Eine neue Heaven Shall Burn Platte. Das Review schreibt sich doch eigentlich von selbst oder? „Deutschlands Vorzeige-Metaller mit ihrem zehnten Studioalbum, haben über die Jahre ihren ganz eigenen Sound perfektioniert, alle Trademark-Elemente finden sich wieder, Doublebass-Pogo, Marcus Bischoffs unverwechselbare Screams, politische Botschaften gegen Faschismus, und so weiter und sofort…“ Die ersten Vorab-Songs ließen noch Ähnliches erwarten, zeigten My Revocation of Compliance, Cofounder und Empowerment doch vieles von dem, was man von Heaven Shall Burn so kennt und mag.
Was mich dann mit der vollständigen Platte erwartete, darauf war ich nicht vorbereitet. Denn das Album ist so viel mehr als nur das Erfolgsrezept neu gekocht.
Kurz die Key Facts: 13 Tracks, davon drei orchestrale Intro/Interlude/Outro Titel, macht netto 10 Songs (inklusive einem Cover) in 51 Minuten. Veröffentlich wird das gute Stück wie gehabt von Century Media Records in allen denkbaren Formaten. Mit dabei auch eine Deluxe Version mit zusätzlichen Cover-Songs, die zum Teil in den vergangenen Monaten bereits als Single erschienen sind.
Der Titel Heimat wird bewusst wegen der innewohnenden Ambivalenz gewählt, wobei Heaven Shall Burn ihre klare politische Position keineswegs aufgeben, sondern eher noch unterstreichen.
Mit dem Titel ›Heimat‹ wollen wir ganz bewusst dieses Stirnrunzeln erzeugen, das sich bei Leuten wie uns automatisch bei diesem Begriff einstellt. Heimat ist eigentlich ein wunderschönes Wort, was es umso schlimmer macht, dass es bei mir dieses Halskratzen erzeugt, weil der Begriff so wahnsinnig oft instrumentalisiert und als Kampfbegriff verwendet wird.
Das Cover mit einem röhrenden Hirsch passt dazu auf eine irritierend stimmige Weise.
Spannend wird es, wenn man bei den orchestralen Versatzstücken genau hinhört: Streicher erzeugen eine melancholische, düstere Stimmung; man sieht sich förmlich im nebligen Thüringer Wald stehen. Im Intro Ad Arma hört man neben den Streichern Vogelgezwitscher, aber auch Explosionen und Gewehrsalven. Im Interlude Imminence, das die Platte klassisch in A- und B-Seite teilt, hört man wieder die Bomben, dafür keine Vögel mehr. Aber ist da nicht auch das peinvolle Röhren des Hirsches vom Cover zu erkennen? Im Outro Inter Arma, das noch ein wenig schwerer daherkommt, schweigen dann die Waffen. Dafür hört man wieder die Vögel und die Platte entlässt den/die Hörer*in in eine friedliche Waldlandschaft. Der Titel lässt jedoch vermuten, dass der Kampf noch nicht ausgestanden ist. Und dieser Gedanke zieht sich durch das Album als Leitmotiv. In der Presseinfo wird selbst der Anspruch formuliert, wer „Heimat“ gehört hat, solle in die Lage versetzt werden, Kriege als das zu erkennen, was sie sind: Von Despoten ins Werk gesetzte Verheerungen, in denen es letztlich nur Verlierer gibt.
Die orchestralen Stücke verleihen der Platte einen wunderbaren Rahmen, aber was dazwischen passiert, darum soll es nun gehen.
Ad Arma entlässt uns in eines der vielleicht HSB-untypischsten Stücke: War Is The Father Of All ist ein über sechseinhalb Minuten langer Brecher und die ersten eineinhalb Minuten davon klingen wie eine Mischung aus Heaven Shall Burn und Blind Guardian mit opulenten klassischen Chören. Eine Strophe, die ein wenig frühe Machine Head zu zitieren scheint, mündet in einen epischen Refrain, dem es mühelos gelingt den Bombast von Amon Amarth (überhaupt, Marcus Bischoffs Growls sind hier tiefer than ever…) und Blind Guardian zu (über)treffen. Der Song ist unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs entstanden und der schon erwähnte Chor ist aus ukrainischen Musiker*innen zusammengestellt.
Wow. Was soll danach noch kommen?
My Revocation of Compliance, ein fast schon klassischer HSB-Song mit starker Death Metal Note, das melodischere Cofounder und Empowerment waren schon als Vorab-Singles bekannt. Aber, auch Empowerment steht für sich mit einer Verbeugung vor Danzigs Mother zum Start. Und kommt da im C-Teil tatsächlich eines der seltenen Soli bei Heaven Shall Burn?
A Whisper From Above gelingt es dann mühelos zwischen hochmelodischen Parts und Blastbeats zu wechseln und man versucht eigentlich die ganze Zeit nur zu folgen, wie viele Ideen die Thüringer hier hineinpacken.
Nach dem kurzen Durchatmen im Interlude Imminence brettert dann Those Left Behind wieder mit einem eher klassischen HSB Doublebass Brecher los. Ten Days In May startet schön thrashig, nur um dann wieder die ganz großen Melodien rauszuholen. Und auch hier gibt es ein richtig klassisches Metal Solo obendrauf.
Es folg der obligatorische Cover-Song, der diesmal auch bereits vorab veröffentlich wurde. Also keine Überraschung: Numbered Days inklusive Jesse Leach von Killswitch Engage. Das ist stilmäßig jetzt deutlich näher an Heaven Shall Burn als so manches Cover der Vergangenheit. Hört man das Original und die Neuinterpretation direkt im Vergleich wird a) deutlich, wie fett die Produktion des Songs bereits vor über 20 Jahren war und b) dass man trotzdem eine ordentliche Schippe drauflegen kann. Die Gitarrenwände sind dichter, die Screams haben mehr Druck und sind gleichzeitig dank Marcus Stimme etwas schärfer und schneidender.
Dora ist wieder eher gewohnte HSB-Kost (und das meine ich keineswegs negativ) und besticht durch die mehrstimmige Melodie im Refrain. Zum Abschluss kommt dann A Silent Guard, nicht ganz so episch wie der Opener (auch schwer möglich…), aber gerade durch den Halftime-Beat im Intro und Refrain ein schöner bombastischer Ausklang, bevor uns Inter Arma wieder in den friedlichen Thüringer Wald entlässt.
Produziert wurde Heimat wie auch schon die Vorgängeralben von Gitarrist Alexander Dietz mit einem finalen Mastering von Tue Madsen. Und daran gibt es mal wieder kein Stück auszusetzen. Der Eindruck mag täuschen, aber Heimat klingt immer wieder noch ein Stück differenzierter und dynamischer als frühere Werke durch die vielen verschiedenen instrumentalen Layer.
Fazit
Zehntes Album und kein Stillstand. Wahnsinn, das muss man erstmal schaffen. Ein Grund dafür ist sicher auch: Heaven Shall Burn könnten vermutlich von ihrer Musik leben – tun es aber bewusst nicht. Alle Bandmitglieder gehen weiterhin regulären Jobs nach. Das nimmt offenbar den Druck aus dem Musikmachen; und genau das hört man. Heimat ist ein wahnsinnig intensives und vielschichtiges Stück Musik und weit mehr als stumpfes Metalcore-Geballer. Man hätte vielleicht gedacht, schon alles von Heaven Shall Burn gehört zu haben – weit gefehlt: Dieses Album ist der Beweis und damit eine ganz klare Kaufempfehlung.
Tracklist:
- Ad Arma
- War Is The Father of All
- My revocation Of Compliance
- Cofounder
- Empowerment
- A Whisper From Above
- Imminence
- Those Left Behind
- Ten Days In May
- Numbered Days (feat. Jesse Leach of Killswitch Engage)
- Dora
- A Silent Guard
- Inter Arma
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