More Everything – Das Band-ABC: The Conversions

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So, nach langer Zeit stell ich mal wieder eine Band vor: The Conversions aus Boston (USA). All zu viel Konkretes gibt es auf den ersten Blick über die Band, welche zwischen 2005-2008 existierte, nicht zu sagen. Ihr Stil wurde bisweilen eingeordnet unter: Man liebt sie, oder hasst sie. Dies liegt zum einen an der Sperrigkeit und zeitweisen Entrücktheit im Songwriting, zum anderen wohl am beinahe vollständigen Verzicht auf Bombast. Geschmacksache nennt man das dann gemeinhin.

 

Bild-Quelle: https://www.discogs.com/de/artist/2402460-Terry-Cuozzo

Dabei ist die musikalische Basis von The Conversions nichts exotisches, sondern Hardcore/Punk in seiner puristischen Form. Dazu eine sehr bissige, krächzende, wenig nuancierte Stimme von Sängerin Terry Cuozzo, die immer wieder so klingt, als würde sie demnächst brechen – SS Decontrol und so weiter. Während gewissen Passagen hat man das Gefühl, an einer Jam-Session von Leuten dabei zu sein, welche erst drei Töne gelernt haben. Melodien sind dabei reiner Zufall und unnötige Eitelkeit.

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Man merkt aber ziemlich schnell, dass die 4 Musiker nicht nur sehr genau wissen, was sie tun, sondern auch echte Musikliebhaber sind. Denn in dieses rohe Geklampfe werden allerlei Einflüsse aus Oldschool-Scremo, Grunge, Noise, Postrock, Rock’n’Roll und anderer Gitarren-Musik eingeflochten. Das hat schon dazu verleitet, die Musik als Free-Jazz beeinflussten 80er Hardcore zu beschreiben. Die Assoziationen, welche in der Regel mit Free-Jazz gezogen werden, passen hier aber glücklicherweise nicht, auch wenn die Bezeichnung gar nicht so schlecht ist.

Denn das Charmante an The Conversions ist, dass sie das alles so klingen lassen, als hätte ganz einfach der Frust an der Langeweile sie dazu animiert, sich irgendeine ungestimmte Gitarre auf dem Flohmarkt zu kaufen, um an Samstagnachmittagen Bier zu trinken und im Keller der Eltern zwischen zusammengerollten Teppichen und alten Zeitungen auf ihre Instrumente einzudreschen. Also eher wortwörtlich Garage-beeinflusst, als intellektualisierter Jazz, wobei man sowohl die Liebe zu genanntem 80er Hardcore, aber auch zum 70er Punk nicht nur deutlich hört, sondern eben auch fühlt.

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Bild-Quelle: https://girlandqueerbands.neocities.org/theconversions.html

Ich persönlich fühle mich dabei wie in eine andere Zeit versetzt, als hätten The Conversions 15 Jahre früher existiert und an heissen Nachmittagen Konzerte in ihrem eigenen Zuhause organisiert. Jugendliche mit Jeansjacken und selbst mitgebrachten Bierdosen in den Händen, welche sich in viel zu engen Räumen herumschubsen. Essen, das für alle reicht, und im Anschluss Kollekte. Konzerte und Bands, welche animieren, selbst etwas auf die Beine zu stellen: Bei Shows zu helfen, Flyer zu zeichnen, zu kochen oder zu nähen und basteln, oder eben eine Band zu gründen, auch wenn niemand ein Instrument beherrscht – sich einfach zu involvieren, statt nur auf etwas zu warten: DIY. Dies in eine Musik zu packen, welche so aus dem Ärmel geschüttelt klingt, und doch viel mehr in sich vereint, ist nicht einfach – macht aber zumindest mir einen riesen Spass.

Die musikalische Bandbreite von The Conversions punktuierter zu sezieren tue ich mich eher schwer. Zum einen fehlen mir teilweise die Bezüge, was letztlich auch ein Merkmal von The Conversions sein kann, zum anderen möchte ich sie auch einfach so pur geniessen, wie sie bei mir ankommen. Auch das Internet scheint sich nicht festlegen zu wollen. Mit Fucked Up, Pissed Jeans und Kill Your Idols haben The Conversions anscheinend dereinst auf der Bühne gestanden. Die beiden grossartigen Bands Some Girls, mit dem American Nightmare-Sänger, oder Celebrity Murders, bei welchen mit Brian Meehan und Michael De Lorenzo gleich zwei Kill Your Idols-Mitglieder mitwirken, hatte ich im Kopf. (M. De Lorenzo spielt ausserdem noch bei Sheer Terror, S.S.S.P. sowie einigen weiteren). Die Ähnlichkeiten sind jedoch bei beiden eher gering, da vor allem Celebrity Murders klanglich in eine andere Richtung gehen und beide doch etwas geradliniger, gefasster und moderner zu Werke gehen. Retox, deren Sänger Justin Pearson zuvor auch schon bei Some Girls Bass gespielt hatte, haben einen ähnlich dissoziativen Stil, jedoch ohne das Rudimentäre, Entblösste von The Conversions. Letters In Binary und verwandte Gruppen legen den Schwerpunkt wiederum deutlicher auf experimentellen Screamo/Mathcore. Bei wem die 80er Alben nicht nur aus historischen Gründen im Regal stehen, kann sicher mal hier reinhören.

 

 

Self-Titled EP (2006)
Lyric-Sheet (zum Vergrössern: Klicken)

Grosse Randbemerkung: Bei Lastfm steht die Band Libyans aus Boston an erster Stelle als vergleichbarer Künstler. Diese sehr coole Band hat durchaus Parallelen, ist näher an aktuellem Post-Punk/Post-Hardcore, integriert aber auch sehr geile 70s/80s-Einflüsse und musste einfach mal erwähnt werden. The Heads Are Zeros aus Maryland (USA) sind mir gerade noch eingefallen, da nicht nur die Stimme einige Ähnlichkeit aufweist, sondern durch die Noise-Einflüsse auch einige Passagen durchaus aneinander erinnern. Insgesamt spielen The Heads Are Zeros aber eher Grind-beeinflussen Post-Hardcore, oder moderneren Metal-/Math-Screamo, somit ohne vordringlichen 80er-Einfluss, sind aber auf jeden Fall auch eine Hörprobe wert.

The Conversions haben während ihrer Zeit neben einer Demo, einer Split-EP und einer selbstbetitelten EP zwei Alben veröffentlicht. Prisoners‘ Inventions aus dem Jahr 2007 ist das Geläufigere, da das zweite Album Spineless Wonders erst 2010 und somit nach ihrer Auflösung herauskam. Dieses ist insofern auch nicht einfach zu finden. Terry Cuozzo sang nachher noch in Foreign Object, zusammen mit Dan Barker, dem Drummer von Libyans, und Meghan Minior, der Bassistin der absolut genialen Oldschool-Screamo-Band Ampere. Die anderen drei gründeten zusammen mit Jeff Walker, dem Sänger von Balance Of Terror, Social Circkle und Bloody Gears eine neue Band namens Vile Bodies. Auch General Interest ging aus The Conversions hervor.

 

Prisoners‘ Inventions (2007):

Trackliste:

  1. The Answer
  2. Basement Escapism
  3. What’s Worse
  4. Big Game
  5. Fallible
  6. The Process
  7. R.I.O.
  8. Prisoners‘ Inventions
  9. Point B
  10. From Outside
  11. This Is Only A Test
  12. Stanford
  13. Crusade
  14. Every Phase

 

Spineless Wonders (2010):

Trackliste:

  1. Boiling Point
  2. Consolation Prize
  3. Specifics
  4. The Front Lines
  5. Passing Through
  6. No One Is Watching
  7. Adverse Reaction
  8. Cause And Effect
  9. Projectiles

 

 

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– Playlist: Happy Release Day

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