The Sewer Rats (©Julia Schwendner)
The Sewer Rats (©Julia Schwendner)

Im Rahmen eines Interviews hatten wir die Möglichkeit, mit The Sewer Rats aus Köln über die Entstehung des neuen Albums Magic Summer zu sprechen, nach den geheimen Musikvorlieben zu fragen und die Highlights der bisherigen Touren zu besprechen.

The Sewer Rats
The Sewer Rats

AFL: Hallo Jungs! Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für ein Interview nehmt. Stellt euch doch zu Beginn erst einmal vor.

Chris: Hi, ich bin Chris. Ich habe die Band 2005 in Köln gegründet, schreibe die Songs, singe und spiele Gitarre. Ich mag Tofu und Skateboarding. Und Waynes World 1 & 2 kann ich auswendig mitsprechen.

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Aqua: Dom Aqua – Trommelfisch & Hopeless Aquarian. Ich gehöre seit Ende 2016 zum Team und habe hier über Gitarre, Bass und Schlagzeug inzwischen schon fast alle Positionen spielen dürfen. Ich mag Wasser und Pommes und Touren mit den Jungs.

Archi: Hey, ich bin Archi, ich bin nun seit zwei Jahren Gitarrist bei der Bande und singe im Hintergrund die schönen Backgroundharmonien. Vorher war ich Sänger und Gitarrist bei der Band „Auf Bewährung“ und nach deren Auflösung haben die Jungs mir ein musikalisches Dach über’m Kopf gegeben, für das ich sehr dankbar bin.

AFL: Eure neue Platte Magic Summer erscheint am 30. April. Wo lag beim Aufnahmeprozess der größte Unterschied zu Heartbreaks and Milkshakes? Was lief besser, was vielleicht komplizierter?

Archi: Wichtig ist hier zu sagen, auch wenn ich bei der Heartbreaks and Milkshakes nicht dabei war, dass Magic Summer ein krass internationales Unterfangen war. Geschrieben in Deutschland, aufgenommen in Italien und gemastert im legendären Blasting Room in den USA – aber sicher kann Chris die Frage viel detaillierter beantworten. Hehe.

Chris: Heartbreaks and Milkshakes haben wir in Berlin-Kreuzberg mit Archi von Terrorgruppe aufgenommen. Er hat einen mega Job gemacht und wir sind mega krass happy mit der Platte. Mit Archi zu arbeiten war außerdem ein Jugendtraum für uns kleine Punker, die Blechdose von Terrorgruppe war in unseren ersten Tourbussen aka Ratmobiles  immer Dauerbrenner.

Magic Summer haben wir in Italien im Sommer aufgenommen. Wir waren dort im wundervollen T.U.P. Studio in Brescia, wo schon The Manges, The Apers, The Peawees etc. den Euro-Pop-Punk-Knüppel aus dem Sack geholt haben. Wir hatten viel Spaß mit Brown Barcella und Alessio Lonati, die beiden haben das Beste aus uns rausgeholt und haben den geilsten Humor. Außerdem war es super für die Aufnahmen als Band komplett aus Deutschland rauszukommen. Wir haben auch im Studio gepennt und nach den Aufnahmen war immer Klassenfahrtstimmung angesagt, haha. Und ich glaube die italienische Sommersonne hat es auch etwas auf die Platte geschafft.

Einen weiteren Jugendtraum haben wir uns dann beim Mix und Mastering erfüllt. Und zwar habe ich eines Tages all meinen Mut zusammengenommen und eine E-Mail an den Blasting Room geschrieben, an das Studio, aus dem wahrscheinlich 90 Prozent meiner Lieblingsplatten kommen. Nach einem Tag guck‘ ich in mein Postfach und kriege wirklich fast einen Herzinfakt, weil da steht, dass ich eine ungelesene E-Mail von Bill Stevenson habe. Ich setze mich hin, atme tief durch und lese, dass Bill die Demos gefallen, die ich ihnen geschickt hatte und dass sie gerne mit uns arbeiten würden. Überhaupt eine E-Mail vom Black-Flag und Descendents Drummer zu bekommen reicht mir, um für immer ein Grinsen auf dem Gesicht zu haben. Auf jeden Fall wurde die Platte dann von Andrew Berlin gemischt und Jason Livermore gemastert. Beide sind verdammte Genies und haben Alben von Teenage Bottlerocket, The Lillingtons, NOFX, Descendents und Propagandhi gemacht. Als die uns die ersten Mixe geschickt haben, waren wir gerade mit unseren Freunden von den Jukebox Romantics auf Tour. Was wir über die Vananlage dann gehört haben, war wirklich ein für uns wahr gewordener feuchter Pop-Punk-Traum.

AFL: Wer ist bei euch während des Songwritings die treibende Kraft? Von wem kommen die Ideen für neue Songs?

Chris: Ich schreibe die Songs und dabei sind die Texte fast immer based on a true story, meistens sogar einfach direkt aus meinem Leben. Die Ideen kommen mir überall – auf dem Klo, im Bett, im Auto, beim Kochen, beim Duschen etc. Mir ist bei den Songs wichtig, dass die Titel Bock machen, dass die Lyrics ehrlich, direkt und klar sind und dass die Melodien sofort kicken, wie ein Zuckerhoch nach einem Mandelmilchshake oder einem frischen O-Saft. Ich habe eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne und mich langweilen Sachen sehr schnell. Daher muss es sofort zünden und man darf keine Zeit verschwenden. Ein gutes Gitarrensolo muss man singen können, kein dummes Gefrickel. Hooks, alter.

AFL: Dass euer Sound sich sehr stark an den Punkrockbands der 90er Jahre orientiert merkt man sofort. Welche musikalischen Einflüsse gibt es darüber hinaus? Was sind eure „Guilty Pleasures“?

Chris: Ich liebe liebe liebe Hank Williams. Ich war schon zwei Mal im Hank Williams Museum in Alabama und das zweite Mal auch, um zu checken, ob die das Shirt jetzt auch in XL haben. Aber ohne Witz. Bester Songwriter. Ich stehe sowieso total auf alten Country. Außerdem höre ich mega viel alten Thrash und Speed-Metal, guten 90er Hip Hop und alten Blues. Und 60s Doo-Wop ballert auch immer geil! Guilty Pleasures: Am Bickendorfer Büdche!

Archi: Bei mir ist es ganz klar Flanellhemden-Rock wie ihn The Gaslight Anthem, Hot Water Music und auch Bruce Springsteen machen. Alles ja auch nicht gerade „der neue heiße Scheiß“, aber schon ein bisschen anders als die zitierten 90s Bands. Guilty Pleasure ist auf jeden Fall die Pop-Musik, ob nun aktuell oder auch aus den 90s oder sogar 80s. Take Me Home Tonight von Eddie Money ist aber auch ein verdammt geiler Song!

Chris: Take Me Home Tonight von Eddie Money ist MEGA!

Aqua: Auch wenn ich mit Rancid eine dieser 90er Jahre Punkrockbands, trotz zuletzt eher lieblos wirkender Outputs, nach wie vor zu meinen All-Time-Favorites zähle, hat das vor allem viel mit der Diversität ihres Backkatalogs zu tun. Daher konnte ich auch schon immer mehr mit The Clash als mit den Ramones anfangen. So ist aus der Vorliebe zu abwechslungsreichen (Punk)Bands die Liebe zu einer bunten Vielfalt an unterschiedlichsten Genres wie Reggae, Hip Hop, Garage oder (Northern) Soul geworden. Guilty Pleasures: 00s Eminem + 80s Pop!

Jeder von uns gammelt in den eigenen vier Wänden rum und versucht auf seine Art das Beste aus der Situation zu machen – das fällt natürlich nicht immer leicht.

AFL: Das Thema Corona ist ja momentan allgegenwärtig und man kommt quasi nicht daran vorbei. Wie sehr beeinflusst euch die aktuelle Situation sowohl privat als auch in Bezug auf die Band?

Archi: Natürlich beeinflusst uns das krass – wir haben uns seit Mitte März nicht mehr richtig gesehen, geschweige denn geprobt. Jeder von uns gammelt in den eigenen vier Wänden rum und versucht auf seine Art das Beste aus der Situation zu machen – das fällt natürlich nicht immer leicht. Und in dem ganzen Chaos auch noch eine Platte rauszubringen ist quasi der absolute Super-Gau. Keine Shows bedeutet ja auch keine wirkliche Möglichkeit, den Leuten die Platte vorzustellen. Da muss man echt kreativ werden.

Chris: Wir versuchen bandtechnisch das Beste aus der Misere zu machen, haben ein Quarantäne-Video zu I Don’t Wanna Leave My Room No More mit Footage von Freunden aus aller Welt gemacht. Manche Leute sagen, es sei besser, als das Quarantäne-Video von Blink 182. Wir hatten so viele geile Clubshows und Festivals für dieses Jahr, die fallen jetzt alle aus. Richtiger Dreck. Aber im Pinzip alles first world problems. Wir hungern nicht, wir sind nicht homeless und sind gesund. Daher: PMA und durchhalten.

Aqua: Im Prinzip geht es uns da wahrscheinlich nicht viel anders, als den anderen. Wir sitzen ja quasi alle im selben Boot – auch wenn Plexiglas zwischen den Sitzen ist. Wobei der Zeitpunkt für uns, mit neuem Album, ausverkaufter Releaseparty sowie etlichen coolen Shows und Festivals im Anschlag, wohl kaum ungünstiger hätte sein können… Umso mehr freuen wir uns darauf, dem ein oder anderen mit unserer neuen Platte diese schwierige Zeit vielleicht ein bisschen versüßen zu können und euch damit hoffentlich zumindest zwischendurch auf andere Gedanken zu bringen.

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The Sewer Rats - Magic Summer (2020)
The Sewer Rats – Magic Summer (2020)

AFL: Euer Albumtitel lautet Magic Summer. Allerdings könnte uns in diesem Jahr Corona einen Strich durch die Rechnung machen. Was sind eure Top-Tipps gegen Langeweile und den heimischen Lagerkoller?

Chris: Ich habe ehrlich gesagt nie Langeweile, sondern bin eher permanent kurz vorm Burn-Out, haha. Mein Tipp: geht joggen, kocht euch was geiles Veggiemäßiges, versucht mal zu meditieren, kauft euch ein Skateboard beim lokalen Skateshop, fragt ältere Menschen, ob sie Hilfe brauchen, guckt euch „Another State of Mind“ an, hört Filmmusik von John Carpenter. Und wenn ihr das alles gemacht habt, ist Corona vorbei.

Archi: Ich habe zum Glück einen Balkon, der mir zumindest ein wenig Sommer-Feeling verschafft. Ansonsten versuche ich gerade wieder mehr zu lesen (ich habe einen unfassbaren Stapel an ungelesenen Büchern) und habe mir einen Bass besorgt, um mir ein zweites Standbein aufzubauen. Also sind meine Tipps: Ein neues Instrument lernen und mal wieder ein gutes Buch in die Hand nehmen (Klare Empfehlung hier von mir „Vincent“ bzw. „Torture The Artist“ von Joey Goebel).

Aqua: Tu was für dich selbst und/oder für andere. Vielleicht hast du Bock, eine neue Sprache zu lernen oder du findest raus, was deine größte Schwäche ist und versuchst, daran zu arbeiten. Persönliche Weiterentwicklung ist immer gut investierte Zeit. Es gibt unzählige gemeinnützige Organisationen in jedem Bereich, deren Existenz gerade jetzt besonders auf dem Spiel steht. Lass doch ein bisschen von der Kohle, die wir sparen, weil wir nicht auf Konzerte oder ins Stadion können, an Tierheime oder unsere liebsten local Punkrock-Clubs abdrücken. Man könnte auch mal (wieder) versuchen, tierische Produkte von der Einkaufsliste zu streichen und damit Tieren, Umwelt und sich selbst was Gutes tun.

Die Gegend war in unserem Touriführer als No Go-Area rot gekennzeichnet, haha.

AFL: Ihr könnt ja bereits auf eine ziemlich lange Liste an gespielt Shows zurückblicken. Was waren eure absoluten Highlights? Welche absolut verrückte Tourgeschichte sollten eure Fans unbedingt mal gehört haben?

Chris: Bei unserer zweiten US-Westküsten-Tour haben wir viel in LA und Las Vegas bei so mexikanischen Dudes abgehangen, die wir auf unserer ersten US-Tour kennengelernt haben. Da waren schon krasse Situationen am Start, die auf keinen Fall legal waren, alles wie im Film. Richtig korrekte Typen, aber halt tough wie die Sau. Wir haben eine Woche in South Central Los Angeles bei einem von denen gewohnt. Die Gegend war in unserem Touriführer als No Go-Area rot gekennzeichnet, haha. Unser Gastgeber wollte mich dann auch nicht in rotem Flanellhemd zum Eckladen lassen, wegen Gangs. Und er sagte, auf seiner Straße hätte er schon ein Drive-By-Shooting gesehen. Wenn ich jetzt darüber nachdenke… alles wie ein Film und definitiv richtig krasser Stuff für uns kleine German Scheißer, haha. Die Japantouren 2014 und 2017 waren auch persönliche Highlights von mir. Mega herzliche Leute. Krasseste Gastfreundschaft. Top Five meiner Fav-Tourmoments außerdem: 2014 und 2015 im legendären 924 Gilman St in Berkeley zu spielen. Beim zweiten Mal hat Tim Armstrongs Bruder Jeff die Show veranstaltet und vor dem Club auf uns gewartet. Und beim FEST in Gainesville 2018 zu spielen. Bucket list quality.

Archi: Meine absolute Lieblingserinnerung ist die gesamte US-Tour 2018 inklusive Einreisewahnsinn, der Show bei THE FEST und allen Shows drum herum. Verrückte Erlebnisse wie, dass die Show in Nashville kurzerhand von einer riesigen Squaredance-Halle in ein Punkhouse ohne fließendes Wasser verlegt wurde oder das Konzert in einer „Cabin in the Woods“, die in keiner Karte verzeichnet war und zu der eine wirklich horrorfilmreife Straße geführt hat. Und: Taco Bell! Immer wieder Taco Bell! Bean Burrito ohne Käse sind vegan! Wirklich Amerika, wie man es ich vorstellt.

Aqua: Für mich war das zum einen die US East Coast Tour 2018, als unsere guten Freunde die Jukebox Romantics aus New York endgültig zu unseren Brüdern wurden. Und zum anderen die Japan Tour 2018, die quasi meine „Feuertaufe“ war. Schwierig, da eine Story rauszupicken, aber spontan kommt mir das Tourfinale der Japan Tour in den Sinn: Ich kam als Gitarrist in die Band und plötzlich musste ich sehr kurzfristig für unseren damaligen Drummer Danny einspringen – ohne die Songs vorher jemals am Schlagzeug gespielt zu haben! Natürlich ging mir der Allerwerteste auf Grundeis… Aber die Toyama Crowd drehte vom ersten Ton an völlig ab und trug die Jungs und mich singend und feiernd durch das gesamte Set. Dieses besondere Gefühl der Dankbarkeit, das ich während der gesamten Zeit in Japan spürte, fand in dem Moment seinen Höhepunkt und das werde ich nie vergessen.

The Sewer Rats (©Julia Schwendner)
The Sewer Rats (©Julia Schwendner)

AFL: Auf eurer Facebook-Seite heißt es „50s Haircuts, 80s Movies, 90s Punk“. In welches Jahrzehnt und an welchen Ort würdet ihr gern einmal zurückreisen, wenn ihr die Möglichkeit hättet?

Chris: Hahah, gute Frage! Über dieses Thema habe ich schon Mal einen Song geschrieben. Also London Ende der 70er Anfang der 80er muss mega geil gewesen sein. Mit Joe Strummer und Brian Setzer abhängen, gibt schlechteres. Aber San Diego, LA und San Francisco Mitte/Ende 90er wäre glaube ich mein Favorit. Bestes Skateboarding und bester Punk. Da wäre ich nicht böse, wenn die Zeitmaschine kaputt ginge. 80s Movies können halt aber einfach alles. Und 50s Hair hab ich seit Anfang 20. Zwar mit kurzen Ausflügen (surf blond) und Unfällen (SLC Punk blau), aber immer wieder back to Klätsching nach hinten und Seiten auf Gehirn.

AFL: Vielen Dank für das Interview. Gibt es noch etwas, das ihr gerne loswerden würdet?

Archi: Vielen Dank, dass Magazine wie ihr in Zeiten wie diesen die Fahne hochhaltet! Das ist nicht selbstverständlich und neben all‘ den Künstler_innen und Bands, die sich gerade ohne Shows kreativ neu-erfinden müssen, ein wichtiger Pfeiler für die hiesige Musiklandschaft. Macht noch ganz lange weiter so!

Chris: Genau. Tausend Dank euch! Außerdem: Unterstützt Independent Businesses. One Euro, one vote. Ihr wählt mit eurem Geld jeden Tag. Helft einander. Überdenkt eure Essgewohnheiten. Keine Kuh will sterben oder vergewaltigt und dann ihres Kindes beraubt werden. Jedes andere Lebewesen dito. Lasst euch nicht sagen, was man in welchem Alter zu machen hat. Ruft heute mal wieder einen alten Freund an und fragt, wie es so geht. Und zieht euch Waynes World rein!

Aqua: Bleibt gesund und hört mal in unsere neue Platte rein!

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– Playlist: Happy Release Day

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