Billiges Bier, laute Musik, viel Denim und noch mehr Herzblut
Auch in diesem Jahr legte die Turbojugend Nordhessen ganz schön vor, was eine Chapter-Party betrifft. Man fuhr ein Festival inklusive Rahmenprogramm auf, das dieses Jahr bereits Wochen im voraus ausverkauft war. Mit Zeke als Headliner hat man sich wohl einen kleinen Traum erfüllt – zum Glück für die Besucher.
Aber auch jenseits des Headliners konnte sich das Festival sehen lassen!
Die Rolle des Openers übernahmen Suburban Death aus Kassel mit schnellen Hardcore-Punk Nummern und einem, wer hätte es auf einer Turbojugendparty ahnen können, Turbonegro-Cover. Wirklich Eindruck hinterließen sie aber mit einem weiteren, diesmal sehr außergewöhnlichen Cover. Nichts langweilt mich inzwischen mehr, als schnödes Nachspielen von Songs, wenn auch mit Verzerrer. Aber die Herren aus Kassel wussten aus (You Gotta) Fight For Your Right (To Party!) von den Beastie Boys ihre ganz eigene Hardcore-Nummer zu machen. Chapeau!
Zu meiner Freude lädt man in Kassel regelmäßig schwedische Bands ein. Ich kann mich für wirklich viele schwedische Bands begeistern und auch The Guilt aus Malmö bzw. Helsingborg enttäuschten mich keineswegs. Sie selbst beschreiben sich als Lazerpunk from Sweden. Aerobic for Anarchists. Es geht doch nichts über eine gesunde Selbsteinschätzung. Das trifft es sehr genau! Electro + Gitarre + Stimme. Frontfrau Emma springt in Moves mit Capoeira-Anmutung über die Bühne, singt und schreit; Gitarrist Tobias schneidet die Mixtur aus Beats immer wieder mit seiner Gitarre in angemessen unangemessene Teile. Großartig! Das Publikum nahm den Trainingseffekt dieser Einheit Anarcho-Aerobic gerne an.
Mit Tobias unterhielt ich mich kurz vor der Show. Er meinte, ich solle beim Fotografieren am besten einen Blitz benutzen, da sie sich auf der Bühne fiel bewegen. Auch hier wieder: realitätsentsprechende Selbsteinschätzung.
Das K in Kassel steht scheinbar nicht nur für Korn und Konzerte, sondern auch für Kultur, äh: Komik. Zwischen den Bands durfte sich das Publikum über sehr charmant vorgetragene sehr unlustige Witze freuen. Ehrlich gesagt ein Programmpunkt in Form eines kleinen, feinen Details, den ich – wie wohl auch viele andere – nicht mehr missen möchte!
Nach recht gesittetem Zuhören folgte bei The Kendolls wieder die totale Eskalation. Schnelle Riffs, lautes Geschrei und wallende Mähnen – auch diese Schweden können was! Zum Glück fehlte mein absoluter Favorit „Death Grip“ nicht auf ihrer Setlist. Ob das Konzert frontal stattfand oder Sänger und Gitarre das Publikum aus der Menge heraus oder von der Theke herab beschallten – man musste die Show einfach lieben! Zudem hätte sich wohl kaum ein passenderer Einheitzer direkt vor Zeke finden können.
Das K in Umbaupause stand auch diesmal wieder für Kultur: Eine Burlesque-Show mit männlichem Traditions-Nackedei erheiterte die Menge. Schnell noch ein Nörten (für Einsfünfzig!) und man fühlte sich bereit für den Headliner.
Grimmig dreinschauend kamen die mächtigen ZEKE nun auf die Bühne. Ok, alles andere hätte mich auch gewundert. Ein wenig frage ich mich ja schon, was der „neue“ Gitarrist beim flüchtigen Anblick der Strip-Einlage wohl gedacht haben mag. Von Null auf Hundert startete das musikalische Finale der Heart Attack nun in orkanartiger Geschwindigkeit. Dass eine dermaßen schnelle Show der Band auch einiges an Konzentration abverlangt konnte man den Gesichtern auf der Bühne dann und wann ansehen. Gar nicht schlimm! Spärlich gesähte Ansagen lockerten alles punktuell kurz auf und boten dem Publikum, das besonders direkt vor der Bühne durchgängig schwer am wirbeln war kurze Verschnaufpausen. Ich frage mich ja immer, ob es tatsächlich Menschen jenseits der Band selbst gibt, die jeden Zeke-Song live direkt erkennen, so schnell wie das alles ist. Man munkelt die Herren aus den USA hätten auch Songs vom neuen Album gespielt. Das vermag ich bei dem Tempo kaum zu erkennen, auf jeden Fall wären auch diese augenscheinlich neben den Klassikern freudig vom Publikum aufgenommen worden.
Das besonders hochkarätige Line-Up ist aber nur ein Aspekt der Kassel Heart Attack, deren Veranstalter in diesem Jahr erstmalig als Kasseler Punkrock Kollektiv in Erscheinung traten. Auch in der 2018er-Ausgabe fällt die Liebe zu diversen Details auf – sei es bspw. die Fotoecke, das Buchstaben-Sammelspiel beim Kauf von Nörtenflaschen (das Ö war da doch wieder die Rarität, oder?), Korn-Cocktail-Specials oder Glitzereinlassbändchen.
Die Gang aus Nordhessen schafft es jedes Jahr auf’s Neue ihren Gästen eine tolle Zeit zu bescheren. Danke dafür!