Sensationell – in unserer 116. Ausgabe der 10 Records Worth To Die For freue ich mich sehr hier Valentin von Arrested Denial zu begrüßen. Die Geschichte wie es hierzu kam ist allerdings nur noch blass in Erinnerung. Wir saßen in der Vetternwirtschaft zu Rosenheim im tiefsten Bayern nach dem Auftritt beim Merch und tranken ominöse, snapshaltige Mixturen und haben beide beschlossen, dass es doch ne coole Sache wäre wenn er Mal seine Lieblingsalbum präsentiert. Und es hat tatsächlich geklappt! Viel Spaß beim Lesen, es ist eine nicht zu erwartende Mischung würde ich mal vorweg nehmen. 😉

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1The Maytals – The Sensational Maytals (1965)

Ja, dann fangen wir doch gleich mal mit dem Geballer an. Die frühen Sachen der Maytals, so grob bis 1969, haben mich doch stark beeinflusst. Mir fällt eigentlich keine weitere Kombo ein, die mehrstimmigen Gesang so perfekt umgesetzt hat wie diese 3 Hardcore-Punks. Desmond Dekker schafft es in Sachen Early Reggae vielleicht noch in ähnliche Sphären, allerdings nicht in dieser Fülle und Intensität.
Damals waren Longplayer ja noch nicht so angesagt, wie ihr euch sicher erinnert. Somit steht dieses Album eigentlich auch eher stellvertretend für so ziemlich jede 7 Inch, die von den Maytals in den 60ern erschienen ist. Das müssten so in etwa 1000 gewesen sein…
Das ist 3-Akkorde Musik, ein Prog-Rocker wird damit also vermutlich nicht allzuviel anfangen können. Aber genau das macht es für mich aus. Mit 3-4 Akkorden und quasi nur über mehrstimmige Melodielinien so viele Hits rauszuhauen ist schon ziemlich beeindruckend.
Darüber hinaus sind die Maytals auch einer der wenigen Fälle, wo ich zähneknirschend zugeben muss, dass der ganze Religionsquatsch auch mal gute Seiten haben kann. Die haben ihr Hand- …, oder sagt man dann Mundwerk? – alle im Kirchenchor gelernt. Haben aber, neben den üblichen Gospel-mäßigen Texten der Zeit, tatsächlich auch sehr früh sozialkritische Inhalte aufgegriffen. Damit meine ich jetzt nicht unbedingt Knüppelsongs gegen Bullenschweine und das Scheiß-System, aber eben doch durchaus charmante Ansätze zu gesellschaftlichen Thematiken. Und da kann ich dann in drei Teufels Namen auch mal über das ein oder andere Halleluja hinwegsehen.

225 Ta Life – Friendship, Loyalty, Commitment (1999)

Das Hardcore-Album schlechthin. Ich weiß, dass nicht jeder auf Rick‘s Gesang klarkommt – geschweige denn mit Rick selbst – aber es ist eben nicht dieser allgemeinverträgliche Hatebreed Easy Listening-Kram, der nach 3 Songs langweilig wird. Die Vocals sind aggro und ziemlich rücksichtlos non-konform. „The Great Southern Trendkill“ von Pantera hat vielleicht noch eine ähnlich hohen Varianzbereich und Härtefaktor was den Gesang angeht, aber da sind songtechnisch mehr Filler drauf.
Und rein musikalisch ist das eben eine ziemlich gelungene Mischung aus Oldschool und Newschool, was es ja auch nicht häufig gibt. Mit Oldschool tue ich mich aufgrund fehlender Härte normalerweise eher schwer, Geschmackssache, aber hier passt es.
Was aus Rick Ta Life geworden ist, ist leider ein ziemliches Trauerspiel, und diese 25 Ta Life Reunion mit diesem drucklosen Bodybuilder von Fury Of Five ist gesanglich ebenfalls eine absolute Katastrophe. Aber das schmälert dieses Album und auch die DIY Legacy der Band bis zu Rick‘s Zusammenbruch 2008 nicht. Bis dahin hat er die Nummer doch ziemlich straight durchgezogen, auch wenn er dabei immer ein etwas schräger und überdrehter Vogel war.

3Stampin’ Ground – Carved From Empty Words (2000)

Ich habe die Band zufällig Ende der 90er in Frankreich gesehen, ich glaube auf einer Tour mit Sick Of It All, Indecision und Ignite. Wegen Ignite war ich sicher nicht da, aber bei den mir bis dato unbekannten Stampin‘ Ground ist in Sachen Brachialität die Sonne aufgegangen.
Diese Platte hat metallischen Hardcore für mich – neben All Out War – nochmal auf einen völlig neuen Level gehoben. Hier haut das Drumming auch unglaublich was raus. Die Produktion hat Punch, die Songs sind unfassbar tight gespielt und es ist einfach eine ziemlich runde Mischung aus Geballer und Mosh. Und es ist um Welten besser als diese ganzen grenzdebilen 0-8-15 Bollobands, die heute nur noch Moshpart an Moshpart knallen und dazu irgendwas von Ihrer XYZ-Crew erzählen. Hardcore ist ja leider etwas in der Muckibude an einer Überdosis Testosteron verstorben. Aber Schwamm drüber: Mid-Death Crisis und Everybody Owes a Death sind unbestrittene Welthits, die man in einem Zug mit Sleeping In My Car oder Free Fallin‘ nennen muss.

4Bouncing Souls – How I Spend My Summer Vacation (2001)

Ja, irgendeine Punkrock-Platte muss ja auch dabei sein, sonst fällt es auf…
Über die Bouncing Souls bin ich erstmalig im Flight 13 Laden gestolpert, als I‘ noch in Freiburg g’wohnt hen. „The Gang’s All Here“ von den Dropkick Murphys“ stand auf dem Einkaufszettel, die ja schon ein sensationell beschissenes Cover hat. Unter den Neuerscheinungen stand dort auch das „Hopeless Romantic“ Album der Souls, dessen Coverfoto ja – auf eine andere Art und Weise – mindestens genauso behämmert ist. Logischerweise habe ich gleich reingehört. Tja, und seitdem sind die Bouncing Souls meine herzallerliebste Punkrock-Truppe.
Allerdings ist – wie die Überschrift schon andeutet – das Folgealbum „How I Spend My Summer Vacation“ mein Favorit. Den Hardcore-Punker wird diese Platte nun wohl eher nicht vom Hocker hauen, dafür ist das einfach zu poppig. Aber mit 3-4 Akkorden – ich erwähnte das ja bereits bei den Maytals – ein dermaßen starkes Album ohne einen einzigen Aussetzer zusammenzuzimmern, das muss man erstmal hinkriegen. Die Texte sind angenehm unaufgeregt, der Sänger ist auf seine ganz spezielle Art und Weise noch mehr durch den Wind als Rick Ta Life, das Hardcore-beeinflusste Drumming ist ziemlich prägend, der Basser spielt Bass und nicht Gitarre, und der Gitarrist hat mittlerweile den gleichen Amp wie ich. Nur kann er eben Gitarre spielen…

5Paradise Lost – Icon (1993)

So, genug mit Fröhlichkeit und Sommerferien: Paradise Lost hatten wohl immer etwas das Problem, dass ihre Mucke als Gothic Metal bezeichnet wurde. Was auch immer das sein soll. Ich kann mit Gothic nichts anfangen und es hat auch nichts damit zu tun. Es gab damals wohl noch keine Schublade dafür. Heute würde man einfach ein „Post-„ vor die naheliegendste Musikrichtung schreiben, das passt dann ja immer irgendwie.
Wie man meiner eigenen Musik ja deutlich anhört, habe ich ein großes Faible für düstere und depressive Sachen. Sludge, Doom, besagten Post-Metal und moderneren Black Metal. Also den, den die „Hurra die Produktion ist so geil Scheiße, das ist true“ – Black Metaller so hassen.
Paradise Lost sind da ja noch vergleichsweise einfach konsumierbar und entspannt, auch wenn meine Bandkollegen das auf längeren Autofahrten wiederum mehrheitlich etwas anders sehen…
Aber zurück zu dieser Platte. Wenn Musik es schafft eine Stimmung zu erzeugen, dann kann ich in der Regel was damit anfangen. Hier ist das eine recht morbide und depressive Stimmung, aber eben nicht nur durch musikalische Härte. Muss man mögen, und ich kann durchaus nachvollziehen, dass das nicht jedermanns Sache ist. Aber das ist mir ja letztlich egal, wenn es mein Auto ist.

6Live – Secret Samadhi (1997)

Wer die Band kennt, würde wohl reflexartig das Vorgängeralbum „Throwing Copper“ nennen. Schwierig, aber Secret Samadhi finde ich in Summe noch einen Hauch besser.
Live haben mich Songwriting-technisch sehr beeinflusst. Diese zwei Alben kann ich bis heute rauf und runter hören, ohne dass es jemals langweilig würde. Die Songs haben eine hohe Dynamik, die Band eine gute Pfote für Melodien für Millionen, und neben der ziemlich einzigartigen Stimme ist das ebenfalls sehr atmosphärische Mucke. Irgendwann haben die leider den Faden verloren und nur noch ziemlich sinnbefreite Rockscheiße produziert, aber man kann ja auch nicht endlos Hits schreiben. Die beiden Nummern „Freaks“ und „Turn My Head“ dürften mit zu den Songs gehören, die ich in meinem Leben am häufigsten gehört habe. Wenn man „die Jungs von Nebenan“ von Smegma mal außen vorlässt.

7Dido – Life For Rent (2003)

Und weiter geht’s mit dem Sammeln von Street-Credibility Punkten! Bei uns vergeht bandtechnisch so gut wie keine längere Fahrt zu irgendwelchen Konzerten, auf der wir diese Platten dann nicht doch irgendwann wieder anschmeißen, weil wir uns sonst auf nix einigen können.
Ich bin mittlerweile durchaus auch mal für Elektro-Einflüsse und Trip Hop Geschichten zu haben. Und auch wenn das hier nur dezent zum Tragen kommt, finde ich diese ganz leichten Nuancen auf der Platte doch ziemlich cool. Dido hat mit diesem Album aber auch sonst einen ziemlichen Meilenstein gebastelt, und einen Song wie „Life For Rent“ oder „Mary’s in India“ zu schreiben, das muss man erstmal hinkriegen. Klar ist das Popmusik, die ohne 20 Jazzakkorde auskommt. Aber Bands wie Cock Sparrer oder Social Distortion machen am Ende des Tages auch nix anderes. Die vertonen es nur anders und haben eine andere Umverpackung. Geile Platte, fertig aus!

8Apologies, I Have None – London (2012)

Es kommt ja ab einem gewissen Alter und der damit einhergehenden Abgeklärtheit nur noch selten vor, dass eine Neuentdeckung auch mal bleibenden Eindruck hinterlässt. So dennoch geschehen in diesem Fall. Unfassbar, wie man so viele gute Songs auf ein so dynamisches Album packen kann. Ein bisschen durch den Wind scheinen die Kollegen zu sein, und das ziemlich depressive Nachfolgeralbum „Pharmacy“ finde ich mittlerweile fast noch besser. Das ist dann aber auch wieder mein Faible für depressive Klänge. „London“ ist für den Einstieg sicherlich leichter zugänglich. Punk, Emo, Alternative, es sind auf jeden Fall mehrere Schubladen. „Concrete Feet“ und „The 26“ wären wohl als die größten Gassenhauer zu nennen, falls jemand mal reinhören möchte. Aber die Songs dann auch komplett hören! Da passiert immer nochmal was neues, versprochen. Mike Ness war am Songwriting nicht beteiligt.

9Sodom – Tapping the Vein (1992)

Sodom haben über die Jahrzehnte hinweg eine ziemlich illustre Sammlung an Bandmitgliedern-Namen aufzuweisen. Ich wäre gerne mal auf einer Mitgliedervollversammlung. Von Tom Angelripper über Grave Violator, Atomic Steif, Bloody Monster, Chris Witchhunter bis zu Aggressor waren alle am Start!
Tapping The Vein war neben Covenant von Morbid Angel eine der ersten Death Metal Scheiben, die ich mir von meinem Taschengeld geleistet habe. Sodom sind sonst ja eher im Thrash unterwegs, und Tapping The Vein sticht da einfach etwas hervor. Back To War, Hunting Season, der Titelsong, One step over the line, Reincarnation, nur Hits! Zudem bin ich ein ziemlich Ride-Becken-Fetischist, und das wird auf der ganzen Platte exzessiv eingesetzt.
Natürlich ist das eine typische frühe 90er Produktion mit ganz vielen Mitten, vielleicht also auch nicht der Anspieltipp Nummer 1, wenn sich jemand neu mit dem Genre vertraut machen will. Aber ich kann diese Platte mit einem breiten Grinsen im Schlaf mitsummen. Ein Feuerwerk der guten Laune!

10Sepultura – Chaos A.D. (1993)

Als ich das Album 93 zum ersten Mal gehört habe, bin ich erstmal nicht so ganz damit warm geworden. Nach dem Vorgänger „Arise“ war das zu wenig Geknüppel, und für einen 14-jährigen Metaller wohl auch etwas zu experimentell. Aber wenn man damals eine CD gekauft hat, dann hat man die eben auch erstmal wochenlang gehört, anstatt sie wieder vom Smartphone zu löschen und zu schauen, was der Spotify Mix der Woche noch so bietet. Und nach ein paar Umdrehungen hat das dann natürlich gezündet. Das Album ist ein Meilenstein, der das Metal-Genre – wie ich finde – maßgeblich beeinflusst und für andere musikalische Einflüsse – gerade Richtung Hardcore und Punk – weiter geöffnet hat.
Hinzu kam die dezente politische Attitüde, die in der Szene zwar durchaus vorhanden war, aber mit diesem Album doch auf ein deutlich größeres Publikum abgestrahlt hat, als das bei irgendwelchen Underground-Politcorebands möglich gewesen wäre. So zumindest meine subjektive Wahrnehmung.
15 Jahre später habe ich Cavalera Conspiracy auf dem With Full Force gesehen. Das Set bestand quasi komplett aus Chaos A.D., Arise und Beneath The Remains Songs. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mir da bei “Propaganda” eine Freudenträne in mein Bier gekullert ist.

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Felix
Ahoi! Ich bin Felix, komme aus Dresden und bin seit Mai 2017 bei AWAYFROM LIFE aktiv. Hier schreibe ich hauptsächlich Reviews und Konzertberichte, wirke bei „10 Records Worth To Die For“ mit und schreibe ab und an einen News-Artikel. Musikalisch fühle ich mich im Punk-Rock zu Hause und steh‘ da besonders auf alles was in die Rubrik „Raw’n’Dirty“ passt! Je nach Gemütslage schwankt die bpm-Anzahl. Ich bin ansonsten Student in Dresden und spiele in der Band Deep Shining High Gitarre. Ich bin gerne draußen unterwegs, gehe auf Konzerte und verbringe liebend gerne eine gute Zeit mit Leuten, die ich gerne habe. Wandern (also auf richtigen Bergen) fetzt, bouldern auch und in der Natur mal die Ruhe genießen finde ich auch schön. In diesem Sinne, UP THE PUNX!

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