Die vier Mädels von Bad Cop / Bad Cop haben am 19. Juni 2020 ihr drittes Album The Ride via Fat Wreck veröffentlicht. Das unserem Schreiber Timbo bei diesem Album etwas die Kompromisslosigkeit des Vorgängeralbums Warriors fehlt, wissen wir ja spätestens seit seinem Review, aber was sich sonst noch so seitdem für die Band verändert hat und was dieses Album so besonders macht, lest ihr nun unter anderem. in unserem Interview mit Frontfrau Jennie Cotterill.

Sängerin und Gitarristin Jennie Cotterill von Bad Cop / Bad Cop im Interview

I don’t give a fuck about whether this album is considered punk. I think it’s hilarious that people pull out their punk rulebook and show me where we have deviated.

AFL: Hi Jennie, es ist schön dich mal wieder bei uns im Interview zu haben. Das letzte Mal sprachst du vor ziemlich genau drei Jahren mit unserem Kollegen Gripweed, über euer damals aktuelles Album Warriors.
Nun aber erst einmal zur Gegenwart und dem allgegenwärtigen Themen. Wie geht es euch in diesen Corona geprägten Zeiten?

Jennie: Nun, uns geht es soweit gut, aber diese Zeiten sind echt einfach surreal, aufregend und beängstigend zugleich.

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AFL: Ihr in Süd-Kalifornien seid ja besonders betroffen und soweit ich weiß, steigen bei euch ja gerade auch wieder die Infektionszahlen. Wie blickst du denn derzeit  auf die Club-, Kneipen- und Musikszene?

Jennie: Clubs und Bars sind natürlich wirklich unten angekommen und hoffen einfach nur, diese Zeit heile zu überstehen. Das ist auch das, was wir nur tun können, so lange kein wirkliches Ende in Sicht ist.
Manche Geschäfte haben aber auch wieder auf und ich hoffe sehr, dass unsere geliebte Veranstaltungsorte diese Zeit überleben werden. Die Bands hingegen werden diese Zeit aber überdauern, denke ich. Wir müssen halt kreativ werden um weitermachen zu können und zum Glück sind wir ja kreative Typen. Haha.

AFL: In Gesprächen mit anderen Bands und Musiker*innen habe ich oft gehört, dass dieses wohl eine der ungünstigsten Zeiten seit Ewigkeiten ist, um ein Album rauszubringen. Das Release-Date von eurem neuen Album The Ride ist ja auch genau in diese Zeit gefallen. Wie siehst du das?

Bad Cop / Bad Cop - The Ride (2020, Fat Wreck Chords)
Bad Cop / Bad Cop – The Ride (2020, Fat Wreck Chords)

Jennie: Es ist auf jeden Fall eine ganz neue Art der Herausforderung. Das bisherige Modell sah ja so aus, dass man ein Album dadurch entsprechend supported hat, dass man ordentlich getourt ist. So kann man Geld verdienen und gleichzeitig auch mit dem Album einen Schritt nach vorne machen. Aber das ist ja nun kein Option, daher versuchen wir, was wir können und nutzen dabei stark das Internet.
Wir hatten auch mit Fat Wreck darüber gesprochen, ob man die Veröffentlichung nicht verschieben sollte. Aber wir als Band glauben daran, dass es genau diese Zeit ist, in der die Leute neue Musik brauchen und auch verdienen. Sie wissen dann auch etwas frisches und erhebendes vielleicht etwas mehr zu schätzen. Wir vertrauen darauf, dass wir, wenn es die Zeiten wieder erlauben, uns alle auf Shows wiedersehen und die Leute dann auch alle neuen Songs schon komplett mitsingen können. Haha.

AFL: Es war auch echt scheiße, dass ihr ebenfalls eure Tour canceln musstet. Ich hatte mich, wie viele andere auch, echt schon auf eure Show in Hannover gefreut. Wir können nun nur hoffen, dass eure Shows zu den neuen Tourdaten wenigstens stattfinden können.
In Deutschland geraten viele Bands derzeit in finanzielle Schieflage, weil die Einnahmen aus den Shows und der Festival-Saison fehlen und mit diesen fest gerechnet wurde. So müssen nun gestandene Musiker Hartz 4 beantragen oder versuchen ihren eigentlichen Nebenjob zum Hauptjob umzufunktionieren.
Ist das bei euch auch so und ihr müsst nun mehr nebenbei arbeiten? Schließlich kommt bei euch ja auch weniger in die Kasse.

Jennie: Tatsächlich hatte ich ein richtig schlechtes Timing, denn ich habe meinen Nebenjob gekündigt, kurz bevor wir im Februar auf Tour gegangen sind. Ich bereue es aber auch nicht, denn es gibt derzeit so viel Arbeit zu erledigen, alleine um diese neue Herausforderung zu meistern. Das ist einfach eine Lernphase für uns und wir setzen da viel Energie rein und sind uns auch sicher, dass wir uns gut anpassen und auch überleben werden.
Geld ist im Moment für viele Menschen knapp und so tue ich mich schwer damit, das als bandspezifisches Problem zu sehen. Ich bin ja neben der Musik auch Bäckerin und so backe ich Kuchen und nähe derzeit auch Masken und hoffe dabei einfach, dass sich die Dinge bald auch wieder ändern. So kann und bin ich wieder als kreativer Mensch unterwegs und das ist auch meine Überlebensstrategie.

AFL: Wie Eingangs bereits erwähnt, ist der Vorgänger von The Ride nun bereits drei Jahre alt. Damals war Trump noch recht frisch im Amt und nun strebt er seine Wiederwahl an. Wie siehst du so die letzten Jahre mit ihm und merkst du auch, dass sich das Denken der Menschen seitdem geändert hat?

Jennie: Seit Trump im Amt ist, bin ich immer wieder durch trauerähnliche Prozesse gegangen, denn er schockiert und entsetzt mich immer wieder zugleich, was auch irgendwie erstaunlich ist. Ich denke seine Taktik hält er dabei immer ziemlich transparent, während er versucht das antirassistische Feuer, dass derzeit in den Staaten brennt, von sich fernzuhalten.
Seine Wiederwahl hängt dabei stark von der Taktik der Wählerunterdrückung und dem weißen vorherrschaftlichen System ab.

Ich als weiße Person versuche diese Bewegung mit allen Mitteln zu unterstützen und es zu ermöglichen, dass People of Colour und Indigene den Raum bekommen, in dem sie gehört werden und auch wütend sein können.

AFL: Wo wir gerade schon bei den Protesten sind, wie blickst du denn auf diese? Manchmal entlädt sich ja auch eine gewisse Portion Gewalt in ihnen und euer neues Album versprüht ja eher die Botschaft, das Wut der falsche Weg ist und das positive Denken viel mehr verändern kann.

Bad Cop / Bad Cop
Bad Cop / Bad Cop

Jennie: Die Leute haben das volle Recht aufgrund der Morde und der Unterdrückung wütend zu sein, denn genau das ist es auch, über das wir alle wütend sein müssten. Es ist nun wichtig, dass sich diese Wut in Aktionismus wandelt, was ja auch gerade passiert. Ich als weiße Person versuche diese Bewegung mit allen Mitteln zu unterstützen und es zu ermöglichen, dass People of Colour und Indigene den Raum bekommen, in dem sie gehört werden und auch wütend sein können.
The Ride entstand ja vor den Protesten und ich glaube auch immer noch, dass Positivität und Selbstermächtigung Aktionen befeuern und das ist es, was diese Bewegung u.a. antreibt.

AFL: „Certain Kind of Monster“ und „Pursuit of Liberty“ sind zwei Songs vom neuen Album, die nicht nur von eurer Bassistin Linh Le geschrieben wurden sondern auch von ihr gesungen werden. In den Liedern verarbeitet sie ihre Erfahrungen mit der Ausgrenzung von so genannten Minderheiten. So hilft einem die Musik ja auch oftmals auf diesem Weg. Siehst du Musik eher als Therapie, Profession oder Leidenschaft an?

Jennie: Linh ist die Einwanderungspolitik sehr wichtig – so wie dem Rest der Band auch. Ihre persönliche Geschichte macht sie jedoch zur am besten geeignetsten Stimme für solche Songs. Stacey und ich als weiße Frauen unterstützen buchstäblich ihre Stimme und Botschaft bei diesen Liedern.
Und was deine Frage angeht…da trifft es auf alle zu.

AFL: Euer neues Album empfinde ich irgendwie etwas moderater. Ja vielleicht wäre reifer da auch ein guter Begriff. Es ist zeigt den Mittelfinger nicht mehr ganz so aggressiv, wie es Warriors tat und befeuert eher das positive Denken.
Seid ihr als Band vielleicht auch etwas ruhiger geworden?

Jennie: Ich für meinen Teil habe daran gearbeitet eine ausgeglichenere und auch mitfühlendere Person zu werden. Für mich bedeutet das, weniger Zeit damit zu verbringen, zu reagieren und wütend zu sein sondern eher den Übergang vom Konflikt zur Lösung zu forcieren.

AFL: Aber hat es vielleicht auch bisschen was mit Stacey Dee´s Erkrankung zu tun, dass ihr etwas ruhiger geworden seid? Denn gerade in solchen Momenten überdenkt man doch manchmal sein vorheriges Denken und seine Handlungsweise. Über den Kampf gegen die Krankheit singt ihr ja auch im Song Breastless.

Jennie: Staceys Erkrankung an Brustkrebs war natürlich eine tiefgreifende Erfahrung für sie. Eine Erinnerung an die Sterblichkeit, die existenzielle Unabhängigkeit und unzählige vielschichtige Emotionen.
Bei der Produktion des Albums schrieb sie mehr und auch bessere Songs als jemals zuvor in ihrem Leben.
Es stand in der Zeit zuvor geradezu alles auf dem Spiel und sie war in der Zeit der Diagnose gerade auf einer Art Weg der Selbstverbesserung (Anm. Stacey litt unter Alkohol- und Drogenproblemen). Für eine Gesundheitskrise gibt es natürlich nie einen guten Zeitpunkt, aber bei ihr kam die Krise in der Zeit, in der sie die Sucht endlich hinter sich gelassen hatte. Diese Tatsache bedurfte noch einmal ein zusätzliches hohes Maß an Selbstreflexion und Selbstpflege und das sind eben auch alles Themen die in das Album mit eingeflossen sind.

AFL: Denkst du auch manchmal darüber nach, was wohl nach Bad Cop / Bad Cop kommen könnte oder siehst du diese Band als eine Art lebenslange Ehe an?

Jennie: Wir haben keine Pläne uns zu trennen oder denken darüber nach was den „danach“ kommen könnte und so sehe ich die Band tatsächlich nicht als endlich an. Wir werden weiterhin unsere individuellen Lieben und Ziele verfolgen

AFL: Wie ich ja bereits erwähnte, fehlt mir an manchen Stellen des Albums eine gewisse Aggressivität. Ihr singt zwar kritisch und politisch, tut es aber eher mit dem Zeige- als mit dem Mittelfinger. Sollte aber Punk nicht auch immer eine gewisse Art von Ventil sein, um seinem persönlichen Ärger und seiner Wut etwas Platz zu machen?

Jennie: Ich mache mir keine Gedanken darüber, ob dieses Album nun „Punk“ ist oder aber nicht. Ich finde es immer witzig, dass die Leute in solchen Situationen immer meinen ihr Punk-Regelbuch zücken zu müssen, um uns zu zueigen, wie wir von der Norm abgewichen sind.
Genres sind fließend anzusehen und doch eigentlich auch bedeutungslos. Das ist es und
nur weil es nicht so aussieht, wie du es zuvor gesehen hast, wird es nicht hinfällig.
Wenn du sehen möchtest, was du bereits gesehen hast, dann schau einfach zurück und nicht nach vorne.

AFL: The Ride wurde von Johnny Carey und Fat Mike produziert und nicht wie alle Vorgänger von Davey Warsop. Was waren denn die Gründe für den Wechsel?

Jennie: Wir starteten tatsächlich mit Davey und einige davon sind auch auf dem Album. Mike wollte aber bei diesem Album mehr involviert sein und der beste Weg das zu bewerkstelligen war darüber, dass wir mit Johnny und den D-Composers zusammen gearbeitet haben. Wir wollten auch ein anders klingendes Album machen und so sehr wir Davey und das was wir bisher gemeinsam gemacht haben auch lieben, war es für uns der beste Weg, um ein anders klingendes Album zu machen.

AFL: Davey Warsop hat ja mit euch auch den typischen Sound eurer letzten vier Outputs geschaffen. War es da nicht komisch das neue Album nicht mehr komplett mit ihm zu schaffen?

Jennie: Davey war natürlich absolut prägend für unseren Sound und dafür sind wir auch sehr dankbar. Es war auch wirklich anders, ohne ihn zu arbeiten und Dinge eben so zu tun, wie es Mike und Johnny tun und nicht mehr so wie wir es mit Davey gewohnt waren. Diese Änderungen ermöglichten es uns aber auch, uns in verschiedene Richtungen zu öffnen und unseren Sound auch zu erweitern. Die Zeit die wir letztendlich mit Mike und Johnny verbracht haben, wäre mit Davey auch gar nicht möglich gewesen und so hat dieser romantischere und nicht so praktisch ausgerichtete Produktionsprozess zu einem verfeinerten und experimentelleren Album geführt.

AFL: Vielen lieben Dank für deine Zeit. Wir wünschen euch nur das Beste und ich hoffe, dass wir uns bald bei einer eurer Shows wiedersehen. Hast du noch ein paar Worte an unsere Leser*innen?

Jennie: Just thanks for reading and we hope you enjoy this album. Hope you’re doing well and hanging in there and that we will be able to play this for you live soon.

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Bad Cop / Bad Cop – Europa-Tour 2020

27.10. – Berlin – Cassiopeia
28.10. – Hamburg – Hafenklang
29.10. – Hannover – Faust
30.10. – Antwerpen – Kavka
31.10. – Köln – Helios37
01.11. – Utrecht – DBS
02.11. – Wiesbaden – Schlachthof

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– Playlist: Happy Release Day

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