UNITED & STRONG im Interview zu „Colorblind“

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United & Strong zählen möglicherweise zu den Hardcore-Bands aus Deutschland, die in den meisten Ländern auf Tour waren. Sei es Russland, Türkei, Marokko oder Brasilien! Dass die Berliner in dieser Zeit so einiges erleben konnten, versteht sich von selbst!

Wir hatten Sänger Christian und Gitarrist Flo nun zu ihrer „Reiselust“ und ihrem neuen Album Colorblind im Interview.

Interview mit Christian und Flo von United & Strong

United & Strong in Györ, Ungarn (Bild by Dàniel Streer)

Wir sind keine „Früher-War-Alles-Besser“-Typen, ganz im Gegenteil. Die Gefahr Relevanz zu verlieren, gab es im Hardcore/Punk vermutlich von Anfang an.

AFL: Hey, alles klar bei euch? UNITED & STRONG ist bereits seit 2001 unterwegs. Mit COLORBLIND habt ihr erst vor ein paar Tagen euer zweites Studioalbum veröffentlicht. Euer erstes Album TRANSIT erschien 2009. Das sind schon enorme Zeiten zwischen Gründung und den Alben! Lasst ihr euch bewusst so viel Zeit oder haut es zeitmäßig einfach nicht hin, dass ihr bisher mehr Material herausgebracht habt?

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Christian: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer ist sicherlich, dass wir keine Proberaum-Band sind, sondern den Fokus auf Live spielen legen. Das bedeutet, dass wir lieber Zeit und Geld ins Touren investieren. Wo sich andere Bands eher mal für 2 Wochen ins Studio bzw. Proberaum verdrücken um ein Album aufzunehmen, kaufen wir Flugtickets, nehmen uns Urlaub und gehen in Brasilien auf Tour. Seit 2008 sind wir jedes Jahr regelmäßig getourt. Ein weiterer Grund in der jüngeren Vergangenheit ist auch, dass Bianca und Micha mittlerweile 2 Kinder haben und wir zwar für Shows Marv, Aike und Robin haben als Aushilfe aber eben nicht zum Album schreiben und aufnehmen.

AFL: Als ich die die CD zu eurem neuen Album in die Anlage gelegt habe, fiel mir auf der CD sofort der Slogan „I was born colorblind and I will die this way“ auf. Was genau steht hinter den Slogan und den Wort bzw. Albumtitel COLORBLIND?

U&S in Dresen (Foto by S.G. (http://www.foto-by-sg.de/))

Flo: Am Anfang ging es eigentlich nur darum, dass es dir als Kind scheiß egal ist, welche Farben eine Flagge hat. Das bestätigt sich ja auch genauso auf unseren Touren. Wir stehen an der ukrainischen Grenze und werden mit Maschinengewehr begrüßt, aber auf der anderen Seite der Grenze wollen die Menschen auch nur Glücklich sein, Hardcore hören und kacken. Da fragst du dich schon, warum der Scheiß? Und wenn man als Kind es geschafft hat, so naiv an die ganze Sache ran zu gehen, kann man das doch bis zum Ende durchziehen.

AFL: Habt ihr als Band spezielle musikalische Einflüsse, die euch für eure Musik und nun speziell für COLORBLIND inspiriert haben?

Christian: Speziell würde ich meine Einflüsse nicht nennen, ich bin was meinen Hardcore-Musik-Geschmack angeht einfach gestrickt. Ich mag Mosh und gute Texte.

Flo: Ja, wir sind da wirklich einfach gestrickt. Aber Christian hat schon Recht, nichts ist schlimmer, als dumme Texte oder schlechte Moshs.

United & Strong – Colorblind ::: Review (2017)

U&S in Casablanca, Marokko (Bild by EAC-L’Boulvart)

AFL: Ihr seid seit eurer Bandgründung ja ordentlich rumgekommen. Unter anderem habt ihr Shows in der Türkei, Marokko, Ukraine und Brasilien gespielt. Länder von deren Hardcore-Punk Szene wir hier bei uns nur so wenig mitbekommen. Könnt ihr mal ein wenig aus den Nähkästchen plaudern und beschreiben, wie ihr die Shows und die dortigen Szene dort wahrgenommen habt?

Christian: Vorne weg muss ich sagen dass durch das Internet alle HC-Kids auf der Welt auf einem ähnlichen Level sind was Trends angeht und es sehr überheblich wäre davon auszugehen, dass Szenen in manch weit entfernten Ländern total hinterher hinken. Trotzdem gibt es glücklicherweise Unterschiede. Bestes Beispiel: Russland, das Land in dem wir am liebsten Touren. Es gibt da eine super starke Szene, mit vielen Leuten auf den Shows, mega Bands und dem besten Mosh. Da können wir in Deutschland nur von träumen. Und auch in Marokko kennen die Kids europäische Bands, tanzen 2-Step, mögen Stagedives und sind tätowiert. Trotzdem ist es nicht alltäglich, dass Hardcore Bands in Marokko touren, somit wird man da als Band mit sehr viel Zuspruch überhäuft und alle flippen völlig aus.

U&S in Dresen (Foto by S.G. (http://www.foto-by-sg.de/))

Auch Vorurteile gegenüber einem muslimischen Staates wurden beim Konzert nicht bestätigt. Im Publikum waren viele Frauen, manche davon in Kopftuch, manche sahen aus wie Hipster aus Neukölln und niemand störte sich daran.

Zusammenfassend kann man sagen, dass in Ländern, die nicht ständig betourt werden, die Konzerte wilder sind und die Kids es viel mehr zu schätzen wissen.

AFL: Das kann ich mir gut vorstellen! Bei so vielen Shows auf mittlerweile drei unterschiedlichen Kontinenten muss es doch ein paar ganz spezielle Geschichten geben, die ihr erlebt habt. Gibt es da ein paar Stories, die man sonst nicht alle Tage erlebt?

Christian: Da gibt es einige. Viele witzige, viele bewegende und auch ein paar gefährliche. Auf unserer Brasilien Show stand auch eine Show in einer Favela in Sao Paulo auf dem Plan. Der Stadtteil Jardim Angela war bis vor einigen Jahren einer der gefährlichsten Orte der Welt mit mehr Morden als in manchen Kriegsgebieten. Mit dem Wissen war uns natürlich äußerst mulmig und Warnungen von anderen Brasilianern unterstützten das Ganze noch. Letztendlich fand die Show in einer Garage statt in der sonst Hip Hop Workshops gegeben werden um die Kids von der Straße zu holen. Die Stimmung war mega entspannt und die Bewohner alle super happy dass sich ein paar Deutsche in ihre Hood verirrt haben.

Flo: Meine Lieblingserinnerung ist an eine spezielle Wohnung, wo wir vor dem Konzert in Murmansk, Russland abhingen. Im Kühlschrank befand sich nichts, außer Wodka und Fleisch. Während ich im Bad Zähneputzen war, kam irgendjemand rein und hat wortlos angefangen zu Scheißen.

AFL: Welche Länder würdet ihr mit UNITED AND STRONG denn gerne noch einmal bespielen und weshalb?

Christian: In Europa würden wir natürlich gern jedes Land noch abhaken in dem wir nicht waren, aber da wir uns ja auf den Osten und die Ex-UDDSR spezialisiert haben, gibt es da noch Weißrussland was auf unserer Liste steht. Gern auch Zentralasien wie z.B. Kasachstan. Alle Kontinente zu bespielen wäre sicherlich das Traumziel.

United & Strong in Sao Paolo, Brasilien (Bild by Wander Willian)

AFL: Beim durchstöbern eurer Website bin ich bei eurer Bandbeschreibung über den Begriff „Ein Working-Class Ethos“ gestolpert. Was genau steht hinter den Begriff? Auch habe ich gelesen „die stille Hoffnung, dass Hardcore nicht jede Relevanz verloren hat“ – ist man eurer Meinung auf den Weg, dass Hardcore ans Relevanz verliert oder wie kommt ihr darauf? Was war früher anderes, als Hardcore noch relevanter war?

Flo: Wir sind keine „Früher-War-Alles-Besser“-Typen, ganz im Gegenteil. Die Gefahr Relevanz zu verlieren, gab es im Hardcore/Punk vermutlich von Anfang an. Das ist aber nicht nur auf die Szene bezogen sondern natürlich auch auf jede Band im Einzelnen, uns nicht ausgeschlossen. Haben wir noch was zu sagen? Können wir was beisteuern? Die HC-Szene in Deutschland und Europa ist groß. Deshalb können wir überall Konzerte spielen, werden überall mit offenen Armen empfangen, etc. Aber es schwimmt natürlich auch eine Menge Dreck mit rum. Es gibt viele Bands, die sich im HC-Kontext bewegen, die, ich sage mal Infrastrukturen nutzen, aber nichts mit  den Ideen am Hut haben. Antifaschismus, DIY, etc., die Grundpfeiler von dem, was wir als Hardcore verstehen, sind dann eher Label, die sie mit sich rum tragen, weil es sich so gehört. Eigentlich sind es Popbands, die Hardcore-Musik machen. Und darum geht‘s in der Aussage. Oder ganz plump: Hardcore is more than music. Es geht halt nicht primär ums Spaß haben oder Geld verdienen. Es kann auch nicht sein, dass an einem Abend fünf Bands auf der Bühne stehen und das einzige, was jede einzelne Band zu sagen hat, ist: „Kommt mal einen Schritt nach vorne.“ Es ist auch absurd, wenn man sich anguckt, was für Bands vor 2, 5 oder 10 Jahren gehypt wurden und wie wenige es von diesen Bands heute noch gibt. Das passiert halt, wenn deine Kernaussage „Kommt mal einen Schritt nach vorne.“ ist.

U&S in Casablanca, Marokko (Bild by EAC-L’Boulvart)

Wir sind nicht die fleißigste Band. Das sieht man ja daran, dass ein Album acht Jahre braucht. Wir haben alle Jobs, Family, etc. Christian kommt nach 9 Stunden Arbeit nach Hause, bookt Shows, plant Touren und kümmert sich um das Organisatorische. Ich komme nach 9 Stunden Arbeit nach Hause und schreibe an den Songs. Wir nehmen den Großteil unseres Jahresurlaubs um auf Tour zu gehen, täglich mind. 8 Stunden im Bus zu sitzen und abends Hardcore zu spielen. Wir spielen Sonntagnachmittag in Karlsruhe und fahren nach der Show 8 Stunden nach Berlin, damit wir Montag früh arbeiten können. Wir arbeiten wirklich hart an UNITED & STRONG, so hart es halt geht. Ich bin froh, dass wir nicht von der Band leben können/müssen, das heißt, wir können wirklich alles so machen, wie wir es wollen. Wir arbeiten einfach, weil wir es nie anders gelernt haben.

AFL: Was habt ihr für die nächste Zeit sonst für Pläne mit UNITED AND STRONG und wird das nächste Album wieder acht Jahre dauern?

Christian: Das nächste Album muss wegen mir nicht 8 Jahre auf sich warten aber im Moment sind wir erstmal happy dass wir tatsächlich unser 2. Album released haben und auf Tour waren. Da denke ich jetzt nicht schon ans nächste Album. Jetzt steht Biancas Comeback an nach ihrer Babypause und ansonsten werden wir Shows spielen, hier und da nochmal einen kürzeren Trip machen und nächstes Jahr wieder eine Tour.

Flo: Wenn wir für das nächste Album all das Material benutzen, was es nicht auf Colorblind geschafft hat, wird es zwar ein kurzes, schlechtes Album, dauert aber vielleicht nur 4 Jahre.

AFL: Vielen Dank für das Interview. Die letzten Worte gehen raus an euch!

Danke dir Simon für deinen Support! Danke an alle Leute die uns seit 2001 oder seit gestern unterstützen, unser neues Album hören und auf unsere Shows kommen!

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