Denn es ist mehr als Musik, mehr als das Aussehen und als alle Trends, die irgendwann vergehen. Das ist mein Leben Baby und egal was auch passiert: Ich habe Punkrock in meinem Herzen tätowiert.
Eigentlich haben L.A.K mit diesem Refrain meine Liebe zum Punkrock ganz einfach auf den Punk(t) gebracht. Das spiegelt sich so dann auch in meiner Worth To Die For-Liste wider. Wobei To Die For mir zu negativ besetzt ist, ich nenn die Liste dann doch lieber: 10 Platten, die ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde. Klingt gleich lebensfroher und positiver.
Dass L.A.K nicht mit einer Veröffentlichung in dieser Liste auftaucht, liegt einfach daran, dass es mir unmöglich ist, bei der Band ein Album auszuwählen, welches wegweisend für die Band und/oder mich war. L.A.K sind nun schon seit einem viertel Jahrhundert unterwegs, machen seit ihrer Gründung praktisch die gleiche Musik ohne viele Experimente. Nie ist die Band irgendwelchen Trends nachgelaufen, gerade das macht die Musik so zeitlos und einzigartig. Noch heute höre ich genauso gerne die ersten Alben wie das aktuelle Album. L.A.K haben schon bei ihren ersten Veröffentlichungen den Zahn der Zeit getroffen – und heute sind die Texte nach wie vor genauso aktuell. Das ist schon beeindruckend. Klar, hat sich die Band über die Jahre schon weiterentwickelt: L.A.K ist mittlerweile ein Quartett, die Stimme vom Eiler ist zum Niederknien geworden, die Musik ist etwas komplexer gestaltet. Aber die Essenz hat sich L.A.K seit Gründung beibehalten. So kann ich mit voller Überzeugung sagen: L.A.K haben mich in meiner Jugend geprägt und durch so manchen Kampf getragen.
Aber eigentlich ist das hier ja eine Liste über zehn Alben, die ich mit auf eine einsame Insel nehmen würde. Also auf ins Boot in Richtung Sonnenuntergang mit einem Koffer voll Platten in der einen und einem Plattenspieler in der anderen Hand. Strom gibt es sicherlich auf der Insel, oder?!
1Nonstop Stereo – Wenn du loslässt erledigt die Schwerkraft den Rest
Nonstop Stereo gehört zu meinen absoluten Lieblingsbands, trotz nur drei erschienenen Alben plus eine EP. Entdeckt hab ich die Band über den vorletzten Aggropunk-Sampler (Sampler lohnen sich immer!), der Song Charles Bier hat es mir sofort angetan. Daraufhin bin ich in die Nonstop Stereo Welt eingetaucht und habe es bisher nicht eine Sekunde bereut. Keine der Veröffentlichungen braucht sich zu verstecken, allerdings sticht für mich Wenn du loslässt erledigt die Schwerkraft den Rest dabei heraus. Das Mastermind hinter Nonstop Stereo Frank Ludes (früher bei Bash! heute bei FLOMB!) lief hier zur Höchstform auf. Musik, Text, Tempo, Artwork, alles passt. Zugegebenermaßen kann Frank keine schlechten Texte schreiben, für mich zählt er sowieso zu den besten Textern, die die deutschsprachige Punkszene zu bieten hat. Was mich besonders an der Musik von Frank reizt ist, dass die Texte so breit gefächert sind und man nicht den tausendsten Track übers Bier saufen vorgesetzt bekommt. Da aber Nonstop Stereo kein Soloprojekt war, möchte ich an dieser Stelle nochmal ein Lob an die ganze Band aussprechen. Nonstop Stereo, das war Punkrock mit Herz, Verstand und einem extrem feinen Gespür für wunderbare Musik. Eine Empfehlung für alle, die Bock auf Punkrock mit Köpfchen haben. Einziges Verbrechen von Nonstop Stereo: Das Schwerkraft-Album ist das einzige Album, was nie auf Vinyl veröffentlicht wurde. Vielleicht wird es ja was zur Volljährigkeit des Albums.
2Robinson Krause And The Gays Of Thunder – Let’s Gets Happy
Robinson Krause ist eigentlich ein Punktrio aus Hamburg, welches mit den bisherigen Veröffentlichungen mich durchweg überzeugen konnten. 2013 wurde dann Let’s Gets Happy! veröffentlicht. Das völlig überladene Cover reiht sich dabei perfekt in den Albumtitel ein. Nur „klassischer“ Punkrock wird hier nicht geboten. Robinson Krause interpretieren auf dem Album ihre Songs neu und verzichten dabei weitestgehend auf verzerrte Gitarren und Geschrei. Dafür halten Bläser, Klavier und Orgel Einzug. Weil das aber den Jungs wohl noch nicht genug war, wurden die Songs umbenannt sowie teils sogar umgetextet. Dabei ist ein unglaublich vielfältiges und abwechslungsreiches Album entstanden, bei dem keine Sekunde langweilig ist. Zudem ist es furchtbar tanzbar und der Sound ist glasklar. Da wo ich herkomm‘, Brammerau und Von Objetkophilie und Zugvögeln sind nur einige Beispiele für den Ideenreichtum.
3Propaganda Network – Parole Parole Parole
Für die einen war es Schweineherbst von Slime, die nachhaltig den Musikgeschmack aber auch die politische Einstellung geprägt hat. Für mich war es Parole Parole Parole von Propaganda Network. Fantastische Texte mit einer eindeutigen Message. Hinzu kommt, dass jedes Bandmitglied seine Instrumente mehr als einfach nur versteht. Das hat mir in meiner Jugend schon sehr gut gefallen, wenn eine Punkband mehr als nur drei Akkorde beherrschte. Die Gitarren waren noch nicht so ganz verzerrt, trotzdem hat das Album eine Aggresivität ausgestrahlt (die es heute noch immer tut), die mich in den Bann gezogen hat. Respektiv betrachtet war Propaganda Network auch meine erste Berührung mit Hardcore Punk. Das Album ist richtig fein abgemischt und so kommt auch der Gesang / das Geschrei von Klaus voll zur Geltung. Besonders hervorzuheben ist zudem das Schlagzeug, welches Propaganda Network erst so richtig den Feinschliff verpasst und die Band aus der Masse herausstechen lässt. Ideale Reanimiert, Konvexspiegel, Maulsperre, ach eigentlich jeder Track auf dem Album hat sich in mein Gedächtnis gebrannt und rotzt heute immer noch so wie damals, als ich das Album das erste Mal eingeschmissen habe. Einzig Marie darf heutzutage kritisch gesehen werden. Erschreckend ist nur, dass kaum einer der Texte an seiner Aktualität verloren hat. Aber das schönste ist, dass dieses Jahr endlich ein neues Album aus dem Hause Propaganda Network kommt, das mit Leichtigkeit an dem Parole-Album anknüpfen kann. Ich freu mich, wenn ich endlich die Review dazu schreiben darf.
4Inwiefern – Irgendwas ist immer
Punkrock gespickt mit Leichtigkeit, durchweg interessanten Einfällen und einem scheinbaren Fetisch für Haare. Das ist Inwiefern. Eine Band, die recht lange auf meiner Liste „Muss ich mir mal irgendwann anhören“ stand und ich mir dann endlich vor zwei Jahren oder so die Vinyl geholt habe. Ich war schockverliebt und bin es heute immer noch. Theoretisch hätte hier auch das Folgealbum stehen können, allerdings wurde da leider beim Mastering geschlampt und der Sound lässt etwas zu wünschen übrig. Deshalb steht hier nun Irgendwas ist immer. Eigentlich machen Inwiefern klassischen Punkrock ohne viel Tamtam. Aber was gerade dieses Album hervorhebt, sind die Texte, die nur so vor Leichtigkeit und unglaublich sympathischer Naivität strotzen. Das man als Hörer das ganze Album über immer so leicht tendenziell aggressiv angeschrien wird, bringt dann noch das gewisse Extra. Wie bereits erwähnt, spielt die Band eher handelsüblichen Punkrock, was natürlich nicht heißt, dass auch hier und da interessante und eigentlich „überflüssige“ Parts eingestreut werden (als Beispiel sei die Doublebass bei Make Love Not War aufgeführt). Auch gefällt mir das Albumcover sehr, muss da immer grinsen, wenn ich die Platte aus dem Regal hole. Was die Jungs aber mit den Haaren haben, kann ich mir echt nicht erklären. Aber hey, jeder hat so sein Ding.
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5Excrementory Grindfuckers – RAMPAMPAMPAMM! (Weihnachten mit den Grindfuckers)
Ist das Ding sowas, für was man sich schämen müsste? Schlager-Grindcore und dann auch noch im Weihnachtsgewand. Und trotzdem lässt mich das Konzeptalbum seit Veröffentlichung nicht los und das nicht nur zu Weihnachten. Ich kann mich an einen Adventskalender auf Youtube irgendwann mitten im Sommer erinnern, welcher durchweg überzeugen konnte. Klar, musikalisch ist das Album nicht das anspruchvollste, Orginalität, Abwechlungsreichtum und Humor gleichen das aber mit Leichtigkeit aus. Dann noch die Aufmachung der Verpackung: Ein hochwertiger Kalender mit stimmigen Bildern. Excrementory Grindfuckers – bekannt für Chartstürmer wie Flummi, das Reh, Geballer-Mann 666 oder Picknick im Zenit metaphyischen Widerscheins der astralen Kuhglocke – haben mit dem Weihnachtsalbum für endlich hörbare Weihnachtsmusik gesorgt. Da bleiben vermutlich sogar die Verwandten weg.
6Napoleon – Epiphaney
Manchmal sind Streaming-Dienste wie Spotify sogar gut. Insbesondere dann, wenn man eine Band entdeckt, die einen komplett in den Bann zieht. Napoleon war so ein Fall. Epiphaney ist so technisch, so vielfältig, so kompromisslos, dass es mich bis heute nicht mehr loslässt. Das Artwork holt mich ebenso ab, könnte mich darin für Stunden verlieren. Im Gegensatz zum ersten Album Newborn Mind, welches mindestens genauso fantastisch ist (vielleicht sogar etwas besser), ist Epiphaney dabei allerdings deutlich strukturierter. Jedes einzelne Bandmitglied versteht sein Instrument so verdammt gut, dass es eine wahre Freude ist, das Album von vorne bis hinten durchzuhören. Nicht umsonst gibt es von den beiden Alben auch jeweils eine rein instrumentale Version. Der Gesang und das besungene geht unter die Haut und komplementiert die Musik bis zur Perfektion. Nur live müssen die Jungs wohl mit ewig vielen Backing Tracks gearbeitet haben. Nur erfahren werde ich das vermutlich nie: Leider hat sich die Band mittlerweile aufgelöst. Was aber bleibt sind zwei fantastische und atemberaubende Alben für die Ewigkeit.
7The Hirsch Effekt – Eskapiest
Lifnej – was für ein Monster und was für ein großartiges Musikvideo. Als ich über The Hirsch Effekt gestolpert bin, habe ich einfach mal meine mir bekannten musikalischen Pfade hinter mir gelassen und mich in einen Kannichenbau begeben. Eskapiest ist da vermutlich das beste Album zum Einstieg gewesen. Obwohl The Hirsch Effekt quasi mit allem bricht, was ich an Musik so schätze, ist es genau das gewesen, was mich so in den Bann gezogen hat. Strukturiertes Chaos mit unglaublichem Tiefgang und Vielfalt – musikalisch wie lyrisch. Soll es mal epochaler sein, dann lass Lysios, Inukshuk oder Natans (ganz nebenbei der beste Song von The Hirsch Effekt) laufen. Soll geknüppelt werden, dann ab mit Tardigrada, Lifnej oder Aldebaran. Die drei Jungs verstehen ihr Handwerk so gut und überschreiten immer wieder Genregrenzen, die eigentlich nicht zusammen gehören. Und trotzdem funktioniert es. Das Artwork von Eskapiest spiegelt das kontrollierte Chaos perfekt wider. Mir fällt gerade auf, dass praktisch jedes Album auf der Liste mich auch gleichzeitig mit dem Artwork überzeugen konnte. Bei Musik hört zwar hauptsächlich das Ohr mit, wenn es aber was schönes für die Augen gibt, ist das immer ein nicht zu unterschätzender Bonus.
8La Dispute – Wildlife
Über La Dispute oder um noch genauer zu sein King Park bin ich auch nur durch Zufall bei Spotify gestoßen. Musik berührt mich immer, aber was King Park, Edward Benz, 27 Times oder I See Everything mit mir gemacht haben (und heute noch machen) ist ein ganz anderes Level. Wildlife ist ein Meisterwerk von der ersten bis zur letzten Sekunde. Die drei genannten Titel sind dabei aber vermutlich die Highlights des Albums. Auf Vinyl ist der Sound dann auch noch glasklar und sagt damit: Wildlife ist ein Album, dass für Vinyl gemacht wurde. Allerdings – trotz der großartigen Musik – muss die Stimmung passen, um das Album in seiner gesamten Länge zu hören. Wildlife ist kein Album, was man mal eben so nebenbei hört. Es will, dass man sich Zeit dafür nimmt. Und wenn man sich die Zeit nimmt, dann belohnt es einen mit einer tiefgründigen sowie atemberaubenden Geschichte.
9I Saw Daylight – όνειρο
Ganz vielleicht spielt bei όνειρο mit rein, dass das Album auch die erste Review war, dass ich für Away From Life verfasst habe. Allerdings spielt das eine so untergeordnete Rolle, weil I Saw Daylight mit diesem Album was wirklich feines abgeliefert haben. Was mir immer noch an diesem Album so gut gefällt ist, dass man wirklich hört und spürt, dass es sich um eine Einheit, eine Familie handelt, die das Album aufgenommen hat. Es passt einfach, das Album ist absolut in sich geschlossen. Es ist zwar Emo-Post-Hardcore, aber das Emo findet sich mehr in den Texten und nicht in der Musik wieder. Emo ist eigentlich nicht wirklich meins, aber I Saw Daylight haben mit diesem Album genau den Sound erwischt, der mich abholt. Da ich schon bei den Excrementory Grindfuckers das Artwork gelobt habe, möchte ich das hier auch nochmal. Das kleine Büchlein, in dem die CD gebettet ist, kann durchweg überzeugen.
10Donots – Lauter als Bomben
So, zum Schluss schummel ich mal ordentlich. Aber hey, Away From Life ist ja auch ein Punk-Zine, da darf man auch mal die Grenzen druchbrechen. Ja, die Donots und ich: Mir war die Band schon seit meiner Jugend bekannt, allerdings war da nie das Interesse, mich mit der Band näher zu beschäftigen. Dann kam Karacho, welches ja quasi als Neugeburt und Durchbruch der Donots verstanden werden darf. Aber warum hab ich dann Lauter als Bomben und nicht Karacho hier stehen?! Nun, bei Lauter als Bomben gibt es ja noch die Live-DVD vom ungefähr 1000. Konzert. Und genau das Ding ist der Grund, warum das Album hier in dieser Liste auftaucht. Hätte ich vorher nur ansatzweise erahnt, was für eine verdammte Wucht die Donots live sind, dann hätte ich mich schon viel früher für die Jungs interessiert. Mittlerweile kann ich voller Überzeugung sagen, dass die Donots zu den besten Livebands Deutschlands gehören. Das ungefähr 1000. Konzert war mein garantiert erstes Donotskonzert und ich hab mich da in Münster schlagartig in die Jungs verliebt. Das dann die Show noch aufgenommen wurde, ist da natürlich die Kirsche auf der Torte. Leider war ich auf der ersten Konzertrutsche der HIEGT-Tour gesundheitlich verhindert, aber es wurden ja schon weitere Konzerte irgendwann im Herbst angedeutet. Und natürlich hoffe ich auf den Grand Münster Slam, das hat sich mittlerweile so als Tradition etabliert, damit das Konzertjahr immer zu beenden.
Honorable Mentions
- Der Feine Herr Soundso – Wann, wenn nicht irgendwann? (2021) Wie unbequem kann ein Album bitte sein?
- Die Ärzte – Die Ärzte (1986) Das wohl ungewöhnlichste Ärzte-Album
- Farin Urlaub – Am Ende der Sonne (2005) Das wohl ungewöhnlichste FU-Album
- FJØRT – Kontakt (2016) Hier hat sich die Post-Hardcore-Welt für mich aufgetan
- Konfuz – nicht dabei (2006) Ständiger Begleiter
- Kasa – Alarmzustand! (2003) Dreckig, hochpolitisch, wegweisend
- NOFX – The Decline (1999) Knapp 19 Minuten Punkgeschichte
- A Day To Remember – Homesick (2009) Metalcore und Pop-Punk at its best
- Propaghandi – Victory Lap (2017) Adventures In Zoochosis
- Boysetsfire – After The Eulogy (2000) Ihr bestes Werk
10 Records We Would Die For!
Ihr kennt sie vielleicht bereits! Unsere schon seit langem laufende, bei euch sehr beliebte Rubrik 10 Records Worth To Die For. Dort stellen euch alle zwei Wochen Bands bzw. deren Bandmitglieder*innen oder anderweitige Szenemacher*innen ihre 10 persönlichen Lieblingsplatten vor.
Um euch die Gesichter hinter AWAY FROM LIFE etwas näher zu bringen, starten wir parallel dazu nun die Sonderrubrik 10 Records WE Would Die For. Nach und nach, jeweils in den Wochenpausen zur Main-Rubrik, präsentiert euch jedes AWAY FROM LIFE-Mitglied (aktuell ca. 30!) seine 10 Platten, die einen besonders geprägt haben.
Sowas ca. 17 Jahre nach dem Release zu lesen, ist echt cool und freut uns mehr als die Reviews von damals 🙂
Alles sehr schön geschrieben und schicke Bandauswahl.
Wünschen dir alles Gute und viel Erfolg in allen Bereichen.
Maximalen Dank Flo!
Grüße auch an das Team von Afl
Klingt vielleicht etwas kitschig, aber das zeigt doch, dass Musik echt zeitlos sein kann. Wünsche gehen natürlich zurück!
Allerherzlichsten Dank lieber Flo, für diese zuckersüßen Worte zu Nonstop Stereo. Das reint sich, war aber an dieser Stelle gar nicht der Plan. Ich freue mich sehr, in deinen Fokos geraten zu sein und sende Beste Grüße aus Krefeld an dich und alle Away from lifeler*innen!
Immer gerne! Schön, dass dir die Zeile gefallen. 🙂