Die Froide war groß als Loikaemie im Frühjahr diesen Jahres mit dem Back To Future ihre erste Show seit ihrer eigentlichen Auflösung im Jahr 2014 bekanntgaben. Mindestens genauso erfreulich war dann die Ankündigung, dass der Auftritt keine einmalige Sache bleiben soll und weitere folgen sollen. Doch so richtig war einem auch nicht klar, ob die einflussreiche Oi!-Punk-Band nun wirklich gänzlich zurück ist, oder Loikaemie nach den geplanten Shows wieder in ihren Ruhestand verschwinden. Umso mehr waren wir über folgende Aussage von Loikaemie-Sänger und -Gitarrist Thomas Wettermann erfreut:
Wir […] sind gekommen, um zu bleiben.
Wie es zum Comeback letztendlich gekommen ist, was Loikaemie nun geplant haben und was sich seit der Auflösung geändert hat, erfahrt ihr hier in unserem Interview mit Thomas.
Interview mit Thomas von Loikaemie
AFL: Ihr habt in diesem Jahr auf dem Back To Future eure erste Show seit eurer Auflösung gespielt, denen im Sommer 2020 weitere folgen werden. Zunächst einmal: Wie war es so wieder auf der Bühne zu stehen? Und sind darüber hinaus weitere Shows von euch geplant, so dass man sagen kann, dass die „Comeback“-Shows keine einmalige Sache sein werden und ihr endgültig zurück seid? Oder ist nach den geplanten Konzerten wieder Schluss mit Loikaemie?
Thomas: Als wir uns wieder zusammengefunden hatten und beschlossen haben Shows zu spielen, war das nicht so klar wie es weitergeht. Die Reaktionen und Resonanzen zeigten uns allerdings, dass es nicht bei einer einmaligen Sache bleiben wird. Als wir dann auf dem Back To Future gespielt haben war das noch viel mehr klar für uns. Es war berauschend. Die Abschiedskonzerte 2014 waren schon sehr emotional. Die Zeit vor, während und nach dem Auftritt 2019 waren noch emotionaler. Viele Leute sagten, es ist wichtig das wir wieder da sind. Wir sehen das genauso und sind gekommen, um zu bleiben. Wir planen gerade für 2020 und 2021 und das Ruhrpott Rodeo und das Resist To Exist Festival sind bestätigt. Weitere Konzerte werden folgen und wir hoffen, Ende des Jahres alles bekanntgeben zu können.
AFL: Wie lief das mit dem Back To Future: Ihr habt eine Anfrage bekommen und dann gemerkt, dass ihr eigentlich Bock darauf hättet? War eigentlich eine einmalige Show geplant, aus der sich dann mehr ergeben haben. Wie lief es ab und was war der finale Initiator für eure Entscheidung wieder Shows zu spielen?
Thomas: Es war ein bisschen anders. Wir haben schon 2018 überlegt, ob wir nicht spontan spielen. Wir stellten fest, dass wir zufällig alle da sein werden und da lag es auf der Hand zu überlegen, ob wir spielen. Leider war es dann doch zu spontan und scheiterte an der Umsetzung. 2019 wurde dann besser geplant. Wir fragten bei dem Veranstalter an, ob er sich vorstellen könnte Loikaemie spielen zu lassen. Die Antwort war natürlich klar und so kam der Auftritt zustande. Man muss dazu sagen, dass wir die Veranstalter schon seit Jahren kennen und die ganze Sache relativ schnell in Sack und Tüten war.
Wir machen wieder das, was eine Band macht. Proben, Konzerte spielen und ein neues Album fertigstellen…
AFL: Was habt ihr in den vergangenen fünf Jahren nach eurer Auflösung so gemacht? Wart ihr weiter in der Szene aktiv?
Thomas: Zuerst einmal haben wir uns verstreut und jeder hat sein Ding gemacht. Eddie spielt noch bei Mirror Monkeys und Pestpocken und hat inzwischen Familie usw. und ist gut eingespannt. Bruno verdient seinen Lebensunterhalt mit Schlagzeug spielen und baut, mit Rockstroh Drums, Schlagzeuge. Paul ärgerte sich noch immer, dass Loikaemie sich aufgelöst haben und war natürlich sofort zur Stelle. Was mich betrifft: Ich habe mein Leben geordnet und bin nach Leipzig zurückgezogen, was letztlich auch der Grund war wieder zu spielen. In der Szene war ich nur insofern aktiv, dass ich das Ganze aus der „Ferne“ beobachtet und verfolgt habe. Natürlich bin auch ich weiterhin auf Konzerte gegangen und habe Freundschaften gepflegt. Ich muss aber auch sagen, nach fast 30 Jahren Aktivität in und für die Szene, war ich froh mal ein bisschen Abstand zu gewinnen.
AFL: Kann dann auch mit neuer Musik von euch gerechnet werden, oder ist das zunächst kein Thema? Ihr hattet ja eigentlich geschrieben „keine Reunion, keine neue Platte, nur Spaß an der Freude und unsere Lieder“ – ist das immer noch so?
Thomas: Wir haben nicht viel Zeit. Das bisschen Zeit was bleibt geht für Proben, Konzerte und proben für ein neues Album drauf. Um also deine Frage zu beantworten: Nein, ist es nicht. Wir machen wieder das, was eine Band macht. Proben, Konzerte spielen und ein neues Album fertigstellen, aber alles mit viel mehr Zeit und Ruhe und wenn es noch 3 Jahre dauert, ist es halt so.
Loikaemie waren nie eine unpolitische Band […] wenn wir die Möglichkeit haben, Leute zum Wählen zu mobilisieren, tun wir das als Menschen und nicht als Skinheads.
AFL: Falls es eine neue LOIKAEMIE-Platte geben würde, was wären die Themen, die ihr in euren Songs so behandeln würdet?
Thomas: Da lassen auch wir uns überraschen. Auf jeden Fall nichts unpolitisches…
AFL: Apropos unpolitisch; ihr habt über Facebook mehrfach Leute zum Wählen aufgefordert, um Parteien wie allen voran die AfD Stimmen wegzunehmen bzw. Menschen davon abzubringen die AfD zu wählen. Neben viel positiven Feedback, das hoffentlich bei möglichst vielen auch zum eigentlichen Ziel geführt hat, gab es auf der anderen Seite auch Leute, denen es weniger gefallen hat. So wurde euch in einigen Kommentaren vorgeworfen, dass für das was ihr einmal standet, nämlich unpolitische Oi!-Musik, nicht mehr ist und ihr eure Ideale verraten hättet.
Thomas: Das ist richtig und gleichzeitig Unsinn. Das sich eine Subkultur als unpolitisch versteht ist eine Sache – obwohl man sagen muss, dass auch Oi!-Musik nie wirklich unpolitisch war. Eine andere Sache ist, dass wir im Jahr 2019 leben und nicht 1969. Was die Subkultur betrifft wäre es natürlich wünschenswert, dass sich alle politischen Einflüsse abseits davon bewegen. Da das aber leider NIE der Fall war und Nazis immer versucht haben die Skinheadkultur für sich zu vereinnahmen, waren Loikaemie auch NIE eine unpolitische Band. Und wenn wir die Möglichkeit haben, Leute zum Wählen zu mobilisieren, tun wir das als Menschen und nicht als Skinheads.
Wie seht ihr solche Kommentare? Hättet ihr solche Statements schon vor 10 oder 20 Jahren gemacht?
Thomas: Zu den Kommentaren…leider kann man die Kommentarfunktion nicht abschalten, deshalb werden uns solche Kommentare immer begleiten. Anonym im Netz seine Meinung ungefragt zu verbreiten ist mittlerweile ein beliebtes Mittel geworden, um zu stänkern. Vor 10 oder 20 Jahren waren solche Kommentare gar nicht notwendig, weil ein Typ wie Björn Hoecke (Faschist) gar nicht auf dem Wahlzettel stand. Der gesellschaftliche Wandel lässt uns solche schlimmen Sachen tun, wie Leute zum Wählen aufzufordern. Oi!
…besinnt euch darauf, was Punkrock und Skinhead einmal ausgestrahlt haben. Unangepasstes Verhalten! Laut und rotzig wollten wir sein. Was gibt es heute? Weichgespülte Musik, inhaltlose Texte, ungefährliche Figuren…
AFL: Zum Schluss noch ein paar Schlagworte. Was kommt euch dabei als erstes in den Sinn?
- Greta Thunberg: Das Mädchen hat Recht. Auch ihre Art und Weise finde ich gerechtfertigt. Die Hauptverantwortlichen (Politik und Industrie) richten diesen Planeten zu Grunde. Aber es ist nicht nur das. Auch im Kleinen kann man etwas bewegen und da sollte jeder von uns vor seiner eigenen Haustür kehren und nachdenken, was wir unseren Kindern für eine Welt hinterlassen wollen. Ich weiß, dass dieses Thema sehr emotional betrachtet wird und die Diskussionen noch viel emotionaler geführt werden, aber irgendwann wird es uns alle betreffen. Diese Welt wird irgendwann nicht mehr so sein, wie wir sie noch kannten.
- Straight Edge: Auch wenn die Antwort das Klischee erfüllt…nix für uns aber auch kein Problem für uns. Da vertreten wir eher das Motto – Jeder hat ein Recht auf Rausch.
- Europameisterschaft 2020: Ich glaube, dass es ok ist, wenn ich für die ganze Band spreche: WM, EM usw. interessieren uns insofern nicht, weil es ein korrupter Haufen Arschlöcher schafft das Thema Fußball auf eine Ebene zu heben wo es anscheinend nicht interessiert wer wo spielt und wer das ausrichtet. Russland, Katar, Brasilien, um nur die aktuellen Beispiele zu nennen, dienen der Massenunterhaltung. Die Römer haben es schon vorgemacht. Brot und Spiele und das Volk hält die Schnauze. Schaut man allerdings genauer hin dient es nur einem Zweck. Selbsterhalt und volle Konten. Ekelhaft. Braucht keine Sau. Und mal ganz nebenbei: Die Spieler sind auch nicht von einem anderen Stern und könnten sich klarer positionieren und nicht jeden Scheiß mitmachen.
- Favorite Band: Gibt’s eigentlich nicht. Dafür sind wir musikalisch viel zu breit aufgestellt.
AFL: Vielen Dank fürs Zeit nehmen! Habt ihr noch irgendwas, das ihr loswerden möchtet?
Thomas: Ein Herzenswunsch von Loikaemie ist…Leute: Denkt nach und besinnt euch darauf, was Punkrock und Skinhead einmal ausgestrahlt haben. Unangepasstes Verhalten! Laut und rotzig wollten wir sein. Was gibt es heute? Weichgespülte Musik, inhaltlose Texte, ungefährliche Figuren, Deutschrock, und Sänger – von angeblichen unpolitischen Bands – die sich mit Nazis fotografieren lassen, Mode und Konsum, Festivals mit durchwachsener Authentizität, und und und. Wir wollen ja nicht nur motzen, aber früher war es anders… 😉
Loikaemie live 2020
23. Mai 2020 – Conne Island Open Air, Leipzig
03. – 05. Jul. – Ruhrpott Rodeo, Hünxe
31. Jul. – 02. Aug. – Resist To Exist, Berlin
[…] Thomas Wettermann resigned at the end of 2019 in an interview with usthat they are working on songs for a new album. In September 2021, the band got down to business and […]