Review von Nita:
„As Friends Rust? Ende der 90er? Gainesville? Melodic Hardcore? Ja, da war doch was…“ – so in etwa waren meine Gedanken als die neue Scheibe Any Joy von As Friends Rust bei uns im Team zur Review bereit stand. Eine Band mit bewegter Geschichte und etlichen Veränderungen findet sich nun also in Kernbesetzung aus Sänger Damien Moyal, Drummer Timothy Kirkpatrick und den Gitarristen Joseph Simmons und James Glayat wieder zusammen, packt Andrew Seward von Against Me! als Support am Bass mit ein und veröffentlich nach über 20 Jahren ein neues Album. Spannend!
Herausgekommen ist ein Mix aus melodischem Punkrock mit teils 80er Touch und nachdenklichen Texten. Das Alter und Älterwerden wird genauso thematisiert wie sentimentale Rückblicke an frühere Zeiten und Freundschaften (Final Form, See Us Now). Positive Mental Platitude trifft perfekt die weitverbreitete Oberflächlichkeit in heutiger Kommunikation. Schnell mal ein süßer Emoji verschickt und schon ist wieder alles gut. Nicht.
Any Joy, das sind 7 Songs in 24 Minuten mit frischem Wind und dennoch sind die Wurzeln der Band im Melodic Hardcore Bereich deutlich spürbar, besonders in Origin Stories. Weil ich vermutlich erst etwas anderes erwartet hatte, habe ich mich dem Album vorerst etwas zögerlich genähert. Aber wie kann ich auch denken dass eine Band nach über 20 Jahren, 20 Jahre mit mehr (Lebens)erfahrungen und neuen Eindrücken, einfach da weiter macht wo sie aufgehört hatte. Sänger Damien Moyal ist vom Shouter zum kraftvollen und klaren Gesang übergegangen und prägt dadurch den Sound enorm. Nach mehreren Durchläufen mag ich die stellenweise schwere und dumpfe wehmütige Stimmung jedoch sehr. Das musste wohl auch bei mir etwas reifen, genau wie auch der Sound von As Friends Rust deutlich gereift ist.
Review von Tobias:
Seit über 25 Jahren (abzüglich einer Pause 2002-2008) gibt es As Friends Rust. Legt man normale Erwartungsmaßstäbe des Musik Business an, ist der Output dieser Zeit mit drei EPs, einer 7inch und einem Album aus der Zeit bis 2002 sehr überschaubar. 2020 dann ein erstes Lebenszeichen mit einer weiteren 7inch mit zwei Songs. Trotzdem hat die Band um Damien Moyal einen nicht unerheblichen Klassikerstatus, was insbesondere an den Songs der Frühwerke wie Coffee Black oder Home Is Where The Heart Aches liegt.
Nun steht mit Any Joy das neue Release von As Friends Rust in Startlöchern, das dieser Tage auf End Hits Records veröffentlicht wird.
Bevor wir einen Blick auf den Inhalt werfen, müssen leider mal wieder ein paar Worte über die aktuelle Veröffentlichungspolitik verloren werden: Die Platte wird als Album beworben und verkauft. Allerdings enthält Any Joy gerade mal sieben Songs in 25 Minuten. Ziemlich wenig Value for Money. Nicht mal der einfache Weg, die beiden Songs der 7Inch von 2020 mit aufzunehmen, wird gewählt, um etwas mehr Spielzeit zu erreichen. Dass As Friends Rust nach wie vor gute Songs schreiben können, zeigen die Tracks der Platte. Warum man sich dann mit dieser fast schon Mogelpackung zufrieden gibt, erschließt sich nicht.
Musikalisch gehen As Friends Rust auf Any Joy deutliche Schritte weiter weg von ihrem bisherigen Sound. Klar, der 90er Hardcore geprägte Sound der ersten Releases lässt sich heute nicht authentisch reproduzieren. Aber auch die schnellen, melodischen Hardcorepunk Songs von Won haben nur noch eine geringe Überschneidungsmenge mit den neuen Songs. So sind alle Songs eher im Midtempo Bereich angesiedelt.
Any Joy beginnt mit Final Form, einem gefälligem Alternative Punk Song, der nach einigen Durchläufen auch gut im Ohr bleibt. Positive Mental Attitude schließt sich an, der bereits als erste Vorabsingle veröffentlicht wurde. Beide Songs folgen dem exakt gleichen A-B-A-B-C-B Aufbau in rund vier Minuten. See Us Now startet unglaublich instrumental druckvoll. Leider bleibt die Gesangslinie deutlich dahinter zurück und nimmt dem Song eher etwas als dass es ihm etwas gibt.Der Refrain von Great Filter bleibt ähnlich gut im Ohr hängen wie der vom ersten Track. Wie es allerdings ein so uninspirierter C-Teil wie hier auf ein Release schaffen konnte, bleibt ein Rätsel. Das Main Riff der Strophe von The Walking Debt ist vermutlich Geschmackssache, für mich aber eher Kategorie Skip-Kandidat.
Bei Origin Stories wird dann endlich mal das Gaspedal durchgetreten, was Erinnerungen an die Hardcore-Wurzeln weckt und der Abwechslung auf der Platte sichtlich gut tut. Zusammen mit dem letzten Song No Gods, Some Masters bildet sich so ein versöhnlicher, richtig guter Abschluss der Platte.
Markant über allem thront Damien Moyals Stimme mit einer großer Bandbreite sowohl was die Tonlage als auch Wechsel zwischen sehr cleanem Gesang, angezerrter Stimme und ganz selten Shouts betrifft. Diese macht auch großen Reiz und Wiedererkennungswert der Platte aus.
Textlich setzen sich die Songs mit ganz unterschiedlichen Themen auseinander. Als roter Faden zieht sich aber die Art, wie die Themen behandelt werden, durch. Wie Moyal selbst sagt:
In der Vergangenheit wurden, wie bei vielen Hardcore- Bands, Ideen aus einer klar definierten Perspektive präsentiert, mit einer Selbstsicherheit, die im Rückblick angesichts unseres Alters zu der Zeit ziemlich lächerlich ist. […] Wir versuchen, die Nuancen zu erkunden, die manchmal übersehen werden oder die wir oft aufgrund unserer emotionalen Aufladung nicht in Betracht ziehen
Gleichzeitig wird genau diese Ambivalenz in Frage gestellt. No Gods, Some Masters ist hier ein wunderbares Beispiel:
I’ve got to use my voice
As long as it won’t cost my job
We care but not so much
We fight with lightest touch
It’s easier to leave things be
2021 musste die Band den Tod des langjährigen Bassisten Kaleb Steward verkraften. Andrew Seward von Against Me! Spielte daher den Bass auf Any Joy weitestgehend ein. Die Aufnahmen wurden verteilt an unterschiedlichen Orten, zum Teil im Homerecording, gemacht. Dies hört man dem Gesamtsound allerdings nicht an, der in sich sehr rund und druckvoll ist. Die Tatsache, dass so verteilt gearbeitet wurde, kann aber mit ein Grund sein, dass das Songwriting teilweise nicht ganz so auf den Punkt gebracht wirkt.
Fazit
As Friends Rust legen mit Any Joy eine gute Extended EP (aber eben kein Album) vor, das Tief- aber auch viele Höhepunkte hat. Insbesondere durch Damien Moyals Stimme schließt sich der Bogen zum Rest der As Friends Rust Diskographie, auch wenn musikalisch eine deutliche Distanz da ist. So stellt Any Joy auch einen Einstieg dar, die Diskographie von As Friends Rust wieder oder eben neu zu entdecken. Ende September sind As Friends Rust mit Don’t Sleep auf ein paar Dates in Europa unterwegs und bieten Gelegenheit, neue wie auch alte Songs live zu entdecken.
Tracklist
- Final Form
- Positive Mental Platitude
- See Us Now
- Great Filter
- The Walking Debt
- Origin Stories
- No Gods, Some Masters