Bald ist es wieder soweit, dann werden am Lago Alfredo die Buden und die Bühne errichtet und es darf gefeiert werden. Denn am 21. und 22. Juli öffnen sich wieder die Tore des Seepogo Festivals. In diesem Jahr sogar gleich an zwei offiziellen Tagen.
Wie es dazu kam, was die Beweggründe waren und vieles mehr erfahrt ihr in unserem Interview mit Daniel und Felix, zwei von so einigen Organisatoren des Festivals.
Das Seepogo-Festival geht in diesem Jahr in die zehnte Auflage. Dazu erst einmal herzlichen Glückwunsch, denn ich kann mir wirklich nur annähernd vorstellen, wieviel Engagement von allen Beteiligten da benötigt wird.
Wie ging es denn seinerzeit überhaupt mit eurem Festival los?
Daniel: Lieben Dank für die Glückwünsche. Kaum zu glauben, dass in diesem Jahr die zehnte Auflage des Festivals ansteht. Dass wir das so lange machen, hätte sich 2012 sicher niemand von uns träumen lassen. Zumal wir ursprünglich mit der Idee gestartet sind, eine Party mit 2-3 Bands, einer Bühne aus Paletten und Bier-Flatrate aufzuziehen. An ein Festival hat da keiner gedacht. Zumal der Anlass ziemlich simpel war: Einer von uns hatte eine fette PA-Anlage, die wir mal komplett aufbauen wollten. Wir starteten also ziemlich blauäugig. Erst, als uns die Behörden hier vor Ort mit diversen Auflagen konfrontierten, haben wir beschlossen, die Sache größer aufzuziehen.
Ich habe gerade schon die Beteiligten angesprochen. Wie groß ist denn eure Crew und erhaltet ihr auch noch Unterstützung aus den umliegenden Dörfern/Städten?
Felix: Das Orga-Team besteht aus ungefähr 30 Leuten, die in verschiedene Teams aufgeteilt sind: Ein Team kümmert sich um die Infrastruktur, eins um die Werbung und so weiter. Da wird fast täglich kommuniziert, sodass es nur wenige Tage im Jahr gibt, an denen man sich nicht mit dem SEEPOGO-Festival beschäftigt. Beim Festival selbst bekommen wir zusätzliche Unterstützung aus verschiedenen Ortsvereinen, die entweder hinter der Theke oder beim Auf- und Abbau helfen. Außerdem greifen uns Crews von anderen Festivals aus der Region unter die Arme. Der Zusammenhalt hier im Taunus ist groß.
Daniel: Das Schöne daran ist, dass wir uns so über die Jahre die DIY-Idee erhalten konnten. Bis auf Bühne, Security und Imbiss machen wir alles in Eigenregie. Das ist ganz wesentlich für die Verbundenheit und das Herzblut, mit dem wir das Festival veranstalten.
Für die zehnte Ausgabe habt ihr euch überlegt, das Festival auf zwei Tage auszuweiten. Das ist ja schon eine Überlegung, weil damit natürlich auch der finanzielle Druck steigt. Waren direkt alle dafür oder sorgte die Idee des Wachstums auch für gewisse Diskussionen innerhalb des Teams?
Felix: In den letzten Jahren war es so, dass bereits am Freitag vor dem Festival-Samstag eine Warmup-Party mit Bands aus der Region stattgefunden hat, zu der Anfangs hauptsächlich Menschen aus dem Dorf gekommen sind, um in gemütlicher Atmosphäre ins Wochenende zu starten. Mit der Zeit hat man immer wieder neue Gesichter getroffen, die von weiter weg extra schon einen Tag vor dem eigentlichen Festival zu uns gekommen sind. Da haben wir dann langsam gecheckt, dass die Leute nicht nur wegen der Musik am Samstag zu uns kommen und danach gleich wieder nach Hause fahren, sondern dass sie Bock auf das Festival und die Stimmung bei uns haben. Deshalb war die Entscheidung, den Freitag auch als „vollwertigen“ Festivaltag dazu zu nehmen, meiner Meinung nach a) eine logische Konsequenz und b) ein fließender Übergang. Das soll aber nicht heißen, dass es unter uns im Orga-Team besorgte Stimmen gegeben hat, die vor allem das Finanzielle betrafen.
Daniel: In Zeiten explodierender Kosten haben wir aber auch gemerkt, dass man das Risiko eines eintägigen Festivals nicht unterschätzen darf. Das hat uns bei der Corona-Ausgabe 2021 und auch 2022 vor große Probleme gestellt, die wir nur mit Hilfe der Förderung von Neustart Kultur bewältigen konnten. So haben u.a. die Mietkosten für Equipment ein Niveau erreicht, bei dem sie sich für uns nicht mehr sinnvoll auf einen Festivaltag umlegen lassen. Auch daher haben wir uns zur Ausweitung auf 2 Tage entschlossen. Denn am Ende verfolgen wir noch immer das Ziel, dass das Festival für alle erschwinglich bleiben soll.
Wie läuft denn so der Vorverkauf? Seit der Pandemie waren ja Festivals und Touren auch immer mal wieder abgesagt worden, weil der Vorverkauf nicht so lief.
Felix: Du hast es gerade schon angesprochen: Mit der erweiterten Festival-Dauer wächst natürlich auch der finanzielle Druck. Für die Planbarkeit des Festivals ist ein gut laufender Vorverkauf das A und O. Aktuell ist es ehrlicherweise leider noch so, dass wir von der Anzahl der verkauften Tickets, die wir für die schwarze Null brauchen, weit entfernt sind. Vergleicht man den VVK-Stand allerdings mit den vergangenen Jahren, befinden wir uns zum aktuellen Zeitpunkt auf Rekordkurs.
Daniel: Das zögernde Kaufverhalten der Konzert- und Festivalbesucher ist für uns Veranstalter tatsächlich ein großes Problem. Das nimmt einem definitiv die Unbeschwertheit, mit der man früher an die Organisation herangehen konnte. Und so besteht ein wesentlicher Teil unserer Arbeit gerade darin, das Festival zu promoten. In der Hoffnung, dass der Knoten mit nahendem Veranstaltungstermin endlich platzt. Hier spielt uns hoffentlich auch die nun startenden Festivalsaison in die Karten. Es wäre schön, wenn die Leute wieder die Lust entwickeln, mit der sie vor Corona auf Festivals gegangen sind.
Was glaubt ihr ist der Grund für die Zurückhaltung der Leute?
Felix: Wer regelmäßig auf Konzerte geht, hat festgestellt, dass die Eintrittskarten im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit ein gutes Stück teurer geworden sind. Genau wie alles andere im Leben auch. Deshalb glaube ich, dass die Leute einfach zwei Mal überlegen, ob sie jetzt einen Betrag x für ein Festival-Wochenende ausgeben wollen und können. Denn mit dem Ticket alleine ist es ja noch nicht getan: Da kommt die Anreise dazu, Essen, Trinken, vielleicht Merch und, und, und. Da kann ich jede*n verstehen, die/der sagt: „Das Geld ist woanders besser investiert.“ Dazu kommt meiner Meinung, dass wir aktuell – zum Glück – wieder ein extrem krasses Angebot an Veranstaltungen haben. Zwischen Mai und September ist bei mir gefühlt jedes Wochenende verplant. Da kommt neben der finanziellen auch noch die logistische Komponente dazu.
Daniel: Und selbst wenn sich die Leute dann für ein Festival entscheiden, schlagen sie nicht mehr so früh zu, wie in der Vergangenheit. Wer möchte schon sein knappes Geld in Tickets stecken, die dann ein halbes Jahr an der Pinnwand oder in der Inbox schlummern?
Ihr habt auch echt wieder ein geiles Line-Up zusammengezimmert. Wie läuft bei euch denn so die Suche nach Bands ab? Werfen alle ein paar Bands in den Hut, die sie gerne mal sehen würden oder schaut ihr einfach was euch angeboten wird und ein paar Personen treffen dann einfach die Auswahl?
Daniel: Freut uns, dass dir das Lineup gefällt. Das Booking baut bei uns auf einer recht ansehnlichen Wunschliste auf, die über die Jahre entstanden ist. Schließlich ist die Musikbegeisterung unserer Crew ein wesentlicher Antrieb für das Festival. Daraus ergibt sich zumeist das Grundgerüst für unsere Anfragen bei den Agenturen oder den Bands direkt. In dieser Phase erhalten wir dann auch viele Infos darüber, welche Bands sonst so verfügbar sind. Das können altbekannte Namen, aber auch Neuentdeckungen sein. Das gleiche gilt für Bewerbungen, die wir initiativ erhalten. Da entscheidet dann das Bauchgefühl eines kleineren Kreises darüber, mit welchen Bands wir das Lineup komplettieren. Ein wesentlicher Aspekt ist dann noch, dass die Bands zu unseren offenen Werten passen. Da verfolgen wir ganz bewusst das Ziel, möglichst vielfältig zu buchen und uns dahingehend von Jahr zu Jahr zu entwickeln. Auch ist es uns wichtig, 3-4 Bands aus unsrer Gegend im Lineup zu haben, da wir die lokale Szene fördern möchten.
Wenn ihr euch etwas wünschen könntet, welche Band(s) möchtet ihr unbedingt mal live auf dem Seepogo erleben?
Felix: Auch wenn sie nicht unbedingt in das klassische punklastige SEEPOGO-Raster passen, wären A DAY TO REMEMBER glaube ich bei vielen aus der Orga-Crew ganz oben auf der Liste. Ich wäre ansonsten stark für FEINE SAHNE FISCHFILET, die DONOTS, ANTI-FLAG oder THE MENZINGERS.
Daniel: Nachdem es mit NOFX wohl nichts mehr wird, würde ich mir WIZO, PASCOW, RVIVR und PROPAGANDHI wünschen. Mir ist es aber auch wichtig zu erwähnen, dass wir uns unsere Band-Wünsche mit jeder Auflage des Festivals erfüllen. Auch deshalb betrachten wir es als total besonders, unsere Musikverrücktheit auf diese Art ausleben zu dürfen. Dafür sind wir sehr dankbar.
Wo seht ihr euer Festival denn bei der zwanzigsten Ausgabe? Habt ihr da konkrete Vorstellungen?
Felix: Auch wenn das nach einer abgedroschenen Phrase klingt, die man eigentlich aus dem Sport kennt, würde ich sagen: Wir denken von Jahr zu Jahr. Wir alle machen das auf ehrenamtlicher Basis. Das SEEPOGO-Festival ist unser Hobby. Wer weiß, was in den nächsten Jahren alles passiert, welche abgefuckte Pandemie oder Krise als nächstes kommt. Wenn wir es 2033 trotzdem zum 20-jährigen Jubiläum schaffen sollten, dann hoffe ich, dass es immer noch im selben familiären Rahmen stattfindet, wie es heute ist, dass wir dann immer noch die Menschen begrüßen dürfen, die in den letzten zehn Jahren regelmäßig bei uns zu Besuch waren und dass mindestens genauso viele neue dazukommen.
Daniel: Auch mir ist wichtig, dass das Festival seine familiäre Größe behält. Wenn wir es dann noch schaffen, den offenen und bunten Charakter der Veranstaltung zu bewahren, bin ich zufrieden.
Was war denn das Geilste, schrägste und schlimmste, was ihr um und beim Seepogo erleben musstet/durftet?
Felix: Am schlimmsten sind mit Abstand die Tage, an denen die Bauzäune auf dem Gelände aufgebaut werden. Da versuche ich meistens nicht da zu sein (lacht). Nein Quatsch, was wirklich Schlimmes ist mir eigentlich noch nie untergekommen. Oft hat das Wetter nicht mitgespielt und wir standen oft im Regen, aber das war in den meisten Fällen zu verkraften. Starkregen hat aber auch schon dazu geführt, dass ein Teil des Backstage-Bereichs überflutet wurde und ein paar Leute, ich glaube es waren Teile der WONK UNIT, dort mit einem Schlauchboot „geraftet“ sind. Besonders schön finde ich, dass wir es mittlerweile geschafft haben, Leute aus ganz Deutschland anzulocken. Dadurch war es schon öfter so, dass ich auf Konzerten, egal ob in Hannover oder in Regensburg, liebe Menschen getroffen habe, die schon mal bei uns waren. Klingt jetzt vielleicht überhaupt nicht aufregend, mich macht das aber wahnsinnig stolz – und ich denke, da spreche ich fürs gesamte Team.
Daniel: Da wir mit der Durchführung des Festivals, inklusive Auf-/Abbau, immer so 1,5 Wochen beschäftigt sind, erleben wir natürlich viele einprägsame Momente. Da fallen mir ein lieb gemeintes Surströmming-Attentat beim Zeltaufbau oder die nächtliche Entsorgung von Sperrmüll direkt vor unserer Bühne ein. Wir durften auch schon einer Band hinterherreisen, die ihren Hotelzimmerschlüssel als Andenken eingepackt hat. Und dann gibt es natürlich etliche Storys, die der Suff geschrieben hat. Da bleiben wir aber besser diskret.
Vielen lieben Dank für eure Zeit. Wir wünschen euch alles Gute und hoffen, in diesem Jahr auch mal bei euch vorbeischauen zu können. Abschließend habt ihr noch kurz ein paar Zeilen zur Verfügung, um unsere Leser*innen zu motivieren, ebenfalls zu euch zu kommen.
Felix: Wir haben zu danken und würden uns sehr freuen, euch begrüßen zu dürfen. Das gilt natürlich für alle, die Bock auf ein kleines, aber feines Festival in familiärer Atmosphäre haben, das zudem idyllisch zwischen einem Waldstück und einem kleinen See gelegen ist. Wir haben ein abwechslungsreiches Lineup sowie faire Ticket-, Getränke- und Essenspreise im Angebot. Alle Infos gibt’s unter seepogo.de!