Nach drei Jahren Corona-Zwangspause und dem Findungsprozess nach Mitgliederwechseln an Bass und Mikro, veröffentlichen Chiefland am 04. November 2022 endlich ihr neues Album. Wer die ersten Singleauskopplungen verfolgt hat, den wird es nicht überraschen, dass die Nachfolge vom wilden Debüt Wildflowers mit dem Namen Quiet Confidence komplett anders klingt. Warum das zunächst irritierend, aber beim genauen Anhören das beste ist, was Chiefland tun konnten, erfahrt ihr im Review.
Ich steige gleich ein, und spreche das offensichtliche an: Quiet Confidence ist auf den ersten Hör ganz schön „quiet“, nach mehrfachem Anhören wird mir dann klar, was es mit diesem „confident“ auf sich haben könnte.
Was schon bei den ersten Singleauskopplungen Pretty Good Run, Your Escape und Superglue auffiel, wird beim kompletten Durchhören der Platte endgültig deutlich: Chiefland haben einen kompletten Genreshift vollzogen, was vor allem durch den Wechsel am Mikrofon durchaus logisch ist.
Wo früher knackige Bässe waren, ist jetzt ein sanftes harmonisches Rollen; wo Screams uns die Haare zu Berge stehen liessen, erklingt jetzt cleaner und perfekt intonierter Gesang; wo getragene, schwere Gitarrenriffs tönten, da ist jetzt Leichtigkeit.
Und auch wenn ich den alten Sound sehr mochte und etwas vermisse, ist diese Veränderung nichts schlechtes. Denn es klingt leicht und echt. Damit meine ich weniger die Texte, denn die sind nach wie vor mal schwermütig, mal traurig, mal wütend – das ganze Emoprogramm halt. Rein inhaltlich hat sich also nicht so viel geändert. Was ich meine ist, dass der neue Sound nicht nach Verbissenheit und Anstrengung klingt. Denn das könnte man durchaus vermuten, bei so einem krassen und offensichtlich bewussten Stilwechsel einer Band.
Alles an diesem vollkommen neuen Sound fügt sich ganz selbstverständlich ineinander, wirkt stimmig und nicht zu gewollt, auch wenn ganz klar die musikalischen Vorbilder herauszuhören sind: Citizen, Movements, sogar Ceremony-eske Sounds vernehme ich hier und da. Post-Punk-Emo-Noise, falls ihr es in einen Apothekerschrank mit den vielen Mini-Schubladen packen wollt.
Genau hier müssen Chiefland aufpassen. Sie klingen an vielen Stellen gar etwas zu international, und ich bin mir an einigen Stellen nicht sicher, ob das hier nicht vielleicht doch Balance and Composure sind. Ja, das klingt nach seltsamer Kritik, denn welche Band träumt nicht davon mit internationalen Größen auf eine Stufe gestellt zu werden? Chiefland sollten dennoch aufpassen, nicht ihre komplette Edgyness zu verlieren.
Und dennoch: Ich mag, was ich da höre, besonders aber eben genau die Songs, die mit einigen unerwarteten Turns und ein paar Ecken und Kanten aufwarten, wie zum Beispiel Track 2, Quiet Confidence, der Titelsong des Albums. Ich hätte mir hier und in einigen anderen Songs aber gern noch ein wenig mehr Inbrunst und Lautstärke gewünscht.
Verträumt dreht die Platte ihre Runden. Immer wieder werden instrumentell reduzierte und leise Parts eingeschoben und schließlich von einem melodischen Klangvorhang verdeckt.
Superglue ist der wohl melodischste und emoigste Song – bevor mich jemand zurecht weist: der Midwest Emo und nicht der D.C. Emo. Ein Song, der sich wie ein langes schweres Gespräch unter Freunden anfühlt, eines, von dem nur bittersüße Erinnerungen bleiben. Er macht mir besonders deutlich, wofür Quiet Confidence für mich steht: Die unglaubliche Zuversicht, die man damals zwischen 16 und 20 noch hatte, als sich zwar vieles schwer und verloren anfühlte, aber immer die Gewissheit an unserer Seite war, dass alles kommt, wie es kommt und morgen ein neuer Tag ist.
Quiet Confidence klingt wie das in Töne gegossene Tagebuch eines / einer Spät-Pubertierenden. Von einer / einem, der oder die erwachsen spielt und gleichzeitig immer wieder den trivialsten Gefühlen erliegt. Ich meine das – auch wenn es nicht so klingen mag – positiv. Es fühlt sich an, als würde ich mein 17-jähriges Ich wiedertreffen.
Quiet Confidence – der Titel passt in meinen Augen perfekt. Denn mit viel stillem Selbstvertrauen wickeln die vier „Chiefländer“ uns hier einen komplett neuen Sound um die Ohren, wohl wissend, dass das nicht jedem gefallen dürfte, aber dass alles gut ist, so wie es gekommen ist.
Und sind nicht die Bands am besten, die nicht tun, was man von ihnen erwartet, sondern, das, was sich für sie richtig anfühlt? Genau deswegen klingt Quiet Confidence trotz aller Sanftheit und Melancholie so stark.
Ich will damit auf keinen Fall das „Sie-sind-erwachsen-und-ruhiger-geworden“-Klischee bemühen. Im Gegenteil: Quiet Confidence klingt jünger, es klingt nach diesem Leuchten in den Augen, diesem übermütigen Selbstbewusstsein und nach der Verspieltheit. So wie wir uns alle damals eben fühlten, als wir uns von niemandem etwas sagen lassen wollten und unseren Weg gingen.
Ich bin unglaublich gespannt, wie das live rüberkommt.
Chrissy