Das Booze Cruise hat zum letzten Mal den Hafen verlassen…
Am ersten Juni Wochenende fand in diesem Jahr zum 10. und letzten Mal das Booze Cruise Festival in Hamburg statt. Nach den ersten Ankündigungen des Jubiläums-Line-Ups stand das Festival jedoch unter keinen guten Stern. Organisator Stefan sah sich auf Instagram mit Vorwürfen konfrontiert ein „bestätigter Zionist und Genozid Unterstützer“ zu sein. Das ganze, weil er mit seinem privaten Profil zwei Seiten folgte, die sich mit dem wachsenden Antisemitismus sowie mit den Verbindungen zwischen dem UNRWA und der Hamas beschäftigten. Das ganze Geschehen wird hier aus seiner Sicht erläutert.
Ein Dialog war kaum noch möglich. Gerade internationale Bands sahen sich mit Drohungen und Aufforderungen zur Positionierung konfrontiert. Viele sagten daraufhin ihren Auftritt ab. Zumeist weniger aus Überzeugung als vielmehr, weil sich die Bands in einer ausweglosen Situation zwischen zwei Übeln entscheiden mussten. Viele sind froh, dass sich die Wogen mittlerweile wieder etwas geglättet haben.
„I wish the internet wasn’t such a dark and toxic place, and that there was room for a nuanced discussion. We just can’t win in this situation… if we play, our friends and family outside of Germany think we are taking part in a pro-genocide festival and if we don’t play it looks we think Stefan is pro-genocide.“
Zu guter Letzt konnte dann aber doch noch ein sehr ansehnliches Line-Up präsentiert werden, das aber weitestgehend auf große internationale Namen verzichtete. Im Ergebnis fiel das Booze Cruise also dieses Jahr etwas kleiner aus, was aber auf der anderen Seite dazu führte, dass das Festival deutlich familiärer und intimer war. Viele Besucher und Bands kannten sich bereits seit Jahren und hatten das Festival bereits mehrfach besucht. So entstand eine ganz besondere Atmosphäre, in der noch ein letztes Mal gemeinsam gefeiert werden sollte.
Was ist das Booze Cruise eigentlich? Punk Rock und Artverwandtes, Konzerte in mehreren Clubs und Bars auf St. Pauli aber auch auf dem Wasser und an ungewöhnlichen Orten. Naturgemäß findet einiges parallel statt, so dass jeder Bericht und Fotos immer nur einen Ausschnitt zeigen kann.
Tag 1
Gerade die Shows auf dem Wasser, in der Regel auf Barkassen, die sonst für Hafenrundfahrten genutzt wurden, sind immer wieder ein Highlight des Festivals. Auf der Elbe vor dem Hintergrund des Hamburger Hafens, zwischen Containerriesen, Kreuzfahrtschiffen, Ausflugsfahrten und Hafenfähren finden Konzerte statt. Crowdsurfer auf dem Oberdeck ernten verwunderte Blicke der Kreuzfahrttouristen, die gerade ihre Kabinen beziehen…
Chartreux
Swan Songs
Auch seit Jahren mit dabei ist der Molotow Club. Diese Institution der Hamburger Clubszene ist nun erneut akut vom Verlust der Location bedroht, da das Gebäude von einem Investor gekauft wurde. Dieser ist der Meinung, ein weiteres Hotel auf der Reeperbahn wäre wichtiger als ein Musikclub. Fragt sich nur, wo all die Gäste noch hingehen sollen, wenn man die Clubszene zerstört… Molotow must stay!
Prowl
Empire Me
True Gloom
Und weiter ging’s im Hafenklang, Heimat unzähliger Punk und Hardcore Shows der letzten Jahre.
March
Das Besondere zum Abschluss der Abende auf dem Booze Cruise sind immer mal wieder Cover-Sets. Den Start am ersten Abend machten Irish Handcuffs mit einem Alkaline Trio Best-Of.
Irish Handcuffs Alkaline Trio Cover Set
Tag 2
Der zweite Tag begann mit deutlich mehr Sonnenschein und einer erneuten Bootsfahrt auf der MS Tonne.
Captain Asshole
Between Bodies
Zurück im Molotow wurde am zweiten Tag nicht nur der Club im Erdgeschoss und Obergeschoss sondern auch die Außenbühne im Innenhof mit einbezogen.
Wasted Years
Phantom Bay
Mit Überyou spielte am frühen Abend so etwas wie der heimliche Headliner des Festivals. Die Band aus der Schweiz hatte bereits häufiger das Booze Cruise gespielt und durfte auch zum Abschluss nicht fehlen. Ein Best-Of-Set ergänzt um diverse Cover-Songs lieferte dann auch den perfekten Soundtrack für völligen Ausnahmezustand.
Überyou
Danach ging es wieder zum Hafenklang, wo das offizielle Programm erneut mit einem Cover-Set beschlossen wurde. Letztes Jahr waren The Menzingers noch selbst bei dem Festival, dieses Jahr spielten Musiker von Captain Asshole mit Unterstützung ein Best-Of-Set.
Shellycoat
Irish Handcuffs
The Menzingers Cover Set
Das offizielle Programm war zwar beendet, aber dann gibt es noch immer diese ganz besonderen Momente. Über Mundpropaganda verbreitete sich den Tag über, dass es noch einen weiteren Auftritt nach Mitternacht im Alten Elbtunnel geben sollte. Hier spielte dann Sue von Between Bodies solo aka Moon Junior und nur mit Akustik-Gitarre ein Set – Gänsehaut inklusive.
Moon Junior
Tag 3
Am dritten Tag des Festivals standen neben einigen Akustik-Sets in der Überquell Brauerei zwei sogenannte Closing Rides, also erneute Fahrten auf der MS Tonne durch den Hafen an. Ausgewählt wurde die erste, die mit einem Akustik-Set des Kanadiers Guilhem sowie einem erneuten Auftritt von Wasted Years begann.
Guilhem
Wasted Years
Absolutes Highlight dann, und vermutlich einer der besten denkbaren Abschlüsse für das Booze Cruise Festival, ein zweiter Auftritt von Überyou auf dem Schiff. Was folgte war, trotz so manchem Kater, der absolute Abriss. Der letzte Song war noch mittendrin, massenhaft Stagediver auf der Menge auf dem Oberdeck, als das Schiff gerade wieder an den Landungsbrücken anlegte zur Irritation der wartenden Touristenschar.
Überyou
So geht das zehnte und letzte Booze Cruise in die Geschichtsbücher ein. Was ein wunderbarer Abschluss dieser Reihe, der mit Sicherheit gleichermaßen lachende und weinende Augen bei allen Beteiligten hinterlassen hat.
Ein riesiges Lob und Dank an das ganze Orga-Team, dass trotz aller Widrigkeiten ein wunderbares Festival auf die Beine gestellt hat, das in der Punk-Rock-Community in Deutschland und darüber hinaus mit Sicherheit vermisst werden wird.
Mega-Festival! Schade, dass es zu Ende geht, wobei ich die Hoffnung noch nicht aufgebe, dass es Stefan irgendwann wieder in den Fingern juckt.
Dieses Jahr war schon besonders. Auch ich war aufgrund der vielen Absagen, sehr enttäuscht. Hätte viele Bands gerne gesehen, aber so weiß man jetzt, dass es auch sehr viele gute deutsche und europäische Bands gibt, die man sich sonst vielleicht nicht unbedingt angeschaut hätte. Meine Highlights waren Hell & Back, Captain Asshole, Überyou, Shutcombo und Phantom Bay (von denen ich leider nur noch 5 Minuten gesehen habe).