Anfang August pilgert die Metalgemeinde in die Provinz nach Schleswig-Holstein zum Wacken Open Air. So auch wie dieses Jahr. Nach zweimaligem Ausfall gab es mit dem Wacken-Wednesday sogar eine Aufwertung des normalerweise drei Tage dauernden Festivals. Allerdings musste man als normaler Konzertbesucher für diese Zusatzveranstaltung eine reguläre Karte kaufen, um Epica, Gloryhammer & Co. auf der Louder-Bühne im Infield ansehen zu dürfen.

Auch das awayfromlife war diesmal auf dem W.O.A. dabei: Sven, seit den Anfängen dieses Festivals (mit ein paar Jahren Pause zwischendrin) dabei und Bennie, kompletter Wacken-Anfänger und zum ersten Mal auf dem Holy Ground. Wie beide die diesjährige Auflage der weltweit bekannten Musikveranstaltung fanden, findet ihr hier in diesem Interview.

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Benjamin: Moin Sven, vorab erstmal eine Frage zur eigenen Wacken-Geschichte: Wie hat es bei dir angefangen und wie oft warst du schon hier? Was macht Wacken für dich aus?

Sven: Moin Benjamin. Ich wohne ja ziemlich in der Nähe und bin seit dem 2. Wacken Open Air dabei. Wenn du auf dem platten Land groß geworden bist, gibt es halt nicht so viel Möglichkeiten harte Musik zu hören und das Wacken Open Air war eine großartige Möglichkeit. Das müsste jetzt mein 16. Wacken Open Air sein, ich hatte eine längere Pause, bin jetzt aber seit 2013 durchgehend am Start. Ich war ja eigentlich auch nur als Gast da. Ein Bericht von mir war ja gar nicht geplant, bis wir beide uns getroffen haben. Wacken ist für mich tatsächlich eine Woche Lebensenergie tanken und Bier. Jägermeister nicht zu vergessen. Im Wesentlichen mit meiner Wacken-Familie eine schöne Zeit haben und dabei noch eine Menge Bands zu sehen. Wie bist du denn eigentlich zum Wacken Open Air gekommen?

Benjamin: Ich wollte da nie hin, das war mir irgendwie zu abgenudelt. Wenn ich die ganzen Typen mit ihren W.O.A.-Shirts sehe, dann winke ich schon ab. Ich kenn Leute, die gehen das ganze Jahr nicht auf ein Konzert, machen aber dann ne dicke Hose, weil sie eben auf dem Wacken waren. Dieses Jahr hatte ich Glück, eine Presseakkreditierung zu bekommen und bin einfach mit einem Kumpel hingefahren. Und, um schon etwas zu spoilern: Ich fand es hintenraus echt ganz cool.

Benjamin: Wie eben gesagt, waren wir zu zweit. Wie ist es bei dir: Kommst du allein oder fahrt ihr in einer Gruppe? Hast du Ratschläge oder Tipps für W.O.A.- Anfänger wie mich?

Sven: Wir sind so eine Gruppe aus knapp 30 Menschen, die jüngste ist 30. Und der älteste jetzt schon 60 und wir sind alle grundverschieden. Die Anzahl variiert aber von Jahr zu Jahr, einmal waren wir auch nur sieben, aber auch mal knapp 50 Personen. Diesmal waren vom Stamm 12 Leute dabei, dafür aber auch fast ebenso viele neue Gäste dabei. Was würde ich raten? Das ist eine gute Frage. Ich sag mal so natürlich ist Wacken ein gigantisches Unternehmen und der Kommerz ist nicht weg zu diskutieren. Wen das grundsätzlich stört und das kann ich sehr gut nachvollziehen bleibt besser weg.  Es wird aber auch viel geboten und worauf ich keinen Bock habe, da gehe ich halt nicht hin. Wichtiger Tipp ist aber auf jeden Fall gutes Schuhwerk, es ist wirklich riesig und man legt ziemlich lange Strecken zurück. Wie sieht es bei dir aus, wie hast du das drumherum erlebt?

Luftbild Wacken Open Air

Benjamin: Also ich war anfangs unfassbar geplättet von der Größe. Alter Vatter, ist das alles riesig. Das war schon echt Mindfuck. Wo ist die Wet-Stage, wer spielt da vorne, wo ist Bullhead City usw. Aber man hat sich echt schnell akklimatisiert und zurechtgefunden. Ich bin am Donnerstag erstmal ins Freibad gefahren. Ich hatte ja ein Klapprad dabei, was die Wege extrem einfach gemacht hat. Hier bei uns im Ort bin ich Mitglied beim DLRG, daher war der Besuch dort Pflicht. War sehr cool, weil ich ein paar Schweden kennengelernt habe, die extrem nett waren. Ansonsten habe ich auch noch Kontakt zu Burgerkill aufgebommen, einer wirklich geilen Death-/Thrashmetalband aus Indonesien. Interview kommt bald hier. An dieser Stelle auch nochmal ein großes Dankeschön an die Jungs dafür, mir die geilste Kappe von aller Zeiten zu schenken. Wer hat hier in Europa schon eine von Extreme Moshpit TV, einem der bekanntesten asiatischen Websides rund um extreme Musik.

Bennie mit Extreme Moshpit TV Kappe
Bennie mit Extreme Moshpit TV Kappe

Und ich hab fast Zelt-an-Zelt mit Philipp Wolter gewohnt, dem ehemaligen Frontmann von Bonehouse. Jetzt spielt er bei Vladimir Harkonnen. Mit Bonehouse hab ich in meinen Anfängen als Musikjournalist mal ein Interview gemacht. War sehr cool. Auch das wir uns getroffen haben, hat viel dazu beigetragen, dass ich jetzt anders über das Wacken denke als vorher. Dieses ganze Gelaber von Metalgemeinde und Unity hab ich gar nicht für voll genommen, aber ich hab fast nur nette Menschen getroffen. Und es war geil, mal mit dir über Punk- und Hardcorebands zu plaudern und n bisschen zu saufen.

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Benjamin: Dieses Mal war für uns HC/Punk Fans wenig dabei, oder? Was hast du alles gesehen und was war gut bzw. schlecht?

Sven: Ja da gebe ich dir recht, diesmal war leider nicht so viel für HC/Punk Fans dabei. Das war schon wesentlich besser. Mir fehlten vor allem die für die beiden letzten Jahre angekündigten Dropkick Murphys und Sick Of It All. Das Schöne am Wacken Open Air ist ja, du kannst neben Heavy Metal eben auch jede Menge anderes sehen. Von Punk/ Hardcore über Industrial bis hin zu Irish Folk Rock oder Mittelalter Bands. Eigentlich für jeden was dabei. Was habe ich gesehen? Ich fang mal mit den überragenden drei Bands an, auf die ich mich auch am meisten gefreut habe. Und die alle drei voll abgeliefert haben. Doyle auf der kleinen Wasteland Stage war schonmal super. Und dann Nasty auf einer der beiden mittleren Bühnen haben ja am Freitag auch einen richtigen Abriss geliefert. Und dann kamen Slipknot. Auch wenn ich als Slipknot-Fan nicht objektiv bin, wirst du mir zustimmen, das war der Hammer schlecht hin. Alles auf den Punkt abgeliefert. Man hat gemerkt die Jungs hatten richtig Bock. Dazu kommt natürlich, dass der Sänger auch ein Vollprofi ist und weiß wie er mit dem Publikum interagiert.

Slime waren auch großartig, aber ich werde wohl trotzdem noch ein wenig brauchen, um mich an den Gesang von Tex bei den alten Stücken zu gewöhnen. Ich bin halt mit dem Gesang von Dicken groß geworden, immerhin höre ich die seit knapp 37 Jahren. Aber der Gig und Tex waren richtig gut, vor allem für 12 Uhr mittags, es ist halt anders. Was waren denn deine musikalischen Highlights? Und gab es für dich Enttäuschungen?

Benjamin: Slipknot, Doyle und Nasty waren überragend. Auch Nearea haben am Samstag alles abgerissen. Mich persönlich haben The Night Flight Orchestra völlig aus den Socken gehauen. Einer unserer Nachbarn auf dem Zeltplatz hat mich dahin mitgeschleppt. Ist gar kein HC oder so, eher ABBA meets 80th Rock. Den Song White Jeans kriege ich seit dem Auftritt nicht mehr aus dem Kopf. Oberfett. Judas Priest waren ziemlich mau, aber ich hab sie Anfang der 1990er Jahre auf der Painkiler-Tour gesehen, da waren sie angsteinflößend. Im Vergleich dazu war das diesmal nix.

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Benjamin: Wo ich eben The Night Flight Orchestra ansprach: Hast du irgendwelche Bands gesehen, die du vorher nicht kanntest und die dich wirklich geflasht haben?

Sven: Nein, in diesem Jahr habe ich leider keine neuen Entdeckungen gemacht, die mich so richtig überrascht haben. Einiges was ich mir anschauen wollte habe ich verpasst, wie Life Of Agony zum Beispiel. Dieses Jahr war auch neben der Musik einiges anderes wichtig. Freunde aus der ganzen Welt zu treffen, die man jetzt auch schon seit der Pandemie nicht gesehen hat. Das war echt schön. Um nur einige Beispiele zu nennen: Saskia (Metal Yoga Bones), die in den USA lebt oder Eric & Marie aus Schweden, beide Wasteland Warriors, Ivan aus Spanien, auch aus Deutschland ein paar tolle Menschen wie zum Beispiel Maschine und sein Late-Night-Team oder auch Haase, der wieder für die Wacken Foundation aktiv war. Das ist eine Stiftung zur Förderung von Künstlern der Metal Szene. Aus der Szene für die Szene.

Auch neue Freunde kennenlernen, so wie dich zum Beispiel, wir kannten uns ja vorher auch nicht.

Natürlich sind viele Metalheads da, aber eben auch andere, die mit der Musik gar nicht viel am Hut haben. Wie hast du diese Mischung empfunden und hast du überhaupt schon alle Eindrücke verarbeitet?

Benjamin: Boah, ne auf keinen Fall. Mein Kollege Moritz hat mir auch knapp 200 Fotos geschickt, einige von denen kenn ich gar nicht, hahaha. Das mit der Metalgemeinde hatte ich oben schon angesprochen, ich fand es geil dass so viele Leute zusammenkommen, ohne dass es Stress gibt.

Ein Teil von Svens Wacken-Crew

Benjamin: Was gab es sonst noch Spannendes dieses Jahr?

Sven: Der Sound war dieses Jahr krass gut und das vor allen Bühnen und bei allen Bands, die ich gesehen habe. Für mich sind ja auch immer die Wasteland Warriors ein Highlight. Die Truppe lebt quasi die Endzeit und das mit Mitgliedern aus vielen verschiedenen Ländern.

 

Slipknot Wacken Open Air 2022

Du bist ja hauptsächlich im HC zu Hause, bist du denn trotzdem auf deine Kosten gekommen? Was ist denn so musikalisch dein Fazit aus deinem ersten Wackenbesuch? Ausgerechnet dem mit dem wenigsten Hardcore/Punk der letzten Jahre….

Benjamin: Das Fazit ist auf jeden Fall, dass dies nicht das Konzerterlebnis meiner Wahl wäre. Dazu bin ich einfach auf zu vielen Killershows gewesen, die in kleinen und überfüllten Clubs stattgefunden haben. Es war halt riesig und ein unglaubliches Angebot, aus dem ich mir einige richtig gute Sachen rausgepickt habe. Die Mixtur aus Musik, Saufen, unterschiedlichen Menschen und vielen Eindrücken hat mich positiv überrascht.

 

Benjamin: Während des Festivals konnte man in den sozialen Netzwerken viel Kritik über die Neuerungen, wie z.B. dem bargeldlosen Bezahlen lesen, da z.T. sehr lange Wartezeiten in Kauf genommen werden musste. Wie hast du das erlebt bzw. wie beurteilst du dies als langjähriger Wackengänger?

Sven: Beim Cashless Payment war ich auch sehr skeptisch im Vorfeld, hat aber richtig gut geklappt, letztendlich finde ich es sogar gut. Wir hatten aber auch Glück, sind problemlos auf den Campingplatz gekommen und haben maximal 20 Minuten für das Bändchen angestanden. Wir haben aber später auch die lange Schlange an der Bändchen-Ausgabe gesehen, das war heftig. Die Kritik an dieser Stelle ist mehr als berechtigt. Da muss und ich bin mir sicher da wird im nächsten Jahr nachgebessert werden. Die neue Aufteilung fanden wir alle ganz gut, man hat überall Platz und es ist alles ein wenig großzügiger. Man muss aber auch mehr laufen.

Warteschlange an der Bändchenausgabe des W.O.A. 2022

Wer was zum meckern finden will, findet immer was und wer alles gut finden will, wird in den höchsten Tönen loben. Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen.

Mein Fazit, ich werde nächstes Jahr wieder dabei sein. Dann mal nicht als „normaler“ Gast sondern als Fotograf und Schreiberling hoffe ich. Ich mag das Wacken Open Air mit dem ganzen Zirkus und Jahrmarkt, denn was ich nicht sehen will das muss ich nicht sehen. Wir hatten viele aus dem Ruhrpott bei uns, für die waren De Höhner ein Highlight und ich bin halt nicht hingegangen, so einfach kann es sein. Ich liebe aber auch die kleinen nicht so kommerziellen Festivals und vor allem kleine Clubkonzerte.

Ist das Wacken Open Air Punkrock? Nein! Aber man kann Punrock und Hardcore hören.

See you next year – rain or shine!

Was ist dir als Neuling aufgefallen? Ich bin ja mit Wacken verwurzelt und werde wohl so lange es geht auch da sein, aber was sagst du, wenn dich jetzt jemand fragt ob man aufs Wacken Open Air gehen kann?

Benjamin: Definitiv kann man da hingehen. Schon früher hab ich größere Festivals wie das Dynamo Open Air immer dazu benutzt, neue Bands auszuschecken. Außerdem kommt man auch schnell mit den Leuten in Kontakt, Bier ist international. Und harte Mucke auch. Vielleicht ist genau dass der Reiz des W.O.A., dem so viele Leute verfallen sind. Ich werde nächstes Jahr auch wieder dabei sein. Denn einmal ist keinmal, oder? Sicherlich teile ich deine Meinung, die du bezüglich Kommerz usw. oben schon dargelegt hast, aber reizvoll ist das Festival auf jeden Fall. Ein T-Shirt ziehe ich allerdings davon nicht an, so weit bin ich noch nicht. Wenn überhaupt, nur das vom Wackener Freibad.

Freibad Wacken inkl. Shirt, Foto by Freibad Wacken

Sven: Bennie hau rein, das nächste Mal treffen wir uns dann wohl bei einem schönen kleinen Hardcore Gig. Hast du einen Vorschlag?

Benjamin: Vielen Dank Sven für das Beantworten und Stellen der Fragen! Ich würde sagen: Sick Of It All in der Goldgrube in Kassel: Das ist eine kleine Kellerbar, in die maximal 200 Leute passen. Das wird ein kompletter Abriss.

 

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