Was geht ab, Leute? Ich hoffe ihr hatte alle ein gutes Jahr. Ich bin Manu und präsentiere euch hiermit feierlich meinen ersten Jahresrückblick für AFL. Da ich erst seit einigen Wochen dabei bin, ist es für mich eine besondere Ehre meine Highlights des Jahres vorstellen zu können! Ich kann euch schon mal verraten, dass ich viele Releases in diesem Jahr sehr gefeiert habe. Für Punk und Hardcore war 2023 ein sehr gutes Jahr! Vielleicht hängt das ja sogar direkt damit zusammen, dass das Jahr in allen anderen Belangen eher so semi-cool war. Wie schon in den 80er und 2000er Jahren scheint mit der allgemeinen Verschärfung des politischen Diskurses und des abnehmenden sozialen Zusammenhalts ein Popularitätsgewinn für Protestmusik einherzugehen. Cool! Immerhin etwas, oder? Lasst mich in den Kommentaren wissen wie ihr das seht! Und wenn ihr schon dabei seid, dann nehmt doch auch noch einmal kurz an unserer Leserumfrage teil!
Nun aber zu dem, weshalb ihr hier seid:
Alben des Jahres 2023
Incendiary – Change The Way You Think About Pain
6 Jahre nach dem großartigen Thousand Mile Stare liefern Incendiary dieses Jahr endlich wieder neue Musik. Wie schon auf dem vorherigen Album gibt es hier New Yorker Hardcore mit Tiefgang. Change Way You Think About Pain ist gespickt mit harten Riffs, brutalen Breakdowns und viel Bounce im Rhytmus. Durch das Soundgewitter ertönen politisch getränkte Shouts die im positiven Sinn an Rage Against The Machine erinnern. Wer beim Hören von Echo of Nothing nicht zu dem Schluß kommt, dass tatsächlich jedes Fenster einen Backstein verdient hat, hat warscheinlich keinen Puls. Die musikalischen Einflüsse liegen hier aber weniger bei den ikonischen Kaliforniern, sondern eher im kalten New York bei Bands wie Snapcase oder 108. Für mich DER Soundtrack zur Revolution im Jahr 2023.
Conservative Military Image – Casual Violence
Wenn beiläufige Gewalt auf einmal Spaß macht, dann hat man warscheinlich Conservative Military Image auf den Ohren. Kein Album hat es in diesem Jahr so zuverlässig in meine Rotation geschafft wie Casual Violence. CMI haben ein Rezept gefunden, dass klassichen Ois genauso schmeckt wie der allgemeinen Hardcore Crowd. Jede Sekunde strotz nur so vor Energie. Die Grundausrichtung der Songs kommt aus dem Oi- und Streetpunk, mit Ihrer Verbindung von Melodie und Agressivität. Der klassische Sound wird aber immer wieder durchbrochen von perfekt getimten Breakdowns und groovigen 2-step Parts. Man kann die Strahlkraft der Band aber nicht abschließend erklären, ohne auf das Charisma von Frontman Adam Voss zu verweisen. Er schafft es den Hörer in seinen Bann zu ziehen und mit einfachen aber eingängigen Texten eine eigene Welt zu erschaffen in der es nur „Wir-gegen-Alle“ gibt. Wem diese ausgrenzende Skinhead-Rhetorik der Band komisch vorkommt, kann sich aber beruhigen: Die Band lässt keine Gelegenheit aus sich klar von Boneheads abzugrenzen. Für mich die unterhaltsamste Platte des Jahres.
Zulu – A New Tomorrow
Auf A New Tomorrow schaffen Zulu den Spagat zwischen gestern und morgen, Wut und Leidenschaft, und Harmonie und Wiederstand. Wie schon auf ihren ersten Veröffentlichungen vermischt die Band aus Los Angeles ihre Art Powerviolence/Metalcore mit Pianopassagen, Soul Samples und Poesie. Das Ergebnis ist eine Achterbahnfahrt durch die Höhen und Tiefen der Lebensrealität der schwarzen Bevölkerung in den USA. Aber anders als es vielleicht erwartbar wäre, geht es hier nicht nur um Wut, Trauer und Verzweiflung. Zulu schaffen es gleichzeitig eine hoffnungsvolle Zukunftsvision zu malen, in der die eigene Community solidarisch und selbstermächtigend das eigene Glück in die Hand nimmt. Aber selbst wenn man die gesellschaftspolitischen Themen der Platte ausblendet, bleibt auf jeden Fall ein extrem gutes Metalcore Album mit vielfältigen Einflüssen zurück an denen man sich erfreuen kann. Wenn man gerne musikalisch und thematisch über den Tellerrand blickt und trotzdem gerne hart rocken will, kommt man bei A New Tomorrow definitiv auf seine Kosten.
Harms Way – Common Suffering
Wie bereits in meiner Review zu dem Album beschrieben, schaffen es Harms Way hier ein schlüßiges Konzeptalbum zu existenziellem Leid und menschlichen Abgründen vorzulegen. Anders als in der allgemeinen Wahrnehmung ist Harms Way keine stumpfe Meme-Truppe, sondern eine intelligente und tiefgründige moderne Hardcoreband. Common Suffering erzeugt eine bleischwere Atmosphäre, die kaum leichte Momente zum Durchatmen übrig lässt. Trotzdem ist mir das Album sehr positiv im Gedächtnis und wird sicherlich auch in Zukunft den Weg in meine Playlist schaffen, zumal ich mir aufgrund des genialen Artworks auch die Vinyl Version zugelegt habe.
EPs des Jahres 2023
DER KRIEG IN MIR – 21/22
Die beste EP 2023 (die keiner gehört hat). Hardcore auf deutsch ist und bleibt ein Nischenprodukt, umso cooler ist es, dass die beiden ehemaligen A Traitor Like Judas Mitglieder Jasper und Tille das Experiment wagen. Auf 21/22 bekommt ihr hochwertigen Hardcore mit Metal und Pop-Punk Einflüssen und dazu eben erfrischenderweise deutsche Lyrics. In knapp über 20 Minuten liefern die Jungs abwechslungsreiche Songs und jede Menge Sozialkritik, Humor und Sing-Alongs. Zwar werden textlich einige heiße Eisen angefasst, so zum Beispiel die allgegenwärtige Instagramifikation und der damit einhergehende Nazismuss (Alles für ein GRAM) und die seit Jahren ansteigende stumpfe Deutschtümelei (GERMANzipation), aber gleichzeitig wird alles mit einem Augenzwinkern und vielen unterhaltsamen Momenten aufgelockert. Unbedingt auschecken solltet ihr auch das Cover Die Erde ist Flach von den legendären Max Rebo Kids. Als Fazit kann man sagen, dass mir die Platte trotz vieler Repeats absolut nicht langweilig geworden ist. Am Ende sind DER KRIEG IN MIR als 3. Platz meiner Artists auf Spotify ins Ziel gegangen. Ich kann nur eine absolute Empfehlung für diesen Geheimtipp abgeben.
Spy – Satisfaction
Auf Satsifaction bieten Spy ihren bereits auf den Vorgängern Service Weapon und Habitual Offender präsentierten dreckigen Hardcore, der ganz tief im Punk verwurzelt ist. Zwar ist die Platte sehr kurz aber in diesem Release wird keine Sekunde Spielzeit verschwendet. Anders als der Name vermuten lässt schleichen sich Spy nicht heimlich an. Nein, hier gibt es direkt auf die Fresse. Spy klingen wie eine tollwütige Horde Gorillas mir Mikrofon und Instrumenten. Jeder Song ist kurz, hart, chaotisch und trotzdem irgendwie funky. Für mich ist Satisfaction noch mal ein deutlicher Schritt nach vorne und definitiv eines meiner Lieblingsreleases des Jahres. Das einzige Manko ist, dass die 10 Songs in nur 13 Minuten Laufzeit durchgeballert werden. Gerne mehr, gerne länger!
Scowl – Psychic Dance Routine
Wenn Grunge auf Hardcore trifft, kommt oft was spannendes dabei heraus. Im letzten Jahr haben mich Fleshwater mit ihrem 90er Jahre Sound extrem begeistert und ähnliche Qualitäten zeigen in diesem Jahr auch Scowl auf Psychic Dance Routine. Hardcore meets Pop-Punk meets Grunge meets Feminismus. Auch wenn das nach einer wilden Mischung klingt, das Gesamtkonzept geht trotzdem auf. Die poppigeren Passagen gehen super ins Ohr und wechseln sich mit klassischen Hardcoreparts und 90er Riffs ab. Viele Puristen werden sicherlich ihre Schwierigkeiten mit soviel Experimentierfreude haben, ich feiere es aber sehr. Nicht nur im Sound erinnern Scowl an Hole, auch das Charisma von Kat kann mit dem von Courtney Love mithalten. Auf jeden Fall eine Band, die man im Auge behalten sollte.
Gel – Only Constant
Gel liegen irgendwo in der Mitte zwischen dem chaotischen Punk von Spy und den Grunge Einflüssen von Scowl und schaffen es, dabei genauso spannend zu sein wie die vorher genannten Beiden. Gel haben das Potenzial zu einem absoluten Publikumsliebling. Sie bringen auf Only Constant sehr tanzbare Hardcore Sounds für den Mosh-Pit, aber platzieren gleichzeitig diverse Einflüsse (von Powerpop bis Trashmetal) in den Songs, die den Release super vielschichtig werden lassen. Über der großartigen Musik keift sich Sami die Seele aus dem Leib. Sicherlich ein Contender für die Vocal-Delivery des Jahres. Genauso wie bei Spy ist mir hier leider die Laufzeit deutlich zu kurz. Danke für den Vorgeschmack, bitte dringend um einen Nachschlag! Fishis großartiges Review zu dem Release findet ihr hier.
Newcomer des Jahres 2023
Circle Nine
Circle Nine versprechen uns „heavy music without Gimmicks“ und lösen ihr versprechen auf der Tombstone Mini-EP auch direkt ein. Die beiden Songs haben eine große Portion 90er Jahre Death Metal Einflüsse im Gepäck. So bringt mir das Gitarrensolo auf Tombstone unweigerlich In Flames in Erinnerung. Die Mischung aus Hardcore und 90er Metal ist aber natürlich an sich nichts Neues, ich fühle mich beispielsweise an die frühen Verföffentlichungen von Unearth erinnert. Trotzdem schaffen es Circle Nine in keiner Weise unzeitgemäß zu klingen. Ganz im Gegenteil, mit dem konsequent harten Songwriting, den ikonischen Metalgitarren und der 1A Produktion kommt der Sound super frisch daher. Ich freue mich darauf Circle Nine demnächst auf Tour zu erwischen und bin sehr gespannt was die Jungs für 2024 geplant haben.
Erwähnenswerte Highlights 2023
Mein persönliches Highlight des Jahres war definitiv das Outbreak Fest! Die Kombination aus Hardcore und Hip-Hop die aufgeboten wurde hat meinen Geschmack einfach perfekt getroffen.So konnte ich nicht nur absolute Hardcore Highlights genießen, sondern auch Rapper live sehen die weit oben auf meiner Liste stehen. Nicht nur die Headliner, zum Beispiel Converge und Code Orange, waren pures Feuer, sondern auch die lange Liste an großartigen Undercard Bands war absolut heiß. Hier nur mal eine schnelle Aufzählung: Spy, Show me the Body, Pain of Truth, Speed und Trapped Under Ice. Das sind aber nur die Hardcore Acts. Die Hip-Hop Acts haben dem in nichts nachgestanden. So war es mir auch ein Hochgenuss Lil Ugly Mane, Earl Sweatshirt und Denzel Curry live sehen zu können. Über allem Thronen aber der exklusive Europaauftritt von Bane und die unvorstellbar starke Perfomance von Death Grips. Es ist keine Untertreibung wenn ich sage, dass der Laden einfach nur gekocht hat. Ich freue mich jetzt schon auf die Bekanntgabe des Line-Ups für nächstes Jahr und hoffe wieder dabei sein zu können.
Ein weiteres Jahreshighlight ist noch gar nicht so lange her. Im Zuge ihrer Europatour haben Conservative Military Image vor Kurzem auch in Braunschweig halt gemacht. Das Konzert hat im Spunk stattgefunden, ein kleines Café mit Vereinsheim-Charme in einer Kleingartensiedlung. In Summe waren wir vielleicht 30 Zuschauer, was CMI aber nicht davon abgehalten hat den Laden abzureißen. Außerdem hatte ich die Chance bei einem Bierchen mit dem sehr sympathischen Adam zu quatschen. 10/10 Erlebnis und hoffentlich nicht das letzte Mal!
Enttäuschung des Jahres 2023
Leider hat mich das zuletzt erschiene Code Orange Album absolut nicht abgeholt. Da ich aber keine Lust habe einen Verriss zu schreiben und ich mir auch sicher bin, dass es bestimmt gute Gründe gibt das Album doch zu mögen, bleibt mir nur zu sagen, dass ich einfach keinen Zugang dazu gefunden habe. Schade, eigentlich mag ich die Band!
Ausblick für 2024: Für das nächste Jahr wünsche ich mir…
Dieses Jahr hat es leider nicht geklappt, hoffentlich aber im nächsten Jahr: Ich möchte unbedingt End It live erwischen! Für mich die spannendste Band des aktuellen Hardcore-Revivals. Ich werde die Line-Ups des Festivalsommers daher auf jeden Fall ganz genau beobachten.
Außerdem wünsche ich mir wieder Hip-Hop auf dem Outbreak! Mir ist bewußt, dass das viele ganz anders sehen. Für mich findet dort aber zusammen, was zusammengehört!
Und zum Abschluss noch ein Wunsch für die ganz nahe Zukunft. Ich freue mich sehr auf das Debütalbum von Mamoré! Die Jungs lassen die Neue Deutsche Welle wieder aufleben und transportieren den Sound der 80er in die Gegenwart. Die Platte sollte noch im Dezember bei mir eintrudeln, daher könnte es zum Jahreswechsel schon die dazugehörige Review geben. Ich bin heiß!
Und ich freue mich natürlich auch auf ein spannendes erstes Jahr bei AWAY FROM LIFE und ein Jahr voller cooler Neuveröffentlichung und Konzerte!
Ich wünsche allen einen guten Jahresübergang und einen guten Start ins neue Jahr!