Erst letzte Woche haben Arrow Minds mit Worrier ihr neues Album über Dead Serious Recordings veröffentlicht. Wir nahmen das neue Release der Melodic Hardcore-Band aus Rostock zum Anlass, Gitarrist Stefan seine 10 Lieblingsplatten vorstellen zu lassen.
Stefan von Arrow Minds und seine Lieblingsplatten
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1Propagandhi – Potemkin City Limits
Irgendwie musste ich diesen bandinternen Witz bringen. Scheinbar habe ich meine Lobpreisungen für die Band rund um Chris Hannah übertrieben oder zu oft wiederholt. Aber ich kann mir einfach nicht helfen. Diese vier Musiker:innen aus Kanada haben es mir vor knapp 18 Jahren so richtig angetan. Metalriffs, on point Soli, ballerndes Schlagzeug und diese engelsgleiche Stimme die angepisst mit deepen Lyrics leise meine Ohren umsäuselte. Lyrics die für mich bis heute ihresgleichen suchen mit einem tiefen Selbstverständnis anarchistischer Denkweisen und aktueller Weltpolitik und Veganismus/Vegetarismus. Häh? War Punkrock für mich bis dato schlichter Nihilismus und Hedonismus, haben mich Propagandhi an den Tisch der Theorie geholt. Diese Platte hat mich angefixt!
2Fall Of Efrafa – Owsla
Was für ein Projekt! Ich hatte schon immer eine Schwäche für D-Beat und Crustpunk, nur diese Band hat es geschafft einen ganzen Roman, den viele von uns als dunkle Zeichentrickfilm-Kindheitserinnerungen in den hintersten Synapsen abgespeichert haben. Bei einigen, jedenfalls war es bei mir der Fall, flackern immer mal wieder die schmerzverzerrten Gesichter von Zeichentrickkaninchen auf oder einer Möwe mit russischen Akzent. Dieser Film „Watership Down“ beruht auf dem gleichnamigen Roman von Richard Adams. Gegen dieses Buch und den Film wirkt „Als die Tiere den Wald verließen“ wie eine Fahrt in ruhigen Gewässern. Die Band hat mit drei Konzeptalben diesen starken Roman auf ihre Weise vertont und Owsla läuft immer wieder rauf und runter bei mir!
3Tørsö – Sono Pronta a Morire
Das erste Mal aufgetaucht sind sie in meiner YouTube-Playlist, bei einem kleinen Ausschnitt von einem Gig im Wald. Ich war sofort hooked! Krasse DIY Attitüde auf und vor der Bühne und irgendwo zwischen richtig wütenden Hardcore Kids und – ich erwähnte bereits meine Schwäche – D-Beat! Dieses „Bupp – U- Dupp – U- Dupp“ löst etwas in mir aus, was ein Pogobeat oder nicht einmal ein 2-Step schafft. Jedenfalls diese erste Platte von Tørsö ist von Anfang bis Ende mit die beste DIY Platte die ich in den letzten zehn Jahren gehört habe. Und da steckt auch mein innerer Konflikt. Auf der einen Seite würde ich gerne noch mehr von diesen Kids hören und das auch in geiler Soundqualität, aber andererseits bin ich dann auch zu snobistisch wenn sie diesen Sound und rareness verlieren würden.
4The Distillers – Sing Sing Death House
Ich war 14 als ich diese Platte, natürlich offiziell hoch lizensiert, das erste Mal gehört habe. Habe ich mich Zeit meins damaligen Lebens doch eigentlich größtenteils mit Deutschpunk beschäftigt, haben The Distillers mich mit diesem Album abgeholt. Ungerichtete Wut auf die Gesellschaft und Spießbürger:innen und mein kleines bisschen Freiheit auf dem Skatepark in der Plattenbausiedlung. Als unsere lokalen Punkrocker damals über Amipunk noch überheblich die Nase rümpften, haben mir The Distillers mit dieser Scheibe und ihren Knallersongs „Sick of it All“, „Young Crazed Peeling“ oder „City of Angels“ wohlige Gefühle der Verachtung auf die Gesellschaft beschert.
5The Baboon Show – Radio Rebelde
Ich hatte bis zum Jahr 2018 eigentlich immer nur von „The Baboon Show“ vom Hörensagen etwas mitbekommen. „Waren mal Vorband von den Toten Hosen“ schallte es mir oft entgegen. Ich habe es also als Punk für Menschen über 60 abgetan, die es nochmal wissen wollen. Während sie bei voller Lautstärke in ihrem Citroen Picasso C4 in die Reihenhaussiedlung einbiegen (Ich liebe euch Mama und Papa <3).
Auf dieser einen Show im Peter Weiß Haus Rostock, stellte ich fest wie fundamental falsch ich lag. 70er-Punkrock und Powerpop-Vibes und eine energetisch so intensive Band, die es verstand mit dem Publikum zu interagieren und sich gleichzeitig so demütig zu zeigen, dass ich noch heute Gänsehaut bekomme wenn ich daran denke. Die Platte „Radio Rebelde“ habe ich mir am gleichen Abend noch gekauft und höre sie bis heute immer noch gerne bei voller Lautstärke, im Dacia Lodgy, während ich durch den gentrifizierten, aber doch so charmanten Kiez meiner Wahlheimat Rostock fahre.
6Affenmesserkampf – Doch
Bei den Jungs wurde aufgeräumt vom Klischee des maulfaulen und ständig mürrischen Menschen aus Norddeutschland. Die sind nämlich richtig angepisst, machen sich über deine Kleinbürgerlichkeit lustig und lassen dich dir selbst überlassen zurück. Allein schon der Bandname weckte meine Aufmerksamkeit fühlte ich mich an eine Simpsons Folge erinnert und ich wurde durch und durch nicht enttäuscht. Kiel zeigt „keine Angst, sondern pure Arroganz!“
7Cerebral Ballzy – Cerebral Ballzy
Skate, Pizza and Destroy vor allem yourself! Wer nach den Hardcore-Punk Cousins der Ninja Turtles aus den 80ern klingt, bekommt sie auch. Am Gitarrensound und der scheppernden Rumpelkiste kann man schon die Liebe für 80er Punk entdecken, so dass man doch wieder Bock bekommt das Board auszumotten. Dazu noch simple Texte die aber Momente unser noch rebellerischererereren Phasen auffangen und wiedergeben, wie „Don’t tell me what to do“, „Drug myself dumb“ (Drogennehmen ist übrigens voll uncool!) oder „Don’t look my way“. Ein All-Time-Classic aus dem Jahr 2011.
8Blink 182 – Blink 182
Ist das noch Punk? War das jemals Punk? Die Alben „Take off our Pants and Jackets“ und „Enema of the State“ waren zu ihrer Zeit in meiner Peer Group noch Guilty Pleasures wie „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“. Aber wer oder was ist Punk in normativen Korsetts? Der inflationären Nutzung von Pipi-Kacka Highschool Humor ist auf diesem Album einer Ernsthaftigkeit und Virtuosität an Songwriting gewichen die davor und leider auch danach, auch wenn ich Matt Skiba ziemlich gerne mag, nicht mehr erreicht werden konnte. Die CD wurde in meinem 45 Sekunden Antischock Discman bis auf das letzte bisschen Hörbarkeit zerkratzt. Persönlich für mich der Zenit ihres Schaffens!
9Propagandhi – Todays Empires, Tomorrows Ashes
Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Propagandhi mag ?
Die Einleitung erspare ich mir und will euch kurz und knapp dieses Machwerk in all seiner Fülle ans Herz legen. HÖRT EUCH DAS AN!!!!
10Anti-Flag – The Terror State
Dachtet ihr damals auch, dass die USA keinen peinlicheren und beschissenen Präsidenten als George W. Bush auf den Erdball kacken könnten. Ach wie naiv wir doch damals waren. Die Politpunks aus Pittsburgh, haben mich nicht nur in meinem politischen Denken beeinflusst, sondern mir auch eine Welt von Bassläufen abseits von Grundtönen eröffnet. Tatsächlich sind die Bassläufe von Chris #2, die unverkennbare Stimme von Justin Sane und die Wortgewalt über die Gesamtscheiße was mich bei Anti-Flag bis heute bei der Stange hält. „The Terror State“ war mein erster bewusster Umgang mit ihrer Musik und dem Verarbeiten eines tief sitzenden persönlichen Schocks nach dem 11. September 2001. Meine Güte ich war 12 und wir verfolgten das Geschehen auf dem Fernseher, während wir Geburtstagskuchen auf der Geburtstagparty von einem Schulfreund in uns reinschaufelten. Das war das sogenannte Ende meiner Unschuld und zwei Jahre später konnte mich „The Terror State“ mit allem was darauf folgte sehr gut damit auffangen.
Worrier ist am 25. März 2022 über Dead Serious Recordings erschien und kann hier bestellt werden.
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