Die US-Amerikaner Koyo starten derzeit voll durch. Nach einer erfolgreichen Tour mit Knocked Loose und Kublai Khan TX im eigenen Land war es nun Zeit für die nächste Europator. Mit Stick To Your Guns, Get The Shot und End It hatte man sich auch dafür Schwergewichte der Szene ausgesucht.
Man könnte angesichts der melodischen Ausrichtung Koyos denken, dass diese Bands für gemeinsame Auftritte nicht wirklich passend sind. Sänger Joey sieht das genau anders: „Das hat doch schon fast Festivalcharakter. End It machen neuartigen Oldschool, Get The Shot zerlegen einfach alles und Stick To Your Guns haben tolle Melodien mit Breakdowns, dass die Kacheln von der Wand fliegen. Wir integrieren halt noch mehr Melodie mit ein. Aber im Prinzip sind wir doch alle Rockbands, die einen mehr, die anderen weniger. Es gibt eine Menge Leute da draußen, die solch eine Mischung verschiedener Stilrichtungen richtig gut finden. Wenn alle ähnlich klingen, kann ein Konzertabend ziemlich lang werden.“
Der Frontmann schien recht zu behalten, denn Abend für Abend bekam die Band aus New York mehr Zuspruch vom Publikum und auch der Merchstand wurde häufiger frequentiert. Dabei entstand die Combo eher spontan als Sideprojekt: Im Herbst 2019 startete Joey, der damals u.a. als Mercher für Vein FM mehrere Europatourneen begleitetet, mit einigen Freunden aus Kindertagen verschiedene Nebenprojekte. Zu diesen Freunden gehörte Harold, der damals bei Hangman Gitarre spielte, sowie anderen Musikern, die bei Rain of Salvation und den in San Diego ansässigen SeeYouSpaceCowboy gespielt hatten.
„Mit Harold bin ich schon fast mein ganzes Leben eng befreundet. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und haben hier in Long Island gemeinsam die Liebe zum Hardcore entdeckt. Wir sind überall hin, haben von Agnostic Front über New Found Glory oder Taking Back Sunday alles gesehen. Zwei Brüder von unterschiedlichen Müttern.“ Zwei dieser Nebenprojekte kamen schließlich auf den Weg, Koyo und Soul Provider, bei denen es sich im Wesentlichen um dieselbe Band handelt, wobei Joey bei ersterem den Leadgesang übernahm und Harold bei letzterem.
Soul Provider widmete sich der Liebe zu hartem Hardcore, während sich Koyo an melodischem Hardcore und Emo orientierte und so die Geschichte New Yorks bzw. Long Islands in diesem Bereich weiter vorantrieb. Historische Vorbilder waren Silent Majority, The Movielife und frühere Taking Back Sunday. „Sehr früh war uns klar, dass wir die Geschichte der HC-Szene von Long Island weiterschreiben müssen. Da gab es einerseits diese harten Truppen wie Glassjaw oder Crime In Stereo. Andererseits auch diese großartigen emotionalen Melodyrockbands wie Brand New oder Thursday. Und alle haben zusammen abgehangen oder sind gemeinsam auf Tour gewesen“, sagt Joey. „Wir wollten diesen Spirit in einer Band vereinen und Härte und Melodien gut miteinander verknüpfen.“
Nachdem beide Bands etwas Material geschrieben hatten, kontaktierte man einen alten Bekannten namens Chris Rini (Pain Of Truth), der ein eigenes Tonstudio besitzt und man nahm gleichzeitig die Debütveröffentlichungen auf. Einmal das Demo von Soul Provider (V.Ö. im Dezember 2019) sowie Koyos EP Painting Words Into Lines.
Diese erschien am 14. März 2020, drei Tage bevor alle Veranstaltungsorte, Nachtclubs, Bars und Restaurants in New York aufgrund der COVID-19-Pandemie geschlossen wurden. Die Leute hatten wohl genug Zeit zum Musik hören, denn als gut ein Jahr später wieder Live-Konzerte möglich waren, wollte jeder Koyo live sehen. Painting Words Into Lines war im Internet regelrecht viral gegangen. „Wenn uns Leute in Florida, Kalifornien oder wo auch immer hören und sehen wollen, dann ist das doch großartig. Wir alle haben eineinhalb Jahre unseres Lebens verloren. Als junger Mensch ist das unglaublich lange. Wir wollten das wieder gutmachen und sind nahezu überall hingefahren, um Konzerte zu spielen.“, sagt Joey.
Während der Tour unterschrieb die Band dann einen Vertrag beim beliebten Hardcore-Label Triple B und veröffentlichte dort eine zweite EP mit dem Titel Drives Out East. Für den Sound war wieder Chris Rini verantwortlich. The story goes on: Auch diese EP war schnell ausverkauft und die Band stieg weiter empor.
Größere Plattenfirmen wurden auf die New Yorker aufmerksam, so dass man im März 2022 bekannt gab, das Debütalbum bei Pure Noise Records zu veröffentlichen. Koyo hatten einen Plattendeal und kurz darauf die oben angesprochene Tour mit mit ihren jetzigen Labelkollegen Knocked Loose. Joey sagt, dass die Band anfangs ein wenig besorgt war, den Sprung zu einem größeren Label zu wagen, aber letztendlich zu dem Schluss kam, dass „damit eine gewisse Verpflichtung einhergeht, nicht nur gegenüber der Plattenfirma, sondern auch gegenüber uns selbst.“ Dass Koyo lieferten, sieht man auch an unseren Doppelreview zum Debütalbum Would You Miss It?. „Mit diesem Album wollten wir inhaltlich ein Statement abgeben und außerdem allen zeigen, dass wir uns musikalisch auf ein höheres Niveau entwickelt haben. Außerdem wollten wir ein weiteres Kapitel in der Geschichte des melodischen Hardcore und Emo von Long Island aufschlagen.“
Über die inhaltliche Ausrichtung der Platte verrät er folgendes: „Jahrelang habe ich mich im Musikbereich abgerackert. Beschissene Arbeit, um ein paar Tage touren zu können. Kaum Schlaf, richtig ekelhaftes Essen. Und dann noch Leute, die mich einen faulen Sack genannt haben. Mich hat das alles irgendwie psychisch eingeholt und ein Großteil der Platte dreht sich nur darum, sich über Menschen zu ärgern, die einen beleidigen sowie im Stich lassen. Und auch darüber, wenn die Welt einen im Stich lässt“, fährt er fort. „Aber auch ein großer Teil der Platte dreht sich um Liebe und Gemeinschaft, wie Anthem. Denn neben der ganzen Scheiße, die ich als Musiker erlebt habe, gab es auch so tolle Momente, dass ich immer noch Tränen in den Augen hab, wenn ich daran denke. Außerdem gibt es Songs, auf denen ich auch mal andere Themen als sonst angehe. Bei Flatline Afternoon geht es um eine Stoffwechselerkrankung: Ich bin Typ-1-Diabetiker und das bedeutet für mich, dass ich krank bin, auch wenn ich mich nicht immer krank fühle. Ist nicht wirklich ein cooles Gefühl.“
Als Vermächtnis von Would You Miss It? gibt Josh an, dass dieses Album bestimmt nicht als Antwort auf den ganzen negativen Scheiß der Welt herhalten kann, aber „es gibt einem Trost und das Wissen, nicht alleine zu sein. Und Textpassagen, die es wert sind, aus voller Kehle herausgeschrien zu werden!“