Tiger Army aus dem sonnigen San Francisco sind eine echte Psychobilly- und Punkrockinstitution. Über 20 Jahre bestehend, sechs veröffentlichte Longplayer, zwei Ep´s und dazu mit Retrofuture ein „Geniestreich“ (Kollege Gripweed im Review zur aktuellen Platte) im Gepäck  – ein ganzer Sack voll Argumente, um sich die Band live anzusehen.

Bevor The Sewer Rats allerdings den Abend eröffnen dürfen, muss erstmal die Location aufgesucht werden, die inmitten der Reeperbahn in einem blinkenden Neubau eingebettet liegt. Innerlich kam bereits Trauer auf ob der Verlegung des Konzerts von der wunderschönen Fabrik in den mir bisher unbekannten Bahnhof Pauli, welcher aufgrund seiner Lage eher für Gentrifikation als für Punkrock-Attitüde steht. Mit dieser Antihaltung also los in den Club, und siehe da: Es erstrahlt ein gemütlicher, enger und wirklich hübsch aufgemachter Club, der optisch einer einer Hamburger U-Bahnstation nachempfunden wurde. Fünf von fünf Sterne für den Club, den restlichen Bunker könnt ihr gerne wieder abreißen und bezahlbaren Wohnraum bauen (Zum Hintergrund)

The Sewer Rats dürfen den Konzertabend eröffnen und tun dies wirkungsvoll. Der kneipenkompatible Punkrock der vier Kölner kommt beim Publikum gut an, wenn auch nicht unbedingt euphorisch. Mir gefallen die knapp 30 Minuten (+-) ganz gut und auch das Bier schmeckt – so kann ein Sonntagabend beginnen.

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The Sewer Rats

Grave Pleasures aus Finnland wirken in den ersten Tönen etwas deplatziert im Setting, was sich jedoch relativ schnell ändern sollte. Der mir bisher unbekannte, mystisch anmutendende Post-Punk des Bandfünfers beginnt etwas für mich gewöhnungsbedürftig und darkwavig, wächst jedoch von Song zu Song. Das liegt auch an der Bühnenpräsenz der Bandmitglieder, die allesamt in schwarz gekleidet auftreten, allesamt in anderen Stoffmaterialien. Frontsänger Mat McNerney trägt Samt, Drummer Rainer Tuomikanto ne Lederkutte, die restlichen sind irgendwo zwischen Lederjacke und T-Shirt angesiedelt – irgendwie schräg und stimmig zugleich. Mat McNerney zieht zugleich meine charmante Begleitung in seinen charismatischen Bann, was nicht nur an dessen raumfüllenden Ausstrahlung liegt, sondern zugleich an seiner düsteren und fast schon hypnotischen Aura. Singen kann der Herr auch noch, das einzige Manko ist der schwankende Sound mit höllisch lauten Ausreißern. Trotzdem ein starker Auftritt bei für mich gewöhnungsbedürftiger Musikrichtung.

Grave Pleasures

Tiger Army lassen nach der Umbaupause, in der eigentlich gar nicht wirklich umgebaut wird, eine ganze Zeit auf sich warten. Zeit, in der der Geschmack des Bieres nochmals überprüft wird. Fazit: Auch das zweite und dritte schmecken hervorragend. Anschließend noch einen Kollegen der „Sektion Fussball“ getroffen und sich gegenseitig von den ersten Tiger Army-Platten vorgeschwärmt, als es gegen 22:30 Uhr endlich losgeht. Was in den folgenden über 60 Minuten folgt, war eine Mischung aus allen Tiger Army Veröffentlichungen, inklusive des grandiosen Fuck The World  von der Early Years Compilatition . Jeder Song wurde musikalisch in Perfektion dargeboten, vor allem stimmlich war dieser Auftritt von Nick13 eine Wucht. Jeder Ton wurde so routiniert und perfekt getroffen, dass man fast glauben konnte, eine Platte liefe im Hintergrund. Dabei ging trotzdem zu keinem Zeitpunkt das Live-Flair verloren. Keine Ahnung wie diese Kombination möglich ist, Tiger Army bekommen es auf jeden Fall hin.

 

Weitere Lieder hervorzuheben wäre an dieser Stelle nicht zielführend, da von den ersten bis zu den letzten Tönen der kalifornischen Psychos einfach alles stimmig war. Auch die Bandvorstellung inklusive Kontrabass-Solo ist für mich als Freund härterer Klänge eine willkommene Abwechslung und pure Freude zugleich. Für den Psycho an sich wahrscheinlich eher Tagesgeschäft, trotzdem wurde das Solo genauso wie der restliche Auftritt mit euphorischen Applaus honoriert. Somit schien ich nicht der einzige Begeisterte zu sein, was die Band wohlwollend aufnahm.

In Erinnerung bleibt somit ein durchweg positiver Konzertabend mit zwei äußerst unterhaltsamen Supportbands, leckerer Hopfenkaltschale und einem gruselig-starken Auftritt von der Tiger Army. Auch heute, wenige Wochen nach dem Gig, frage ich mich, wie Nick13 diese stimmliche Kontinuität hinbekommt. Dieser Abend beweist, was Fans des Psycho-Dreiers und die Band selbst seit jeher propagieren: „Tiger Army Never Dies“.

 

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– Playlist: Happy Release Day

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