige Mischung aus punkiger Rauigkeit und melodischem Screamo, die irgendwie klingt, wie guter alter 2000er Emocore. Nur frischer und moderner. Der Song und seine Zerrissenheit nehmen mir beinahe die Luft zum Atmen.
Ausweglosigkeit ist tatsächlich das Thema:
„Blind to the colours the sky holds above / So, I cut my eyelids to catch a glimpse / Of what was promised behind the haze / I fooled myself, starring into space“
Track no. 2, Skin, prescht deutlich mehr nach vorn. Besonders auffällig ist auch hier das Schlagzeug, das seine unglaubliche Präsenz zum Ende hin noch einmal in einem ungewöhnlich ratternden Sound entlädt. Die cleanen, tiefen Gitarrenmelodien und der Sprechgesang jagen mir auch hier wieder einen Schauer über den Rücken.
Abandoned zeigt, dass Among Familiar Faces noch eine Spur härter können. Und schneller! Wahnsinn, was das Schlagzeug hier abliefert. Und die Dynamik und die Intensität halten trotz Bridge und Rhymenwechsel stand. Wer bittersüße Melodien in wuchtig mag, wird hier sein Herz verlieren.
Der Titel Track – blank – ist dagegen viel rockiger, denke ich. Doch: wait for it! Wenn du denkst, du weißt wie der Song läuft, kommt eine Bridge und dann noch ein fanatisch-düster klingendes Ende! Solche Songs werden heute gar nicht mehr geschrieben, denke ich.
Die EP – blank – findet ihr fulminantes Ende in einem Song, den ich so nicht erwartet hätte und der mich mehr als positiv überrascht. It draws circles on the back of my hands ist todtraurig und melancholisch ohne kitschig zu wirken – ein Melodic Hardcore Song aus dem Bilderbuch! Episch, wunderschön, mit einer Melodie, die so tatsächlich noch nicht in meinem Gedächtnis hockt. Und mit Lyrics, die schmerzhaft schön sind:
„Drowning in my own mind, convulsing with every breath / I tear myself into pieces to keep the light alive“
Ich muss die Augen schließen, mitsingen, mitwippen und verliere mich komplett in dem Song! Als der letzte Ton verhallt ist, bleibe ich sprachlos zurück und dankbar.
– blank – besser hätten Among Familiar Faces ihre EP nicht benennen können. Sie lassen alles heraus, machen sich blank und frei von allem, was ihnen auf dem Herzen liegt und im Kopf rumschwirrt. – blank – ist eines der vielseitigsten und ausgereiftesten Newcomer-Werke, das ich je gehört habe. Danke Among Familiar Faces, für diese Platte, danke für eure Leidenschaft und Hingabe! Bands wie ihr seid es, die mir klar machen, warum diese Musik für mich so unglaublich wichtig ist.
– blank – (unsigned) wurde produziert von Sören Kucz (Klanggeist Studio) und steht euch zum Download unter Bandcamp und bei allen bekannten Streaming-Diensten bereit.
Das hoffentlich bald erscheinende Full Length Album gibt es dann hoffentlich in wunderschönem Vinyl, denn das ist Musik, die man zelebrieren muss!
Tracklist
- Escape
- Skin
- Abandoned
- Blank
- It draws circles on the back of my hands