Nun habe ich bereits sechsmal angefangen, die Einleitung für dieses Interview zu schreiben und habe die Sätze dann doch immer wieder verworfen. Vielleicht ist dieses meiner Nüchternheit oder Unkonzentriertheit geschuldet.
Vielleicht aber auch der Tatsache, dass man eine Bandhistorie wie die der Terrorgruppe nicht einfach in ein paar Sätze packen kann. Darum halte ich nun einfach mal die Finger still und wünsche viel Spaß und Freude mit den vielleicht letzten geschriebenen Worten der noch aktiven Terrorgruppe.

Lang lebe die Hedonistische Heilsfront, lang lebe Aggropop!

Irgendwie verstehen die Leute heutzutage den Ursprung von Punk nicht mehr: Aufbegehren und „Dagegen sein“ mit sarkastischen Vergleichen & Ansagen und mit einer guten Portion von bitterbösem Spaß.

Terrorgruppe live – Credit Felix Walther_

AFL: Nun soll es endgültig soweit sein – die Terrorgruppe wird zu Grabe getragen. Wann wurde euch denn klar, dass die Terrorgruppe keine Zukunft mehr hat und das Lila-Album das letzte in der Schaffensserie der Band sein wird?

MC: Mir wurde das während der Arbeiten am lila Album klar. Erstens scheinen sich unsere Wege inhaltlich und musikalisch weiter auseinander zu bewegen, so dass es mehr ein ziehen und zerren an verschiedenen Enden gab, als ein gemeinsames Ziel.

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JB: Wir sind alle ein klein bisschen älter geworden. Und kauziger. Es ist auch in unserem Alter nicht mehr so einfach über 2 Stunden eine so druckvolle und energische Show auf der Bühne zu veranstalten, wie das noch in den 90ern oder 2000ern für uns möglich war. Ich bin nach 2 Stunden wirklich komplett durchgerockt und fix und fertig.

MC: Zwischenmenschlich tauchen alte Probleme wieder auf, die auch schon mit zum ersten Split 2005 führten und das Konzept der Band wirkt etwas aus der Zeit gefallen. Gerade wie heutzutage unter dem jüngeren Publikum oft mit Positionierung, Ironie, Satire und Humor umgegangen wird, gefällt mir persönlich überhaupt nicht mehr und da ich nicht der Mensch bin, der sich Leuten aufdrängen möchte und wir alterstechnisch auch schon etwas überfällig sind, fällt es mir sehr leicht dieses Kapitel dann auch für immer zu beerdigen.

JB: Irgendwie verstehen die Leute heutzutage den Ursprung von Punk nicht mehr: Aufbegehren und „Dagegen sein“ mit sarkastischen Vergleichen & Ansagen und mit einer guten Portion von bitterbösem Spaß. Viele Texte der heutigen Punkgenerationen lesen sich wie Tagungspunkte und Sachinformationen aus dem Programm einer Partei oder einer Bürgerinitiative. Wie Langweilig. Wo ist der Dada geblieben?

AFL: Die Zeiten seit eurer Gründung haben sich ja u.a. dahingehend wirklich geändert. So werden Ironie und Sarkasmus eigentlich gar nicht mehr verstanden und das ist ja auch immer ein fundamentaler Eckpfeiler der Terrorgruppe gewesen. Meint ihr, es würde jetzt noch eine Band wie die Terrorgruppe schaffen, eine solche Größe zu erreichen, wie ihr es geschafft habt oder würden die Shitstürme diese Band direkt niedermachen?

MC: Die Entwicklungen im Punk lassen mich das Alles momentan eher negativ sehen. Weil diese Subkultur Teil der Gesellschaft ist und nicht im luftleeren Raum existiert, werden eben auch der aktuelle Generationskonflikt mit seinen identitätspolitischen Diskursen innerhalb der Szene ausgetragen. Ich weiß nicht ob das der Szene so gut tut wie die Aktivistinnen das Glauben machen wollen bzw. bin ich mir fast sicher, dass es Punk für neue Leute nicht attraktiver macht. Aber bestimmte Bewegungen lösen nach einiger Zeit ja immer Gegenbewegungen aus. Punk geht es immer genau so schlecht wie Mode und Outfit der Punks langweilig sind. Wenn Punk für junge neue Leute attraktiver sein soll, muss er sich öffnen und wieder viel, viel kreativer werden, eine langweilige dogmatische Politisierung und Abkapselung der Szene hat schon immer das Gegenteil bewirkt.

JB: Einfach wieder mehr Dada!

Ihr könnt euch auf eine hochmotivierte Band freuen, die nochmal alles geben wird, bis zur Erschöpfung und mit der üblichen Hitdichte, für die wir bekannt sind und ganz ohne Pathos, Weihnachtslieder und Konfetti, versprochen.

Terrorgruppe live – Credit Felix Walther

AFL: Dieses soll ja nun auf eurer anstehende Abschiedstour nochmal richtig gefeiert werden. Bisher stand diese allerdings unter keinem guten Stern und ihr hättet euch bestimmt ein schnelleres Ende gewünscht. Nun soll es aber losgehen. Auf was dürfen wir uns freuen und auf was überhaupt nicht?

MC: Mir persönlich wäre die Abschiedstour gar nicht so wichtig gewesen und nachdem klar war, dass sie 2020 nicht stattfinden konnte, gab es durchaus Diskussionen, ob wir die Tournee überhaupt noch verschieben oder nicht gleich komplett absagen sollten. Aber einigen Mitgliedern in der Band war die Tournee dann doch so wichtig, dass ich mich nicht querstellen wollte. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass ich lustlos bin.
Ihr könnt euch auf eine hochmotivierte Band freuen, die nochmal alles geben wird, bis zur Erschöpfung und mit der üblichen Hitdichte, für die wir bekannt sind und ganz ohne Pathos, Weihnachtslieder und Konfetti, versprochen.

JB: Und ohne geschwollene Abschiedsreden und gefühlsduseliges Rumgeheule. Aber mit allen Hits seit 1993!

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Definitives Ende, 100%, kein Netz, kein doppelter Boden.

AFL: Wäre der treffendste Name für die anstehende Tour nicht auch „Opa halt ́s Maul“ gewesen?

MC: Wär auch lustig gewesen, ja, sind wir aber nicht drauf gekommen. Du solltest professioneller Tournee-Namensgeber werden.

AFL: Hattet ihr zwischenzeitlich auch über eine weitere Aufschiebung der Tour nachgedacht? Denn nun ist es mit den unterschiedlichen Zutrittsregelungen (siehe unten) ja auch etwas durcheinander.

MC: Es gibt sogar noch alternative Termine für den September 2022. Aber wir haben uns aus mehreren Gründen entschieden, die Tour jetzt zu machen – trotz des Regelchaos. Es ist jetzt einfach für Bands, Crew und Publikum die beste Zeit. Jetzt brauchen die Leute solche Events.

JB: Und vor allem auch für die Clubs und Hallen. Es muss jetzt wieder los gehen. Zumindest für alle Geimpften.

Terrorgruppe live – Credit Frank Rupp

AFL: In den folgenden Fragen möchte ich etwas zurückblicken und dabei erinnere ich mich direkt an eine Show von euch in Braunschweig, irgendwann Ende der 90er. Da hatte Archie wohl einmal zuviel in Richtung Publikum gerotzt, was das Publikum zum Anlass nahm es ihm gleichzutun und es erging ein Rotzregen auf die Bühne. Was war denn das widerlichste, was ihr auf einer Show erleben durftet?

MC: Die Rotzerei war ja so eine Tradition bzw. ein Relikt aus den 70er Jahren, dass wir bei Terrorgruppe gern, damals und ab und zu heute, zelebriert haben. War ein bisschen ekelig aber ich hatte mich daran gewöhnt.

JB: Damals gabs noch kein Corona, aber immerhin schon die „Schweingrippe“.

MC: Das ekeligste hat aber Bottrop bei „Sick, Suck & Fuck feat. Mutti Masturbation“ auf einer Plastic Bomb Party in Bochum vollbracht. Da wurde mir bei den Erzählungen schon schlecht, aber das kann er ja selbst erzählen.

JB: Ich hab damit nichts zu tun! Das war mein Bruder Jimmy Bottrop.

(Anm.d.R.: In einem Interview mit stormbringer.at erfährt man, dass der böse Zwillingsbruder von Johnny Bottrop dort Bühne, Publikum und Fäkalien in Zusammenhang gebracht hat)

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AFL: Wo wir gerade von vergangenen Shows sprechen, auf den Hard Pop Days 1997 musstet ihr euer Set kurz unterbrechen, weil das Publikum mit Unmengen an Stroh rumgeworfen hat und einer von euch kaum noch Luft bekommen hat. Könnt ihr euch an einen Auftritt von euch erinnern, den ihr abbrechen musstet oder der von dritten abgebrochen wurde? Wen ja, was waren denn die Gründe dafür?

MC: Ich glaub, du verwechselst uns da mit Sabrina Setlur? Die wurde an dem Tag hart mit Bechern voll Schlamm und Stroh beworfen und musste abbrechen.

JB: Wer hat denn da wohl während des Setlur-Auftritts die Stroh- und Schlammschmeiss-Orgie eröffnet? Hihi.

MC: Unser Terrorgruppe-Set an dem Tag, als erste Band auf der Hauptbühne, war eh nur 30 Minuten kurz und der Veranstalter war erstaunt wieviele Leute wir als Opening-Act vor die Bühne lockten und was für eine Party wir dort in Gang brachten.

AFL: Ihr und eure Musik habt mich und garantiert auch viele andere in der Punksozialisationsphase unglaublich geprägt. Wenn man euch ein Denkmal bauen dürftet, wo sollte es stehen und wie sollte es aussehen?

MC: Das ist aber nett, danke! Nun, ich glaube es wäre eine Charakterschwäche als Künstler beim eigenen Denkmal mitreden zu wollen. Das ist ungefähr so peinlich wie Bands die ihre eigenen Dokus produzieren und Biographien schreiben.

JB: Denkmäler gibt es erst nach dem Versterben, oder? Ich möchte gerne noch ein bisschen leben. Auf meinem Grabstein soll mal stehen „Glotz nicht so doof, ich würd jetzt auch lieber am Strand liegen!“

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AFL: Ihr habt euch 2005 ja bereits schon einmal getrennt. Ist es dieses Mal das definitive Ende der Terrorgruppe oder dürfen wir noch auf einen Reunion im Altersheim, bei Tanztee und Klosterfrau Melissengeist, hoffen?

MC: Definitives Ende, 100%, kein Netz kein doppelter Boden.

AFL: Aber es gibt ja auch bestimmt ein Leben nach der Terrorgruppe. Archie fungiert als Tourmanager und Solo-Künstler, Johnny verdingt sich mit Acht Eimer Hühnerherzen und Destiny Records, aber was machen denn nun Zip, Kid und Eros? Kinderwahnsinn?

MC: Kid Katze ist im September zurück nach Tel Aviv gezogen und wird dort sicherlich weiter Musik machen und auch Musik produzieren. Zip spielt nach wie vor bei The Charcoal Sunset und Eros hat seine Band TUSQ und auch Solo was in der Pipeline.

AFL: Gibt es ein Ziel, dass ihr mit der Terrorgruppe immer erreichen wolltet, es aber nicht geschafft habt? Wenn ja, welches Ziel war das denn?

MC: Einen richtigen credibilen Radiohit hätt ich schon gern gehabt, aber das ist fast ein Oxymoron.

JB: Wollten wir nicht auch irgendwann mal einen Band-Porno drehen? Mit Handlung?

AFL: Vor einiger Zeit ist mir nach vielen Jahren mal wieder euer Debütalbum „Musik für Arschlöcher“ in die Hände gefallen und tatsächlich ist mir erst jetzt aufgefallen, wie gut ihr damals bereits eure Instrumente beherrscht habt. Daraufhin fragte ich mich, ob ihr tatsächlich wie bei „Blöd Davor“ begonnen habt oder es doch der frühe Orgelunterricht und der Unterricht im Kinderchor war, der euch geprägt hat.

MC: Als „Musik für Arschlöcher“ eingespielt wurde, war ich schon 29 Jahre alt und war seit 13 Jahren in verschiedensten Bands aktiv. Bottrop und Zip hatten eine ähnliche Karriere als Musiker hinter sich. Wir wussten also, was wir Gitarrentechnisch taten. Nur mein Gesang und unser Drummer Hermann v. Hinten hatten damals noch eine intensivere Betreuung unseres damaligen Produzenten Andi „Hund“ Jung nötig.

JB: Wir haben Punkrockgitarrenspielen von klein auf gelernt. Seit wir 14 oder 15 waren, erste Früh-Punk-Anfänge, dann Hardcore & Skatepunk, später auch Offbeat- oder Sixties-Punk… bei Sick Pleasure, Inferno, Hostages Of Ayatollah, La Vache Qui Rit, Vellocet, Nick-A-Nuke, Testbildtesters…

AFL: Welches Lied ist wohl euer größter Geniestreich gewesen?

MC: Das Tresenlied empfand ich songschreiberisch schon immer als ziemlich perfekt.

JB: Pequeno pero Malo, Stay Away From The Good Guys und Fettes Betrunkenes Dummes Schwein find ich sehr aufregend.

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AFL: Wo ich gerade dabei bin, wie sehr sind euch eigentlich blöde Interview-Fragen auf den Sack gegangen und welche Frage dürfte ich euch auf keinen Fall stellen?

MC: „Seid ihr gegen Rechts?“ ist die dümmste Frage die man uns stellen kann, oder „warum heisst ihr Terrorgruppe, relativiert ihr damit nicht die fürchterlichen Anschläge von…“

AFL: Ja und dann bin ich auch schon bei meiner letzten Frage, die mir wie immer am schwersten fällt. Darum schließe ich einfach mit einer klassischen Frage ab…aber erst noch einmal vielen Dank für eure Zeit und wir sehen uns auf der Tour….nun aber die Frage: Habt ihr noch irgendwelche letzten Worte für uns?

MC: Besucht uns auf unserer letzten Tournee, bringt alle eure Freunde mit und hört weiterhin unsere Musik. Gerade diese Tage kam eine neue Trackliste des 2000er Albums „1 World 0 Future“ auf den Streamingplattformen raus, mit den verschollenen B-Seiten der damaligen Single-Auskopplungen als Bonus.

JB: Und in den nächsten Jahren werden wir sicher noch so manches rare Schätzchen aus dem Archiv holen und auf Platte pressen. Versucht allzeit bereit zu bleiben für den Aggropop! Gründet eigene Terrorgruppen!

TERRORGRUPPE – „TSCHÜSSIKOWSKI“-TOUR 2021

09.11.2021 Halle/Saale, Tanzbar Palette mit 51 Grad & Shirley Holmes
10.11.2021 Bremen, Schlachthof mit Shirley Holmes & Akne Kid Joe
11.11.2021 Hannover, Capitol mit Shirley Holmes & Akne Kid Joe
13.11.2021 Wien, Arena mit Shirley Holmes & Missstand
16.11.2021 Köln, Kantine mit Shirley Holmes & Akne Kid Joe
17.11.2021 Saarbrücken, Garage mit Shirley Holmes & Elfmorgen
18.11.2021 Stuttgart, Universum mit Shirley Holmes & Überraschungsgäste
19.11.2021 Dresden, Chemiefabrik mit Shirley Holmes & Akne Kid Joe (AUSVERKAUFT)
21.11.2021 Dortmund, FZW mit Shirley Holmes & The Toten Crackhuren Im Kofferraum
23.11.2021 Hamburg, Grünspan mit Shirley Holmes & The Toten Crackhuren Im Kofferraum
24.11.2021 Wiesbaden, Schlachthof mit Shirley Holmes & The Toten Crackhuren Im Kofferraum
25.11.2021 Nürnberg, Z-Bau mit Shirley Holmes & The Toten Crackhuren Im Kofferraum
26.11.2021 München, Backstage mit Shirley Holmes & The Toten Crackhuren Im Kofferraum
28.11.2021 Zürich, Dynamo mit Shirley Holmes & The Toten Crackhuren Im Kofferraum
01.12.2021 Leipzig, Conne Island mit Shirley Holmes & The Toten Crackhuren Im Kofferraum
02.12.2021 Jena, Kassablanca mit Shirley Holmes & The Toten Crackhuren Im Kofferraum
03.12.2021 Berlin, Columbia-Theater (AUSVERKAUFT)
04.12.2021 Rostock, Peter-Weiss-Haus mit Spontanzerfall & The Toten Crackhuren Im Kofferraum
12.12.2021 Berlin, Huxleys neue Welt mit Berlin Blackouts & Akne Kid Joe

Tickets: www.terrorgruppe.com

Terrorgruppe – Tourdaten 2021
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Wer sich noch unsicher sein sollte…schaut hier mal rein und dann bestellt euch ein Ticket!

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– Playlist: Happy Release Day

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