Die Bitch Queens waren Anfang Februar auf einer kleinen Tour in Spanien. Sänger und Gitarrist Mel hat ein Tagebuch für uns geführt. Eine kleine Reise von Skepsis zur Euphorie im Süden!
Tag 1 – Madrid
Wer hätte das gedacht? Eine Tour mit fünf Konzerten in Spanien während Omikron grad quer durch Europa wütet. Das ist vorab wie blind durch ein Minenfeld laufen – Hinflug wurde gecancelt, Corona-Fälle im Freundeskreis ohne Ende und das stetige Unbehagen, ob dieser Trip wirklich clever ist, nachdem jeder von uns die letzten Wochen komplett unter dem Radar geflogen ist. Aber nun stehen wir also am Flughafen Zürich und können es kaum erwarten heute Abend in Madrid zu spielen. Das zweite Mal wohlbemerkt. Nur das erste Mal kam kein Mensch – keiner – zero – nadie. Die Show existierte zwar auf dem Papier, jedoch hatte damals vor knapp 10 Jahren niemand Promo für das Konzert gemacht, es war Sonntag und es hat auch niemand auf uns gewartet. Aber man ist keine richtige Band ohne Kackshows in früheren Tagen, oder?
Dieses Mal sollte es auf jeden Fall anders werden. Am Flughafen in Madrid werden wir vom äußerst sympathischen und mittlerweile zumindest szenen-legendären Dany Torres abgeholt. Der Wurlitzer Ballroom, die Venue des Abends ist genau so legendär und eine RnR Institution in Madrid – super Club, mit perfekter Größe und herzlichen Menschen. Es ist kaum zu beschreiben wie schön es ist, nach mehr als 2 Monaten wieder auf der Bühne zustehen. Das merkt man auch dem Publikum an – es geht, zwar noch mit Maske, wieder los!
Und wie schnell ist man zurück im Tour-Modus:
Drinks, Late Night Trash-Food, neue Menschen, neue Orte. Was gibt es Schöneres? So geht das!
Tag 2 – Soria
Nach einer eher unbequemeren Nacht in einem ziemlich trashigen Madrider
Airbnb, geht’s weiter nach Soria. Bei Tourneen auf Subkultur-Level gilt es halt auch die Matratzen aus dem letzten Jahrhundert in lieblosen Appartements mit den sägenden Atemgeräusche und den Ausdünstungen deiner Bandfreunde auf 10m2 auszuhalten. Wir kennen uns zum Glück so gut, da geht das.
Die Fahrt nach Soria ist ca. 2h, wenn mans erstmal aus dem Verkehrsgewimmel der Madrider Innenstadt schafft. Die Zeit im Van find ich, auch wenn oft einseitig, eine der schönsten auf Tour. Landschaft anschauen, gute Musik hören, nachdenken oder neue Pläne schmieden. Die Bitch Queens sind genau dann am kreativsten!
Soria selber ist eine kleine Stadt im Nirgendwo. Der Club ist direkt am Bahnhof in einem Zelt mit Holzheizung. Und wenn normalerweise alle Alarmsignale für eine eher miese Show klingeln, muss das in Spanien überhaupt nichts heißen. Das ist auch heut Abend der Fall. Für Mittwoch ist die Venue doch erstaunlich gut gefüllt und die Herzlichkeit und Begeisterung des Spanischen Publikums ist einzigartig.
Live Shows sind hier noch ein verankertes Kulturgut. Es scheint als gingen hier die Leute auch so an eine Show, ohne vorher sich fünffach auf YouTube abzusichern, ob sich 10€ Eintritt lohnen könnten.
Nach dem Konzert gabs viele schöne Bekanntschaften, unzählige Shots (Chupitos) und vor allem super leckeres Nachtessen – nach Mitternacht wohlbemerkt. In den ländlicheren Regionen Spaniens ist die Gastfreundschaft gross geschrieben und so kommt eine Platte nach der Anderen und lokaler Wein. So geht das!
Tag 3 – Logroño
Die Nacht war einiges angenehmer (Hotelkomfortsteigerung x2000), dafür ist der Kater um so grösser. Die unzähligen Chupitos vordern ihren Tribut.
Der Weg nach Logroño ist zwar kurz, dafür um so kurviger, was der Trotilla / Wein – Mischung im Bauch nicht unbedingt förderlich ist. Und so bin ich eine Stunde damit beschäftigt den Mageninhalt an Ort und Stelle zu behalten, während mir Black Flag ins Gesicht blastete. So schnell kann die gestern erwähnte Freude am Busfahren vergehen.
Der Nachmittag verbrachten wir mit Tapas und spazieren. In Spanien ist Soundcheck nie vor 18/19 Uhr und Showtime ebenfalls spät, auch unter der Woche. Das macht die Nachmittage ziemlich entspannt – vor allem bei über 15 Grad Aussentemperatur.
Der Stereo RnR Club in Logroño ist exakt so wie eine kleine, aber feine Rock Venue sein sollte – Platz für ca 100 Leute, eingerichtet mit viel Liebe zum Detail und vor allem hat es junges Barpersonal, welches eine unglaubliche Freude ausstrahlt und ihren wesentlich Beitrag zu einem großartigen Abend mitleisten.
Da könnten sich all die abgeranzten und abgelöschten Clubbesitzer denen wir die letzten Jahre begegnet sind, eine gute Scheibe abschneiden. Und so wie die Venue wurde auch der Abend. Die Turbofuckers aus Bilbao heizten ein und das Publikum hatte sichtlich Spass, war es doch der erste Abend seit langem, welcher Live-Musik wieder ermöglichte, nach Wochen mit harten Maßnahmen.
Das schöne am Touren ist die unglaubliche Live Routine, die sich einstellt ab Tag 3 (nebst der etwas unschöneren unglaublichen Müdigkeit). Die kannst du nicht üben. Das geht nur auf Tour. Die Songs sitzen und du kannst dich komplett auf alles Andere konzentrieren. Zudem scheint unsere Merchkalkulation nicht aufzugehen. Wir hatten zwar extra vorab ein großes Paket mit allerlei Material nach Spanien geschickt, dennoch neigen sich die Vorräte jetzt schon dem Ende zu. Der Abend wurde abgerundet mit dem Besuch in der „Schwester-Bar“ des Stereo RnR gleich nebenan – der Pamparius Bar. Ja, richtig gehört. Die Bar ist voll mit Turbonegro Postern, es läuft gute Musik und ist rappelvoll mit jungen Menschen. Auch nach all den Jahren Turbojugend und Fan der Band bin ich immer wieder überrascht, zu was die Herren aus Oslo es gebracht haben. Eine Bar, die sich nur um deine Band dreht in einer Provinzstadt in Spanien. Wie großartig ist das bitte? Hier gibts keine AC/DC Bar, keine Motorhead Bar – nein, eine Pamparius Bar! So geht das!
Tag 4 – Lleida
In der Gegend von Lleida haben wir schon zwei Mal gespielt. Jaume der Promoter dort kennen wir also schon ein paar Jahre. Umso schöner zurückzukehren. Wir haben es vorab schon in zwei lokale Zeitungen geschafft.
Zudem herrscht grad überall Aufbruchsstimmung, da die Maßnahmen gelockert werden. Glück muss man haben. Es fühlt sich auch grad so an, als wären wir die einzige Band auf Tour. Während alle zu Hause sitzen und noch die paar Wochen absitzen müssen, fühlen wir uns ziemlich privilegiert. Dennoch spüre ich die letzten Tage ziemlich in den Knochen. Diese unendliche Müdigkeit die ich auf Tour nicht mehr wegbekomme – auch mit viel Schlaf nicht.
Die Venue scheint auf den ersten Blick zu groß für uns, haben wir bisher doch eher die 100er Clubs bedient. Hier haben locker 250 Platz. Und wtf Lleida? Was war denn da los? Voller Laden, herzlichste Menschen ever, ausgelassene Stimmung, unzählige Fotos und Unterschriften nach der Show. Irgendwie scheint grad alles zu stimmen! Verzeiht mir bitte den etwas kürzeren Text, aber den Abend kann ich nicht wirklich in Worte fassen.
Lleida – we love you! So geht das!
Tag 5 – Castellón de la Plana
Und schon ist der letzte Tag. So gern ich auf Tour bin, so gerne komm ich auch wieder Heim. Manchmal ist das Leben am besten, wenn du was vermisst – sei es Konzerte oder das zu Hause. Es zeigt dir die schönen Seiten so unglaublich deutlich. Menschen über 30 tendieren zum Nestbau. Ja nie die Komfortzone verlassen. Doch genau an der Schnittstelle wirds für mich erst richtig lebenswert, aber genug der Gefühlsduselei.
Die Fahrt nach Castellon dauert etwa 3h. Die Phase hab ich überwunden, wo ich überhaupt noch einen Kater bekomm. So traurig das klingen mag – irgendwie stellt dein Körper auf einen anderen Modus um. Ich kanns aber kaum erwarten mal wieder gesundes vegetarisches Essen zu bekommen und einfach nur Wasser zu trinken. Das ist grundsätzlich nicht ganz so einfach in Spanien – also Wasser ja, Vegi-Food nein.
In Castellon angekommen, bringt uns Dany direkt zu einem fantastischen Paella Restaurant, um anschließend noch für 15min ans Meer zu fahren. Allen wird bewusst, dass die Tour langsam aber sicher zu ende geht. Wir hätten es nicht besser treffen können.
Und so wie alles begonnen hat, endetet auch die letzte Show. Der Club war voll
bis hinten, das Publikum konnte unsere Texte, Stagediving, Pogo und wir verkauften noch den Rest vom Merchandise. Es ist schon unglaublich wie begeisterungsfähig die Menschen in Spanien sind. Das Konzert wurde von einer Punk-Rock Asocacion organisiert. Eine Gruppe von dreißig jungen RnR begeisterten Menschen, welche alle einen monatlichen Beitrag von 20€ zahlen, dafür Live-Kultur unterstützen und erleben dürfen. Bitte unbedingt mehr davon – am besten überall! Nach der Show gings direkt 2h mit dem Van nach Alicante, wo für uns ein Apartment gemietet wurde, um die paar Stunden bis zum Flug am Sonntag in der Früh zu überbrücken. Und so geht zu Ende, was nur mit viel Glück stattfinden konnte. Ich konnte unzählige neue Bekanntschaften erleben, alte Gesichter wiedersehen und vor allem auch Menschen treffen, die ich bisher nur über Social Media kannte. Das wichtigste ist aber, dass es uns das Gefühl zurück gab wirklich eine Band zu sein. Corona hat unglaublich viel Schwung aus allem genommen. Und diese grossartige Stimmung einzufangen, wenn es überall wieder losgeht, Konzerte stattfinden, Menschen sich wieder ausgelassen treffen können, war einmalig.
Bis bald Spanien! So geht das!