Ich liebe es! Mir flattert ein neues Tape in’s Haus und ich bin erstmal verwirrt. Wieso? Weil es zur selbst betitelten EP von Bürokratie ’84 absolut nichts im Internet zu finden gibt: Kein Bandcamp, kein Instagram, keine weiteren Reviews – absolut nichts! Hatte ich bislang noch nicht, aber das kann natürlich auch Vorteile haben. Denn so gehe ich absolut unbeeinflusst an das pinke Tape ran, welches im schlichten Design und mit abgedruckten Texten daherkommt.
Das Interessante ist jedoch der beigelegte „Pressetext“: Ein auf alt gemachtes Schreiben (das Datum rechts oben in der Ecke ist natürlich 1984), welches den Leser*innen die Bandgeschichte von Bürokratie ’84 erläutert. So soll die Band im Jahr 1982 gegründet, bereits 1985 wieder aufgelöst worden sein und dennoch einen „bleibenden Eindruck in der deutschen Punklandschaft“ hinterlassen haben. Legendäre Live-Auftritte, bei denen Chaos und Anarchie geherrscht hätten, machten die Band laut dem Text zu einem „Kultphänomen in der Untergrundszene“. Das Ganze wird voller Selbstverständnis hier aufgeführt, dass ich selbst in’s Zweifeln geraten bin, ob das wohl stimmt. Und, stimmt es nun oder nicht? Nun, da darf sich jede*r selbst ein Bild davon machen, eventuell handelt sich sich hierbei auch nur um eine extrem gut gemachte und ironische Anspielung auf Alt-Punks und die wilden 80er Punk-Jahre 😉
Wir verlassen die 1980er wieder und beamen uns vierzig Jahre in das Jahr 2024. Denn dort wurde das Tape von Pat Pershing, Bommel, Uli Bulli Eisenschrank (lol!), Woif und Lohni aufgenommen und wohl in New York im Don Fury Studio gemischt.
Nun zum Inhalt: Ich führe eine gewisse Hass-Liebe zu Deutschpunk-Bands. Die einen sind mir zu platt und assi, die anderen zu studentisch und abgehoben. Selten gibt es noch eine coole Mitte, bei der die Mucke hart und geradlinig ist und auch die Texte eine gute Balance zwischen Provokation, Intelligenz und Witz haben. Bürokratie ’84 schlagen jedoch genau in die Kerbe, mit der ich mich gut anfreunden kann. Einen großen Anteil daran hat die Stimme von Sänger Patrick, der ebenfalls für die Hardcore-Punk Band Farewell Signs trällert. Dreckig und rotzig, mit leichtem bayerischen Akzent, das passt wie die Faust auf’s Auge. Der Bass bollert richtig schön in Deutschpunk-Manier und der Drummer prügelt gut auf die Schießbude ein. Die Gitarre zeigt sich für Deutschpunk-Verhältnisse sogar relativ variabel, jedoch noch nicht so stark, dass sie aus dem Gesamtkonzept fallen würde. A Propos Konzept: Bürokratie ’84 bedienen sich mit Bravour bei den Szene-Größen des Genres, und das mit Sicherheit nicht aus Stümperhaftigkeit oder fehlender Kreativität, sondern um dieser Art Musik zu huldigen und zeitgleich dem geneigten Deutschpunk-Hörer den Spiegel vorzuhalten. Textlich ist das Ganze also sicher auch mit einem Augenzwinkern zu sehen, auch wenn die Inhalte natürlich von großer Aktualität und Relevanz sind: DIY statt enthemmtem Konsum, Anti-Nationalismus (natürlich aus Sicht der 80er Jahre) oder unsere absurden Essgewohnheiten. Es wird, zumindest meiner Interpretation nach, versucht, ein Deutschpunk-Flair aus vergangenen Tagen zu reaktivieren, was sehr gut gelingt.
Mein Fazit: Bürokratie ’84 schaffen den Spagat zwischen einer Hommage an die frühen Jahre des Punks und setzen gleichzeitig ein paar ironische Seitenhiebe. Die Musik ist recht einfach gestrickt und lebt durch die Emotionen und das Chaotische. Eine Deutschpunk-Band nach meinem Geschmack!
Wer ein Tape möchte, schickt doch einfach ein Fax, äääh eine Mail an Abteilung84@gmx.de. Ob es die Mailadresse wirklich gibt? Findet es heraus!