In unserer neugegründeten Rubrik Mein Label! stellen wir euch Labels und allen voran die Personen dahinter näher vor. Diese sind dafür verantwortlich, dass wir noch physische Tonträger von Bands zu hören bekommen und unterstützen zunächst wenig bekannt erscheinenden Bands dabei ihre Musik einer höheren Hörerschaft zugänglich machen. Sie halten unsere Szene so mit am Leben!
Den Start unserer ersten Mein Label! Ausgabe macht Nico Reissmann, Gründer von Subkultura Booking, der 2017 die Booking-Agentur auf Subkultura Records erweitert hat.
AFL: Kannst du dich und dein Label einmal selbst kurz vorstellen? Du warst zunächst als Veranstalter und Clubbesitzer tätig, bist dann mit SUBKULTURA BOOKING ins Booking-Geschäft eingestiegen und hast dieses Jahr SUBKULTURA RECORDS gegründet. Kannst du vielleicht nochmal detaillierter auf deine letzten Jahre und die damit verbundenen Szene-Arbeit eingehen? Was hat dich jeweils dazu bewegt neues anzufangen und wann und warum hast du dich letztendlich dazu entschieden ein Label zu gründen?
Nico: Ja, ich hoffe, hier jetzt nicht zu weit auszuholen und fang mal an. Ich heiße Nico und komme aus dem grau-braunen Pforzheim, zwischen Stuttgart und Karlsruhe. Bin seit meinem 13 Lebensjahr in der Musikszene im Backround tätig. Neben meiner Haupttätigkeit als Kundenbetreuer und Promoter für einen Onlineshop im Bereich Oldtimer Ersatzteile, bin ich Inhaber von Subkultura Booking & Records, einer Booking Agentur und dem zugehörigen Label.
Angefangen hat alles im beschaulichen Schwarzwald in einer Stadt namens Bad Wildbad, in welcher ich mit vielen coolen Leuten damals das noch heute existente und selbstverwaltete Jugendzentrum aufgebaut habe und dort auch meine ersten Konzerte mit lokalen Bands mit damals 13 Jahren veranstaltet habe. Nach meiner Ausbildung bin ich dann aus der Kleinstadt nach Pforzheim gezogen, wo ich leider gerade noch die Schließung des AZ Schlauchs mitbekommen habe, welches ja in der Region mehr als bekannt war und damals Bands wie Ärzte und Hosen an einem Abend dort gespielt haben. Naja, mit der Schließung sind dann auch sehr viele aktive Menschen aus der Stadt weggezogen und so stand man plötzlich mit ein paar engagierten Leuten alleine da und gründete dann eine Konzertgruppe, mit der ich dann über die Jahre etwa 20 Shows veranstaltet hatte, bevor ich für ein Jahr nach Heidelberg ging.
Aus Heidelberg zurück gekommen, habe ich mich immer mehr in der Pflicht gesehen, aktiv gegen Nazis in und um die Region was zu machen und habe mit dem damaligen Antifaschistischen Projekt Pforzheim viel politische Arbeit geleistet und um diese zu finanzieren, auch immer wieder Soli Shows veranstaltet. Als eines der Highlights kann ich hier wohl das Soli Konzert von Pascow nennen, welches wir in nem Laden für 150 Gäste mit sage und schreibe 350 Gästen durchgeführt hatten. Das war mit Abstand das Beste Konzert, was ich neben dem Oi!Genz Abschiedskonzert erleben durfte.
Leider hat sich die Gruppe dann gegen 2005 zerstritten und auch der Verfassungsschutz wurde immer Penetranter, so dass wir die Gruppe dann irgendwann aufgelöst haben und jeder so sein Weg gegangen ist.
Ich habe dann mit ein paar Freunden 2015 Subkultura Pforzheim gegründet und mit der Gruppe auch so um die 40 Konzerte in Pforzheim und Umgebung veranstaltet, bis auch hier der Großteil dann gegen 2008 weg gezogen ist. Ich hab dann alleine unter dem Namen weiter gemacht, bis ich dann 2010 das Angebot bekommen habe, mit einer in der Gastronomie gut verknüpften Person eine Live Location aufzumachen. Dem ein oder anderen dürfte der Name „Bottich Pforzheim“ sicher noch ein Begriff sein. Dort haben wir dann Bands wie Die Lokalmatadore, 4 Promille und Feine Sahne Fischfilet veranstaltet. 2013 habe ich dann einen Burn-Out erlitten und musste eine ganze Stange Geld an das Finanzamt nachzahlen (Stichpunkt Ausländersteuer) und da war die Entscheidung recht einfach, den Laden zu schließen.
Es gibt bei mir nicht DIE Band oder DAS Release.
Im gleichen Jahr habe ich dann nach langem Überlegen die jetzige Booking Agentur gegründet und bin nun seit 2013 in dem Bereich aktiv. Bereuen tue ich dies auf keinen Fall. Inzwischen sind wir auch vier Booker und sind in ganz Deutschland verstreut und arbeiten aktuell im Booking Bereich für ca. 50 Bands aus Europa, Russland, China und den USA.
Das Label kam dann dieses Jahr, also 2017 dazu, da ich den Bands ein All-in-one Paket anbieten möchte, was uns natürlich auch für größere Bands interessant macht. Außerdem wollte ich schon immer mal meine eigene Schallplatte raus bringen und in der Hand halten. Dazu kommt, dass viele Bands von uns kein Zuhause bei anderen Labels bekommen haben und ich das sehr schade finde, da eigentlich alle Bands von uns immer ein gewisses Maß an Qualität mitbringt, was ich nun auch beim Verkauf der Platten sehe. Es gab bisher nicht einen Reinfall und zum Beispiel das The Moorings Album „Unbowed“ wurde in der Fachpresse als das Beste Folk-Punk Album 2017 gehandelt und das sagt viel über die Qualität der Band und Musik und schlussendlich auch über uns und das Label aus.
AFL: Was genau verbirgt sich hinter SUBKULTURA RECORDS? Welche Message möchtest du mit deinem Label verbreiten und was steht hinter SUBKULTURA RECORDS?
Nico: Wie oben schon gesagt, ist das Label quasi eine Erweiterung zu unserer Booking Agentur und ich würde sehr gerne alles aus einer Hand anbieten. Ich hab da auch noch die ein oder andere Idee, die in den nächsten Jahren sicherlich noch dazu kommen wird und auch den Musikmarkt, nicht nur im alternativen Bereich, ein wenig verändern wird. Derzeit sind wir hier aber noch an der Planung und von daher darf ich da leider noch nichts preisgeben. Ansonsten wollen wir natürlich mit dem angekoppelten Label mehr auf die Bands aufmerksam machen, die wir im Programm haben und die Leute animieren, sich die Platte zu kaufen und später dann auch auf die Show zu gehen.
Vielleicht ist da sogar tiefergehend der Gedanke, die Leute wieder mehr auf Live-Konzerte zu bringen und ich denke, dass das ein guter Ansatz ist.
AFL: Wenn du dir eine Band oder ein Release heraussuchen könntest, die du über SUBKULTURA RECORDS veröffentlichten könntest, welche Band bzw. welches Release wäre es? Und warum?
Nico: Es gibt bei mir nicht DIE Band oder DAS Release. Ich bin so tief in der ganzen Musikszene drin und höre und sehe so viele tolle Bands, dass ich dir da gar keine direkte Antwort geben könnte.
Rein aus meinem persönlichen Musikgeschmack heraus wäre es wohl ein kleiner Traum, ein Split Album mit PASCOW und TURBOSTAAT raus zu bringen, da diese beiden Bands mich schon immer in meiner Zeit bekleiden und sie einfach liebe. Alternativ wäre da auch noch eine Knochenfabrik oder Muff Potter Platte als Überlegen, denn diese beiden Bands haben mich ebenfalls lange Zeit bekleidet und höre ich auch heute noch sehr oft. Aber ganz ehrlich, ich kann mich nicht festlegen, da es einfach zu viele tolle Bands gibt, die sowohl qualitativ als auch textlich so viel drauf haben. Wenn ich die alle mal veröffentlichen wöllte, bin ich wohl schnell bei 100-200 Releases 🙂
AFL: Wie wirst du auf neue Bands aufmerksam bzw. wie läuft so ein Singing für dein Label ab? Auf was legst du da bei der Band wert, die du unter Vertrag nimmst und über dein Label Musik veröffentlichen und welchen Tipps kannst du Bands geben, die bei einem Label anfragen? Eigentlich jede Bands, die du veröffentlichst, stehen auch in deinem Booking-Programm – ist das der Plan / das Ziel?
Nico: Dadurch, dass ich die Booking Agentur und das Label als Nebenberuf am laufen habe, war für mich immer der wichtigste Punkt, dass es mir persönlich gefällt und zwischen der jeweiligen Band und mir alles auch auf persönlicher Ebene passt. Es gibt kein Allgemeinrezept, wie ich da vorgehe. Oft bekomme ich von Freunden und Bekannten Empfehlungen, manchmal stoße ich auf Konzerten auf tolle Bands und ab und an schreiben mich auch Bands direkt an. Ich schaue mir auch oft die Line-Ups von guten Underground Festivals an und höre mir dann die Sachen an, um zu schauen, ob es was für mich wäre.
Nehmt euch ein Herz und startet auch mal eure eigenen Shows und kommt weg vom reinen konsumieren.
Da ich sowohl das Booking als auch Label im Vertrauen zu den Bands mache, gibt es bei mir auch keine Verträge, sondern vielmehr das Geschäft durch Handschlag. Ist kein Vertrauen da, mache ich eine Band auch nicht. Man könnte jetzt sagen, dass ich da etwas blauäugig durch die Gegend renne, aber das ist meines Erachtens das, was uns bei Bands und Veranstaltern oft sehr beliebt macht. Der einfache, faire und unkomplizierte Weg.
Aktuell ist es so, dass das Label rein für Bands unseres Bookings da ist, was ich aber auch nicht als fix halten möchte. Da wird sicherlich auch mal das ein oder andere Release kommen, bei welchem die Band nicht in unserem Booking ist. Kenne da ja inzwischen doch sehr viele Bands, die auch bei größeren Agenturen sind, aber dennoch auch Bock auf so kleine Releases mit 100er Auflagen haben. Auch hier sitze ich derzeit an dem ein oder anderen Projekt dran, was den ein oder anderen dann 2018 überraschen dürfte.
AFL: Hast du denn selbst ein Lieblings-Label? Also mal abgesehen von deinem eigenen, haha. Und welche Labels haben dich beeinflusst und inspiriert?
Nico: Wie auch mit den Bands, gibt es auch im Label Bereich nicht DAS Label. Cool finde ich auf jeden Fall viele Veröffentlichungen von Tobi und Twisted Chords, Alex seinem Label Kidnap Records und Jürgen mit Rookie Records. Von den Labels stehen schon recht viele Platten bei mir im Schrank. Aber auch größere Labels wie A+F Records von Anti-Flag oder das Label von NOFX Frontsau Fat Mike und Fat Records sind schon recht oft dabei.
AFL: Was sind die großen Risiken und Probleme, die bei einem Label anfallen und warum ist für dich der Aufwand trotzdem wert?
Nico: Das größte Risiko ist zum einen die viele Kohle, die man erst einmal in die Hand nehmen muss, um eine Schallplatte produzieren zu lassen, aber auch die Gefahr, dass du ein Album raus bringst und sich die Band kurz davor oder danach auflöst, denn heute ist es extrem wichtig, dass die Bands rund um das Release auf Tour gehen, denn da wird der Großteil der Platten verkauft.
Auch sollte man schauen, dass man neben einem guten Vertrieb auch gute Promo Kanäle findet, damit die Veröffentlichung weit gestreut wird. Das ist vor allem am Anfang extrem schwer und wäre ich nicht schon so lange in der Musikszene aktiv und hätte nicht in allen Kanälen die entsprechenden Kontakte, hätte ich mir das mit der Label Gründung wohl nicht angetan.
Der Aufwand ist es mit dennoch Wert, da ich einfach gute Bands mit meinem Wissen und meinen Mitteln unterstützen möchte und natürlich auch meinen Teil der Szeneerhaltung beitragen möchte.
AFL: Du veröffentlichst ja hauptsächlich auf Vinyl. Wieso ziehst du Schallplatten zum Beispiel einer CD vor?
Nico: Die Schallplatte ist in meinen Augen und Ohren unersetzbar. Ich habe mir mit 13 meinen ersten Schallplattenspieler gekauft und dazu meine erste Schallplatte (Slime – unzensiert) gekauft und war damals von dem Medium so begeistert, dass sich das bis heute durchgezogen hat.
Mit der CD bin ich nie wirklich warm geworden und ich denke auch, dass diese keine 10 Jahre mehr existieren wird. Die Qualität ist extrem schlecht und auch so finde ich, kann man das drum herum einer CD nie wirklich schön machen. Da hat man bei Schallplatten oft das Gefühl, dass da einfach Herzblut drin steckt.
Die Schallplatte mit ihrem Cover und dem Inhalt ist und bleibt einfach das schönste und qualitativ beste Medium, was es gibt.
AFL: Sammelst du selbst Vinyl? Wo kaufst du denn gewöhnlich deine Platten und was ist deine wertvollste und teuerste Vinyl?
Ich sammle seit meinem 13. Lebensjahr Vinyl und hab da inzwischen auch einige wirklich tolle Schätzchen dabei. Die für mich wertvollste Platte ist die Erstpressung der „Keine Macht für Niemand“ von Ton Steine Scherben und die „Für uns nicht“ von But Alive. Finanziell kann ich dir das gar nicht sagen, da ich ja die Platten zum hören und nicht zum spekulieren kaufe.
Ich kaufe sehr oft die Platten auf Konzerten, geh in Plattenläden, wenn ich mal aus meinem Nest raus komme oder bestelle oft bei kleineren Online-Shops oder direkt bei Labels. Bei größeren Sachen geh ich dann auch ab und an mal bei den Großhändlern wie jpc vorbei, was aber eher die Ausnahme ist.
Ich denke, wenn man die Möglichkeit hat, sollte man sich die Platten immer bei Konzerten kaufen, denn dann kommt das Geld auch sicher bei den Bands an, die man gut findet.
Oft ist es auch so, dass ich über Streamingdienste Bands und Alben finde, die ich richtig toll finde und kaufe mir dann zur Unterstützung der Bands auch das Album auf Vinyl. Ich denke, nur so kann eine Underground Musikszene auch in Zukunft existieren.
AFL: Was für Releases stehen bei dir den in nächster Zeit sonst so an? Und was sind deine Zukunftspläne mit dem Label?
Nico: Es wird definitiv Anfang 2018 eine EP und später auch das neue Album von IDestroy aus England kommen und auch bei dem neuen Album von Roughneck Riot wird es wohl in Zusammenarbeit mit TNS Records zu einer Veröffentlichung des neuen Albums kommen. Aber auch von The Moorings wird es eine schöne 7inch geben, auf der die Band 4 Songs in ihrem Stil covern wird. Den ein oder anderen Song gibt es auch schon live zu bestaunen. Ansonsten steht evtl. eine Wiederveröffentlichung einer Band in der Pipeline, die ich sehr liebe und ziemlich steil gehen würde, wenn das dann 2018 auch tatsächlich klappt. Um wen es hier geht, darf ich leider noch nicht verraten. Ansonsten habe ich mir da noch nicht so viele Gedanken über die nächsten Releases gemacht, da ich aktuell mit meinem Kopf voll im Booking stecke und dieses natürlich auch in Zukunft Vorrang haben wird.
AFL: Vielen Dank für das Interview! Hast du noch irgendetwas, das du hinzufügen möchtest oder irgendwelche Abschlussworte?
Nico: Leute, geht wieder mehr auf die kleinen schwitzigen und verrauchten Konzerte, schaut euch unbekannte Bands an und kauft euch verdammt noch mal die LP´s oder CD´s der Bands, die ihr gut findet, denn nur von Streaming kann keine Band der Welt leben. Nehmt euch ein Herz und startet auch mal eure eigenen Shows und kommt weg vom reinen konsumieren. Ganz nach dem „DIY – do it yourself“ Gedanken. Bands und Gäste werden es euch danken. Ach, und ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Veranstaltern, Bands und sonstigen Menschen bedanken, die mich in all dieser Zeit unterstützt haben und geholfen haben, zu dem zu werden, was wir jetzt sind. Danke auch an die AWAY FROM LIFE Crew, die einen extremst guten Job mit dem Online-Fanzine macht.
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